zurück
Trimberg
Das Schweigen im Ehealltag
Disharmonie Schweinfurt war im Rahmen des Sommertheaters zu Gast auf der Trimburg mit einem Stück von Fitzgerald Kusz.
Hans (Peter Hub) und Hanna (Christine Hadulla) haben sich nichts mehr zu sagen.  Foto: Winfried Ehling       -  Hans (Peter Hub) und Hanna (Christine Hadulla) haben sich nichts mehr zu sagen.  Foto: Winfried Ehling
| Hans (Peter Hub) und Hanna (Christine Hadulla) haben sich nichts mehr zu sagen. Foto: Winfried Ehling
Winfried Ehling
 |  aktualisiert: 19.08.2022 11:25 Uhr
Es kann täglich passieren und es ist häufig bittere Realität. Ein seit Jahren verheiratetes Ehepaar hat den Zenit des gemeinschaftlichen Lebens überschritten. Der Alltag voller Frust und Langeweile scheint das tägliche Brot zu sein. Nicht selten bringt der Ausbruch eines Partners aus der Tristesse eine Änderung. Aber welche?
Eine "Lösung" inszenierte das Theater an der Disharmonie Schweinfurt auf der Trimburg. Im Rahmen des Sommertheaters setzten die beiden Darsteller Christine Hadulla und Peter Hub das Stück von Fitzgerald Kusz "Let it be" um - ganz nach dem Leitfaden "was hat man sich schon zu sagen, wenn man immer nur zu zweit ist".


Let it be

Moment mal, da war doch was: Let it be? "Kenn ich doch aus Zeiten der Beatles". Richtig, der globale Songerfolg von Paul McCartney aus dem Jahr 1970 verlor bis dato nichts von seiner Aktualität. Doch er war in diesem Fall nur der "Aufhänger" für das Stück, versichert Regisseur Bernd Lemmerich, in Neu-Deutsch ein "Ear-Catcher".
Ohnehin tut man sich schwer mit der vielseitig auszulegenden Redewendung der nicht gerade blumenreichen, englischen Sprache. "Lass es (so) sein", "lass es geschehen", "lass es bleiben" oder "nimm es dir nicht so zu Herzen", sind nur ein Bruchteil dessen, wie Briten diese Allegorie einsetzen, für die es in der deutschen Sprache eindeutig definierte Begriffe gibt.
Die Handlung verlegte Lemmerich auf die Burg. Das Paar Hanna und Hans (Christine Hadulla und Peter Hub) - nebst Kanarienvogel "Hansi" - bewirtschaftete die Trimburg, jedoch nur am Wochenende. Aber die Gäste verliefen sich. "Macht nichts", behauptet die Gemeinde "ihr könnt hier weiter wohnen. Hauptsache ihr kümmert euch ein bisschen um unser Wahrzeichen".


Lesen der Todesanzeigen

Wie läuft denn ein Tag so ab nach 35 Ehejahren? Der Gatte steht auf und begrüßt "Hansi", nicht aber seine Frau, die schweigend den Kaffee serviert. Die zweitwichtigste Tätigkeit des Ehegatten ist das Lesen der Todesanzeigen in der Heimatzeitung. Sie lackiert ihre Fingernägel und holt ihren Mantel, um zur Arbeit zu gehen. Davor bricht sie allerdings noch ihr Schweigen, obwohl sie das ganze Wochenende nicht mit ihm reden wollte.
"Ich hab heut Nacht von dir geträumt", beginnt sie zaghaft. Die Antwort: "Ich träum nie von dir." Der Traum ging weiter: "Mein Kleiderschrank ist leer - bis auf mein Tanzstundenkleid", meint sie in einem anschließenden Anflug von Schwärmerei. Hans ignoriert dies, es kommt zum Streit bei dem er klar und deutlich wissen lässt, dass er seine Ruhe haben will.
Doch zeigt sich etwas später ein Silberstreif am Horizont. Unter kräftigem Einfluss von diversen Alkoholgetränken kommt sich das Paar wieder näher, beim Kuscheln, das offensichtlich in einer der ganz seltenen Liebesnächte endet. Hingerissen liest Hanna am nächsten Morgen ihrem Mann einen brandheißen Liebesbrief vor. Doch der spielt auf dem Computer und hat gerade Level 8 erreicht. Die alte Leier lebt wieder auf.
Als sie ihn nachts aus dem Bett holt, um Wichtiges zu besprechen, "zündet" Hans doch einmal. Am Telefon wurde nach "Zombie" gefragt, nämlich Tochter Tanja, die sich in einer Motorrad-Clique tummelt. Während Hanna dazu drängt, etwas zu tun, rät Hans zum Abwarten. Schließlich einigen sich beide "Zeitungsdoktor" Alexander Borrell um Hilfe zu bitten und schreiben ihm einen Brief.


Verzweifelter Ehemann

Ein Test aus der Klatschpresse, bei dem der Gatte die Fragen stellt und die Ehefrau antwortet, führt erneut in die Krise. Dann hat Hanna genug und nimmt sich einmal in der Woche einen freien Abend mit dem Versprechen um 22.30 Uhr zu Hause zu sein. Im schwarzen Mini-Kleid und hochhackigen Stiefeln kehrt sie verspätet zurück und trifft auf einen völlig verzweifelten Ehemann, der gesteht: "Ich kann nit schlaff, wenn du nit daheim bist. Ich hab Angst, dass du nit wieder kommst". Und gleich darauf die Frage: "Hast du en annern?" Dem ist nicht so. "Ich geh fort, weil ich es daheim nicht mehr aushalt", sagt sie. Danach ist nur noch Schweigen - let it be.
Die aus dem alltäglichen Leben gegriffene Story ist typisch für den Nürnberger Schriftsteller Fitzgerald Kusz, dem vor allem mit seinem Stück "Schweig, Bub" der Durchbruch gelang. Der Mundart-Poet, der gerne totgeschwiegene Realität hervorholt, liegt auch mit "Let it be" in diesem Metier richtig.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Trimberg
Bernd Lemmerich
Disharmonie Schweinfurt
Ehegatten
Englische Sprache
Kanarienvögel
Liebesbriefe
Minikleider
Paul McCartney
Peter Hub
Redewendungen
The Beatles
Theater
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top