Bootcamp, so heißen in den USA die Erziehungslager oder Ausbildungslager für Rekruten. Aber auch in der Programmiererszene werden lange Sessions schon mal „bootcamp“ genannt. Als „artists in residence“ trafen sich Dierk Berthel, Alexander Schräpler, Johannes Schreiber und Jana Francová in den Glashäusern, um ihre Kunst „aufzuladen“, denn so ließe sich die englische Bezeichnung „boot“ auch herleiten.
Die drei bildenden Künstler aus Franken und die Videokünstlerin aus Tschechien erarbeiteten in vier Tagen eine Performance aus Klang, Struktur und Videoprojektion, die das bisher entstandene „Gesamtkunstwerk“ else!³ in den Prozess mit einbezog.
Bohren und kratzen auf Glas
Schräpler erklärte, dass mit dem Material vor Ort experimentiert werde, dabei entstehe nicht Musik, sondern Klangkunst. Zum Beispiel werde Schreiber, der überwiegend mit Glas arbeitet, auch die Geräusche der Schleifmaschine, das Bohren und Kratzen auf Glas in die Performance mit einbinden. Francová werde ihr Videomaterial live bearbeiten.
Und so ließ sich das Publikum ein auf das künstlerische Geschehen an mehreren Orten in den Glashäusern, für die große Zahl der Interessierten wurden noch Stühle herbeigeschafft, fast 90 Gäste waren gekommen.
Beim „bootcamp“ das Publikum integriert
Im ersten Teil las Claudia Koch Texte des Münnerstädter Künstlers Thomas Seuberling, die Klangkünstler reagierten „als offenes System“ darauf. „Wir wissen selbst noch nicht, was passiert“, so Berthel in seiner Eröffnungsrede.
Es entstand „zwischen Welle und Welt“ (aus einem Gedicht Seuberlings) ein Begegnungsraum, der auch das Publikum integrierte, eine mehrschichtige Kommunikation, die nachhaltige Inspiration bewirkte.
„Wir reagieren klanglich auf die Bilder, die hier durch die Gewächshäuser gejagt werden“, so Berthel. Es entwickelte sich aber weniger eine Jagd, sondern ein erstauntes Bewegen in der Kunst, räumlich, mit dem ganzen Körper. Nach der Lesung wurde das Kunstwerk begehbar, die Glashäuser als Raum spürbar.
Die Geräusche, deren Herkunft nicht mehr klar auszumachen war, legten sich zusammen mit den Farbspielen der Projektoren wie in einer Unterwasserwelt in die Glashäuser.
Dort verwandelten sich beispielsweise die Kunstwerke der Bischofsheimer Holzbildhauerschule in fragil schimmernde, leuchtende Korallen, die Abenddämmerung trug das ihre dazu bei, die Atmosphäre zu verwandeln.
Klangkunst und wunderliche Dinge in Münnerstadts Glashaus
Was solche Klangkunst vermag, sich ausdrücken können mit den Mitteln, die da sind und dabei sogar ab und zu auch gelingende Kommunikation mit dem Publikum herzustellen, ist nicht wenig. Manchmal – dieser Begriff aus den anfangs gelesenen Texten Seuberlings, mäanderte durch die ganze Performance: manchmal geschehen wunderliche Dinge, transformieren Zeit und Raum.
Manchmal, um mit dem berühmteren Dichter und Maler Janosch zu sprechen, manchmal möchte man sich auf die Erde werfen und vor Freude ins Hemd weinen.
Das Projekt wurde im Rahmen der „Verbindungslinien“ des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst gefördert.
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