Erst zum Ende hin, als Leon Dreher für die Ansage der Zugabe zum Mikrofon griff, spürte das Publikum die Heimat des 19-jährigen Tenors. "... ich bin einer vorn Euch" hauchte er in unverkennbarem leicht fränkischen Singsang dem geneigten Kissinger ins Ohr, was die Kraft des Applauses unbändig steigerte. Es mag ein Heimspiel gewesen sein, ein Konzert für die Daheimgebliebenen, denen als Ersatz ja noch der "Sommer" in Bad Kissingen bleibt. Jetzt, nach der glanzvollen Heimpremiere vor fast ausverkauften Rängen im Rossinisaal, bleibt der Genuss hängen, den die Stimme Leon Drehers mit dem kongenialen Tastenschlag von Kilian Langrieger zu einem glanzvollen Kunstwerk erhob.
Erst kürzlich sind die beiden Künstler den Regensburger Domspatzen entwachsen und gehen getrennte musikalische Wege. Im Alter von 19 und 20 Jahren ist das die Weiterentwicklung ihres begnadeten Talents. Während Leon Dreher, der nach dem Stimmbruch vor etwa vier Jahren zum Tenor in Regensburg weitergebildet wurde, nach dem Abitur 2018 seine Gesangsausbildung bei renommierten Lehrern konsequent weiterverfolgt, hat es den Pianisten Kilian Langrieger dank erfolgreicher Aufnahmeprüfung im Fach Klavier ins italienische Trient verschlagen.
Es ist so etwas wie ein duales Studium, und da sind die beiden Künstler nicht alleine. Einmal die tägliche Routine des Übens und Lernens und andererseits die Prüfung vor dem Publikum, dem eigentlichen Ziel der Profession. Das Konzert in Bad Kissingen war nicht das erste in der Region, aber es war die Begegnung mit den Wurzeln.
Die "Sommerklänge", so der Titel der Veranstaltung, kamen hier den Menschen zu Ohren, die den kleinen Leon mit guten Wünschen vor neuen Jahren ins Regensburger Spatzen- Internat verabschiedeten. Jetzt, auf der Bühne, stand ein Profi, der sie mit seiner Kunststimme voll vereinnahmen konnte, der bei aller Konzentration locker wirkte und dem romantischen deutschen Volkslied einen Gefallen getan hat.
Franz Schubert hat in seinem kurzen Leben (1797 - 1830) dem Liedgut in deutscher Sprache ein Denkmal gesetzt. So nachhaltig, dass bis heute in geselliger Runde irgendwann ein "Schubert" über die Lippen kommt. "Das Wandern ist des Müllers Lust" von Leon Dreher kommt aus dem Corpus und geht in Ergriffenheit über. Die bleibt auch bei den weiteren vier Liedern aus der "schönen Müllerin" (Op.25) aus dem Jahre 1821 erhalten. Alle waren dankbar, dass die Künstler darum gebeten hatten, den Applaus erst zum Ende des Zyklus zu spenden. Das garantierte einen spurenlosen Kunstgenuss. Denn die kleinen Pausen zwischen den Stücken, von Klavier und Stimme andächtig zelebriert, erfühlte durch die innere Wiederholung des gerade Gehörten noch mehr Intensität.
Kilian Langrieger war nicht nur Begleiter seines Sängerfreundes, er fand in zwei Solostücken auch sich selbst als Meister wieder. Mit dem eher verhaltenen, ruhigen Liebeslied von Robert Schumann (1810 -1856) und dem "Scherzo No.3 Op.39 von Frederic Chopin (1810 - 1849) ließ der 20 Jahre alte Pianist seine besondere Klasse aufblitzen. Das war eine Empfehlung für Solokonzerte, vielleicht an gleicher Stelle. Leon Dreher hat sich jedenfalls voll auf die Fingerfertigkeit verlassen. Er sang von Schubert "Du bist wie eine Blume" und das dramatische "Belsazar" (Op. 57). Hier klang ein wenig durch, dass der Teenager-Tenor noch Luft nach oben hat, um im Reigen gestandener Kollegen seine Karriere zu festigen.
Im zweiten Teil kamen die Zuhörer mit dem Liedgut von Johannes Brahms ( 1833 - 1897) weiter auf ihre Kosten. Einfühlsam interpretierte Leon Dreher die Volkslieder , denen ebenfalls noch heute im deutschen Chorgesang gehuldigt wird, so unter anderem "Mein Mädel hat einen Rosenmund" oder "Es steht ein Lind" und "Da unten im Tale". Die Zugabe ließen die beiden Künstler unter anderem italienisch ausklingen mit "La Ultima Canzone".
Leon Dreher hat in Regensburg eine künstlerische Basis geschaffen, er weiß nun um seine starken Bad Kissinger Wurzeln und sieht wohl einer aufregenden Karriere entgegen.