Am 7. Juli 2021 wurde das 1970 eingeweihte evangelische Gemeindehaus (Salinenstraße 2, Ecke Maxstraße) wegen seiner baukünstlerischen Bedeutung als jüngstes Baudenkmal Bad Kissingens unter der Nummer D-6-72-114-562 in die bayerische Denkmalliste eingetragen. Am Sonntag nutzten viele Besucher den Tag des offenen Denkmals zur Besichtigung des ab 2022 generalsanierten und zum Ingenieurbüro umgenutzten Gebäudes und ließen sich von Stadtheimatpfleger Peter Kaidel sowie vom neuen Eigentümer und Diplom-Ingenieur Daniel Dahinten die Besonderheiten des einst vom Architekten Hans-Busso von Busse (München) entworfenen Hauses erläutern.
Erinnerungen an den ersten Arbeitstag
Unter den vielen Besuchern war auch Günter Schlereth (69). Er erinnerte sich beim Rundgang wehmütig daran, wie er als 14-jähriger Katholik am 1. August 1968, dem ersten Tag seiner Maurerlehre bei der Firma Otto Heil (Oerlenbach), auf der Baustelle des evangelischen Gemeindehauses eingesetzt worden war. „Das Fundament war schon fertig.“ Unter Aufsicht von Polier August Blass musste Schlereth die ersten Kalksandsteine der Sichtmauer setzen.
Es vergingen 55 Jahre, bis er nun wieder in diesem Gebäude stand und das Sanierungsergebnis bestaunte: „Ich finde es toll, dass alles noch im Original erhalten ist. Viele Gebäude aus dieser Zeit wurden doch abgerissen.“
Abriss war im Gespräch
Auch bei diesem unterkellerten Flachdachbau mit seiner 300 Quadratmeter großen Nutzfläche im Erdgeschossfläche und zwei Wohnungen im Obergeschoss (insgesamt 150 Quadratmeter), an dessen Errichtung neben dem Münchner Büro Busse & Partner auch die Bad Kissinger Architekten Herbert und Hans Knoch mitgewirkt hatten, war vor Jahren schon von Abriss gesprochen worden. In den Keller eingedrungenes Grundwasser hatte das Fundament geschädigt. „Wir haben das Problem gelöst“, versicherte der heutige Hauseigentümer Daniel Dahinten seinen Besuchern. Mit „Wir“ meinte er das Team seines Ingenieurbüros Tragraum, dessen einer Partner er ist und das dieses sanierte Gebäude nun als eine seiner fünf Niederlassungen nutzt.
Zusätzlicher Aufwand
Schon 2019 hatte Dahinten das Gebäude von der evangelischen Kirche gekauft, die ihr Gemeindehaus aber noch bis 2022 nutzen durfte. „Wir arbeiteten seitdem im Nebenhaus, um bei der Planung und späteren Sanierung vor Ort sein zu können.“ In der Planungsphase kam dann die Überlegung auf, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen. „Wir mussten uns mit dieser Idee anfreunden“, meinte Dahinten lediglich, machte aber auch deutlich, welchen zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand dies mit sich brachte: „Wir haben ein halbes Jahr verloren und hätten ohne Denkmalschutz auf manches verzichten können.“
Jeder Stein einzeln behandelt
Doch grundsätzlich hatte der Denkmalschutz keine Auswirkung auf die Pläne des neuen Eigentümers und dessen Nutzungsvorhaben. „Mit unserem Ingenieurbüro passen wir hier hervorragend rein. Wir konnten alles so lassen, wie es war.“ Die Sichtmauer aus Kalksandstein wurde gereinigt, jeder Stein einzeln geschliffen und vor neuer Verschmutzung geschützt. Im Inneren wurden schadhafte Stellen ausgebessert, aber nichts umgebaut. Wie im Einweihungsjahr 1970 sind noch heute die Farben Grün und Rot tonangebend.
Pelletheizung und Photovoltaikanlage inklusive
Die wenigen Neuerungen, die am Haus vorgenommen werden mussten, waren der Einbau neuer Versorgungsleitungen, die umfassende energetische Sanierung , der Einbau einer Pelletheizung sowie einer Photovoltaikanlage auf dem Flachdach. „Wir sind das einzige Baudenkmal der Stadt mit einer PV-Anlage“, ist Dahinten dem Denkmalschutzamt für dessen Flexibilität dankbar. Auch beim Einbau neuer Oberlichter in die Decke des ehemaligen Festsaals, der jetzt als Großraumbüro genutzt wird, ließ die Behörde mit sich reden. Sie waren zur Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen notwendig.
Kostenschätzung gehalten
„Unsere Kostenschätzung haben wir trotz überraschendem Denkmalschutz-Status halten können“, zeigte sich Dahinten am Tag des offenen Denkmals mit dem Ergebnis zufrieden. Das Bauunternehmen Otto Heil hatte ihm zu Beginn der Sanierungsplanungen knapp zehn Aktenordner über das damalige Bauvorhaben übergeben. „Das Haus wurde damals auf sehr hohem Standard gebaut.“ Die architektonischen Planungen hatte Hans-Busso von Busse damals seine Studenten als Semesterarbeit machen lassen. „Dadurch wurde das Bauvorhaben billiger“, erzählte Dahinten den Besuchern.
Bericht in der Fachzeitschrift schon 1973: Wiederholung?
Im Jahr 1973 hatte die angesehene Architektur-Fachzeitschrift „Detail“ ausführlich über dieses besondere Bauwerk in Bad Kissingen berichtet. Dahinten: „Ich hoffe, wir kommen nach unserem Umbau noch einmal mit einem Artikel in das Magazin.“ Grund genug gäbe es, meinte auch Stadtheimatpfleger Kaidel abschließend: „Dieses Haus ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie man interessante Architektur gut über die Zeit retten kann.“
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