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Bad Kissingen
Das Beste kam zum Schluss
„Die Schlesischen Kammersolisten featuring Christoph Soldan“ wäre sicher treffender gewesen. So sieht Konzertkritiker Thomas Ahnert das Winterzauber-Konzert.
„Christoph Soldan und die Schlesischen Kammersolisten“ stand beim Kissinger Winterzauber auf dem Programm.       -  „Christoph Soldan und die Schlesischen Kammersolisten“ stand beim Kissinger Winterzauber auf dem Programm.
Foto: Gerhild Ahnert | „Christoph Soldan und die Schlesischen Kammersolisten“ stand beim Kissinger Winterzauber auf dem Programm.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 03.02.2024 02:47 Uhr

Irritierend war der Titel schon. Obwohl man sich das auf den ersten Blick gar nicht vorstellen konnte: „Christoph Soldan und die Schlesischen Kammersolisten“. Da konnte man eigentlich eine Reihe von Klavierquartetten, -quintetten oder -sextetten erwarten.

Aber weit gefehlt: Christoph Soldan saß nur bei einem der insgesamt fünf aufgeführten Werke am Flügel, also auch nur im ersten Teil des Konzerts . Ansonsten waren Dariusz Zboch und Jakub Lysik (Violine), Joroslaw Marzes (Viola), Katarzyna Biedrowska (Vioiloncello) und Dawid Lewandowsky (Kontrabass) unter sich. „Die Schlesischen Kammersolisten featuring Christoph Soldan “ wäre sicher treffender gewesen. Sei’s drum.

Der erste Teil: etwas enttäuschend

Der erste Teil des Konzerts war etwas enttäuschend. Das lag zum einen an dem ersten Stück, der „Capitol Suite“, die der englische Musikwissenschaftler, Kritiker und Komponist Peter Warlock – den Namen verwendete er als Pseudonym für seinen bürgerlichen Namen Philip Arnold Heseltine – 1927 schrieb.

Das Problem: Wenn Musikwissenschaftler komponieren, dann neigt ihre Musik zu einer gewissen Verkopfung, weil ihre Musik eher ihren wissenschaftlichen als emotionalen Kriterien standhalten muss. Und so ist diese Musik mit ihren sechs Tanzsätzen auch nicht auf die Melodik, sondern vor allem auf die Rhythmik gerichtet.

Wobei sie nicht Warlocks eigene Erfindung ist, sondern eine Bearbeitung aus der 1588 entstandenen „Orchésographie“ des französischen Priesters und Renaissance-Choreografen Thoinot Arbeau. Der musste auf ausreichende zeitliche Längen achten und nicht auf abwechslungsreiche Melodik. Und er musste vor keiner Wiederholung zurückschrecken, weil die Tänzer darauf ohnehin nicht achteten. Für die heute stillsitzenden Zuhörer kann die Sache natürlich langweilig werden, obwohl die fünf Streicher auf starke Differenzierungen achteten.

Absolut homogener Klang

Aber eines fiel sehr schnell auf, dass die Kammersolisten einen sehr speziellen Ton haben: sehr weich, sehr substanzreich und formbar. Sie hatten offensichtlich bei der Auswahl ihrer Instrumente ein glückliches Händchen und spielen mit absolut homogenem Klang, den man gerne als „böhmisch“ bezeichnen würde wegen seiner relativen Gemütlichkeit.

Die zweite Enttäuschung lag in der Interpretation des zweiten Stücks, was ein bisschen schade war. Den Dariusz Zboch, der Primarius der Schlesischen Kammersolisten, hat schon vor einiger Zeit seine Begeisterung für Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ entdeckt und verschiedene Arrangements unter dem Titel „Vivaldiana“ herausgegeben, unter anderem für zwei Klaviere, für Klavier und Streichorchester oder für Akkordeon und Kammerorchester.

Er hat viel Phantasie investiert und auch Humor, hat nicht nur Jazz, Rock, Pop oder Tango implantiert, aber immer so, dass die Originale fast immer noch erkennbar waren, sondern hat auch Kollegen mit hineingebeten wie Rachmaninoff, Gardel und ganz kurz auch Beethoven . Für die fünf Streicher eine dankbare Herausforderung, die das Werk zum ersten Mal in dieser Besetzung aufführten, und für die Zuhörer ein großes Vergnügen.

Mit einem harten Anschlag

Eigentlich. Denn Dariusz Zboch hatte auch hier an die Stelle der Violine das Klavier als Soloinstrument eingesetzt. Als Arrangeur kann er das natürlich tun und damit neue Strukturen und Klänge schaffen. Aber von Christoph Soldan hätte man sich ein bisschen mehr Teamfähigkeit und Bezüge zu den streichenden Kollegen gewünscht. Aber er spielte vor allem durchgehend laut und mit einem harten Anschlag im unteren Forte-Bereich. Natürlich darf es krachen, wenn die Herbstgewitter niedergehen. Das tun sie bei Vivaldi auch. Aber es gewittert ja nicht durch alle vier Sätze.

Streicher wirkten fast verloren

Da gibt es ja auch viele lyrische, heitere, geheimnisvolle Momente. Die eiskalt fahlen Töne zu Beginn des Winters etwa müssen leise sein, um Gefahr zu signalisieren, die sich in einem Crescendo steigern lässt. Aber so gab es halt keine Entwicklung und auf diese Weise waren viele Pointen überspielt. Die Streicher wirkten da phasenweise ein bisschen verloren. Statt zu gestalten, mussten sie sicherstellen, dass sie immer gehört wurden. Schade. Der zweite Teil des Konzerts entschädigte.

Da waren die Fünf unter sich. Da konnten sie nach Belieben gestalten und auch ein bisschen zaubern wie in der Ouvertüre zu Felix Mendelssohn-Bartholdys Ouvertüre zum „Sommernachtstraum“. Das wurde eine hochvirtuose, schwerelose, köstliche Elfenmusik von großer Bildkräftigkeit und ein heiteres Spiel mit den Scheinschlüssen.

Ja und dann zweimal Edvard Grieg , der sich auch im Barock bedient hat, aber diese Anregungen in die romantische Tiefgründigkeit seiner eigenen Gegenwart überführt hat, wie in der Suite „Aus Holbergs Zeit“.

Das machte Freude

Der aber auch eigenes entwickelt hat wie die „Peer Gynt-Suite“ Nr. 1. Beide Werke mit höchst charakteristischen und eingängigen Melodien, aber auch mit klar definierten, aus der Literatur entnommenen Programmen. Hier konnte das Streichquintett nicht nur mit seinen wunderbaren Klangfarben spielen, sondern auch mit klarer Agogik und plausiblen dynamischen Differenzierungen Klangräume öffnen, in denen der Zuhörer seine Phantasie ausleben konnte.

Der perfekte Rausschmeißer

Und es waren nicht nur konzeptionelle Klarheit und Erzähllaune, die Freude machten, sondern auch die Einzelbesetzung der fünf Stimmen, die dadurch sehr gut durchhörbar und individualisiert wurden. Zwei Zugaben waren dann am Ende erforderlich. Die zweite, „Hava Nagila“, wurde zum perfekten Rausschmeißer.

 

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