Das Sterben der kleinen Versorger in den Gemeinden setzt sich fort. Vor kurzer Zeit hat der Dorfladen von Georg Fischer im Stadtteil geschlossen, der – sage und schreibe – 135 Jahre lang die Einheimischen mit allem versorgt hat, was man so zum täglichen Leben braucht. Damit verliert Untererthal ein Stück Lebensqualität, so die Meinung vieler.
Sohn Rainer Fischer konnte und wollte den „Kaufladen“ nicht mehr weiterführen. Zwar hat er eine einschlägige Ausbildung als Kaufmann, gab jedoch seiner Anstellung bei der Zollbehörde den Vorzug. Wohlwissend, dass die althergebrachte Art dieser Dienstleistung keine Zukunft mehr hat.
Discounter und Supermärkte, in einigen Minuten mit dem Auto oder dem Fahrrad zu erreichen, der Boom des Internethandels und letztlich die horrenden Abgabepreise der Lieferanten, die Händler nicht oder nur begrenzt an ihre Kunden weitergeben können, führten zu diesem Entschluss. Mit dem Tod des Vaters, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatte, war das Ende des Ladens eingeläutet.
Recherche von Edwin Fella zur Geschichte des Ladens
Edwin Fella, der sich auskennt vor Ort und so etwas wie ein Heimatarchivar ist, hat die Geschichte des Tante-Emma-Ladens nachrecherchiert. Demnach eröffnete Schreinermeister Josef Fischer 1889 neben seiner Schreinerei das Gemischtwarengeschäft. Nach seinem Tod heiratete die Witwe Franz Metz , der das Geschäft ebenfalls bis zu seinem Tod führte. Stiefsohn Ludwig Fischer führte das Geschäft weiter. Als dessen Sohn Georg heiratete, übergab der Vater, der im vorigen Jahr verstarb, den Betrieb an Sohn Rainer.
„Hier konnte man neben Lebensmitteln fast alles kaufen, was im täglichen Leben gebraucht wurde“, erinnert sich Fella. Außer dem rund 120 Quadratmeter großen Einkaufsbereich mit Kasse gab es noch separate Räume, in denen vor allem Landwirte fanden, was sie benötigten: Von der Mausefalle bis zur Kuhkette und von der Heugabel bis zum Maulkorb reichte das Repertoire, Nägel, Dübel, Striegel und Schaufeln eingeschlossen. Von den einst drei Kaufläden in Untererthal führte Fischer das mit dem breitesten Angebot.
Schubladen, Gefäße, Fässer
Die Waren wurden in Schubladen, Gefäßen und aus Fässern angeboten, Essig und Öl, Salz und Zucker, Grieß und Kaffee in Flaschen und Papiertüten verpackt. Salzheringe kamen aus dem Fass. So wurde kaum Verpackungsmüll produziert, im Gegensatz zu heute. „Doch eine Wiederbelebung ist sinnlos – auch wenn noch heute Leute nach Mistgabeln oder Spaten fragen“, sagt Rainer Fischer mit Blick auf die nahe gelegenen Supermärkte in Hammelburg.
Abverkauf am 5. und 6. Juni
Viele der Waren im inzwischen verwaisten Einkaufsraum sind noch brauchbar. Deshalb hat sich 59-jährige Untererthaler zu einem zweitägigen Abverkauf entschlossen, der am Mittwoch und Donnerstag, 5. und 6. Juni, stattfinden soll. Schnäppchenjäger können an diesen Tagen noch einmal fündig werden – denn die Preise werden halbiert. Danach schließt der Ortsversorger für immer die Türen.
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