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BAD BOCKLET
"Das ist ein großes Glück"
Lebenstraum erfüllt: Schwester Josephine Kalappurackal bewirkte, dass in ihrer indischen Heimat ein ganzes Dorf gebaut wurde.
Foto: Isolde Krapf | Lebenstraum erfüllt: Schwester Josephine Kalappurackal bewirkte, dass in ihrer indischen Heimat ein ganzes Dorf gebaut wurde.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 08.05.2019 17:04 Uhr

Als sie mit 17 das Abitur hatte, wollte Josephine Kalappurackal Ordensschwester werden. Als sie im indischen Palai (Kerala) Ende der 1950er Jahre den Herz-Jesu-Schwestern beitrat, hatte sich ihr „Lebenswunsch“ bereits in die Seele eingebrannt: „Ich wollte immer Ärztin werden und den Menschen im Urwald helfen.“ Damals mag sich das wie der naive Traum eines Teenagers angehört haben. Spricht die zierliche 74-Jährige im hellgrauen Habit heute davon, ist es lediglich eine Erklärung für das, was sie alles in ihrem Leben leidenschaftlich in Angriff nahm. Zur Zeit ist sie in Bad Bocklet, um dort beim Aufbau des Ayurveda-Zentrums in Kunzmanns Hotel mitzuwirken.

Kulamavu heißt das Dorf, das sie selbst damals im indischen Urwald begründete. 250 Häuser stehen heute dort – Unterkünfte, die großenteils von der Kirche, aber auch von der Regierung des Landes unterhalten werden. Die Kinder des Dorfes bekommen Schulunterricht. „Und ich will, dass sie studieren“, sagt Schwester Josephine resolut. Aber leider kostet die Hochschule in Indien Geld. Die Erwachsenen in ihrem Dorf sind heute gut gekleidet und wissen sich zu versorgen, erzählt die Inderin stolz. Denn anfangs musste sie ihnen so Manches erst zeigen.

Der Weg vom Kloster in Palai bis zum Dorf Kulamavu war für die Ordensfrau lang und arbeitsreich. Zunächst trug sie damals, als sie in den Orden kam, ihrer Oberin und dem Bischof ihr Ziel vor, die Menschen im Urwald medizinisch zu versorgen. Die Klosterleitung entschied sich daraufhin, Josephine und drei weitere Ordensmitglieder zum Medizin-Studium nach Deutschland zu schicken, denn man wollte in ihrer Heimat sowieso ein Krankenhaus errichten und benötigte geschultes Personal.

Es war im Jahr 1962, als sich Schwester Josephine zusammen mit ihren drei Begleitern per Schiff auf die Reise nach Genua machte. Von dort ging's weiter mit dem Zug über Freiburg nach Würzburg, wo sie selbst bei den Erlöserschwestern in der Ebracher Gasse ein Zuhause fand. „Für uns war alles ganz anders, ganz neu und fremd“, sagt die 74-Jährige. „Wir konnten die Sprache nicht, das Essen war anders und das Klima machte einem zu schaffen.“ Ihre Mutter hatte sich vor ihrer Reise Sorgen gemacht und befürchtet, dass sie vielleicht hungern müsste. „Man wusste ja bei uns nichts über Deutschland“, sagt Schwester Josephine und muss in Erinnerung daran lachen. Denn die Mutter gab ihr damals 100 Eier mit auf die Reise. „Die waren natürlich alle kaputt, als ich hier ankam.“

„Man wusste ja bei uns nichts über Deutschland“
Schwester Josephine Ordensfrau aus Indien

Ein Jahr lang musste die junge Inderin Deutsch lernen und das Latinum machen, bevor sie mit dem Medizinstudium beginnen konnte. 1970 legte sie ihr Staatsexamen ab und machte ihre Assistenzarzt-Ausbildung im Krankenhaus in Marktheidenfeld. Später wechselte sie nach Cosfeld und Höxter, wo sie den Facharzt zur Gynäkologin machte.

1978 fuhr sie wieder heim nach Indien. In Moolamattam, einer Stadt etwa 60 Kilometer von Palai entfernt, war man gerade dabei, ein Hospital zu bauen. 1979 wurde es eingeweiht. Schwester Josephine arbeitete dort und fuhr regelmäßig zu den Leuten in die Urwaldregion, um medizinische Hilfe zu bringen. Eine Krankenstation vor Ort wünschte sie sich damals und erzählte das auch mal einer Deutschen, die auf der Durchreise war.

Johanna Zickler kam aus Essen und sagte spontan ihre Hilfe zu. Sie kaufte ein Grundstück im Urwald und richtete dort tatsächlich eine Krankenstation ein. Durch ein Spendenprojekt aus dem deutschen Bensheim/Odenwald wurde es kurze Zeit später möglich, dort 50 Häuser zu bauen und 250 Toiletten anzuliefern. „Die Leute waren skeptisch“, erzählt Schwester Josephine, konnten sich nicht erklären, warum sie ihre Notdurft nun nicht mehr in freier Natur, sondern in engen Häuschen verrichten sollten. Sie musste erst erklären, dass hierdurch zahlreiche Krankheiten vermieden werden konnten.

Immer wieder gab es Sponsoren aus Deutschland, aber auch Spenden von Freunden. So war sie während ihres Studiums in Würzburg von der Familie Adolf Zöller in Dorfprozelten herzlich aufgenommen worden. „Sie behandelten mich wie ihre Tochter“, sagt sie heute noch gerührt. Der Sohn dieser Familie, Gerald Zöller, ist heute leitender Arzt im Klinikum Werneck und sammelt immer noch für die Projekte „seine Schwester“. Und da ist auch Karl Kübel aus Bensheim, der weiter unermüdlich für Schwester Josephine aktiv ist.

„Aber wir brauchen gar nicht mehr soviel Geld“, sagt die Ordensfrau bescheiden. Denn die Menschen in ihrem Dorf wissen sich inzwischen selbst zu versorgen. Wenn sie manchmal Fotos von früher betrachtet, sieht sie all die Fortschritte, die die Menschen in Kulamavu machten.

Vor acht Jahren hat sie der Gynäkologie ade gesagt und sich der Schmerztherapie zugewandt. Seitdem beschäftigt sie sich auch mit Ayurveda, denn schließlich leitet ihr Schwager zusammen mit seinen Söhnen eine Klinik in Parathode (Kerala). Dort ging sie so zu sagen in die Lehre. Ayurveda hilft sehr gut bei chronischen Leiden, sagt Schwester Josephine. Die klassische Medizin bekämpft dagegen eher akute Symptome. „Die Natur hilft langfristig“, davon ist sie überzeugt. Für acht Monate ist sie nun nach Bad Bocklet gekommen, unterstützt ihren Neffen Dr. Jobin Joy Madukkakuzhy und Dr. Sajan Kumar im Ayurveda-Zentrum.

Dass sich ihr Lebenstraum erfüllte, empfindet sie als „großes Glück“.

 
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