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BAD KISSINGEN
Da staunt der heilige Valentin: 75 Jahre verheiratet
Zum Valentinstag: Als Lieselotte und Otto Scherer heirateten, war noch Krieg. Ihr Lebensweg war nicht einfach, aber sie haben ihr Glück gefunden.
Susanne Wahler-Göbel
Susanne Wahler-Göbel
 |  aktualisiert: 19.02.2016 03:34 Uhr

Es gibt sie noch, die lang anhaltenden Liebesbeziehungen. Lieselotte und Otto Scherer aus Bad Kissingen sind seit 75 Jahren glücklich verheiratet. Fast 40 Millionen gemeinsame Minuten sind das, über 3900 Wochen, knapp 900 Monate. Kronjuwelen-Hochzeit nennt sich dieses sehr seltene Ehejubiläum.

Wer auf die 96-jährige Lieselotte und den 98-jährigen Otto trifft, der spürt: Diese Beziehung nährt sich aus bedingungsloser Treue. „Die erste Liebe ist geblieben. Bei uns gab?s nichts davor, nichts danach und nichts dazwischen“, sagt die hochbetagte Frau und kichert dabei ein wenig wie ein junges Mädchen. Lieselotte und Otto gehören einfach zusammen. Sie waren wohl schon seit Kindestagen füreinander bestimmt.

Freundlich bitten die beiden in ihr Appartement im Bad Kissinger Parkwohnstift. Sie laufen langsam und halten sich gegenseitig die Hände. Dass ihre Geschichte zuerst bei der Familienfeier im Seniorenheim und jetzt auch bei Zeitungsreportern so viel Aufmerksamkeit erzeugt, freut die beiden sichtlich. Bescheiden bleiben sie trotzdem. „Eigentlich haben wir doch gar nichts Besonderes erlebt“, findet Lieselotte Scherer.

Lebensfreude strahlen beide aus. Sie wissen zu schätzen, wie viel Glück sie trotz aller anfänglichen Widrigkeiten miteinander hatten. Von Sehen kennen sie sich von klein auf, sie haben im selben Viertel gewohnt. Doch zur ersten intensiven Begegnung kommt es erst, als Lieselotte 16 und Otto 18 Jahre alt ist. Auf einem Jahrmarkt in Darmstadt sprechen sie miteinander. Es funkt. Otto war damals beim Arbeitsdienst, später wurde er vom Militär eingezogen. „Und dann kam der Krieg, wir sahen uns kaum noch.“ Otto Scherer musste an die Ostfront.

Geheiratet haben die beiden am 18. Januar 1941 in Darmstadt, mitten im Krieg, als Otto Scherer Heimaturlaub hatte. „Außer uns beiden hatten wir absolut nichts.“ Neun Monate nach der Hochzeit bringt Lieselotte Sohn Peter zur Welt. Otto sieht ihn erstmals ein dreiviertel Jahr später, als er erneut eine Zeit in der Heimat verbringen darf.

Dann ging's zurück an die Front. Viel zu sehen bekommt der Vater den Jungen in den ersten Jahren nicht. Aus Erzählungen seiner Mutter weiß Peter Scherer, dass er sich wunderte, als Otto schließlich nach dem Krieg für immer heimkommt. „Ich habe zu meinem Vater gesagt: Du bist nicht mein Vater, mein Vater ist der Mann auf dem Foto.“

Während Peter diesen Satz ausspricht, werden seine Augen feucht. Der Sohn ist heute 74, er ist zusammen mit seiner mexikanischen Frau Sylvia, seinen Kindern und Enkelkindern aus den USA zur großen Feier nach Bad Kissingen gekommen. Jetzt sitzt er seinen Eltern gegenüber und sagt: „Ich bin ihnen unbeschreiblich dankbar. Sie haben mir und meiner Familie alles ermöglicht.“

Seine 72-jährige Frau nickt sofort: „Damals war es schwer für sie, als wir nach unserer Hochzeit in die USA gingen und Peter so weit weg war. Aber sie haben es akzeptiert und uns immer vertraut. Ich habe ihnen gesagt, ihr werdet euren Sohn nicht verlieren und ihr bekommt mich noch als Tochter dazu. Sie waren für mich wie eigene Eltern.“

Lieselotte und Otto Scherer mussten sich wie so viele andere auch aus dem Nichts eine Existenz aufbauen. Ihre Wohnung in Darmstadt war nach dem Krieg völlig zerstört. Lieselotte hat Otto zuliebe auf eine eigene Karriere verzichtet. Peter ist überzeugt: „Mutti wäre eine tolle Modedesignerin geworden. Sie war immer künstlerisch begabt und hat unglaublich schöne Sachen genäht.“ So sorgte Lieselotte für eine heimelige Atmosphäre, während Otto im Lauf der Jahre in den Verwaltungsdienst aufstieg, viel unterwegs war und schließlich Leiter der Präsidialstelle beim Hessischen Rechnungshof wurde.

Otto hat nie vergessen, dass Lieselotte mit ihrem freundlichen Wesen stets für ihn da war. „Wir haben immer schön zusammen gefrühstückt, bevor ich aus dem Haus bin.“ Und das tun sie auch heute noch. Das gemeinsame Frühstück ist heilig, auch jetzt, wo ihr Leben in Bad Kissingen einem ganz eigenen Rhythmus folgt.

Die Frage, wie man es denn so lange miteinander aushalten kann, stellt sich irgendwie nicht, wenn man die beiden Hochbetagten sieht. „Meine Eltern sind einfach Sweethearts“, sagt Sohn Peter, der sie täglich aus den USA anruft. Früher sind sie gern alle zusammen verreist in fremde Länder. Außerdem sind Lieselotte und Otto gern gewandert und spazieren gegangen. „Da haben wir uns immer miteinander unterhalten“, sagt die 96-Jährige. „Es ist wichtig in einer Beziehung: dass man miteinander spricht.“

Und das wird ihr wichtig bleiben bis ans Ende ihres Lebens. „Ich wünsche mir einfach, dass wir uns noch möglichst lange ganz normal miteinander unterhalten können.“ Damit meint sie vor allem, dass ihnen der wache Geist erhalten bleibt. Die körperlichen Wehwehchen könne man ja irgendwie wegstecken.

Die Themen für Gespräche gehen den Scherers nicht aus, sie schauen noch täglich Nachrichten, treffen sich einmal pro Woche abends mit anderen Bewohnern des Parkwohnstifts und verfolgen an Wochenenden die Spiele des Fußballbundesligisten Darmstadt 98. Die beiden mögen Kaffee und Kuchen mit viel Schlagsahne, Portwein oder auch fränkischen Schoppen. Und wenn es die Befindlichkeit und das Wetter erlauben, gehen sie ab und an auch noch gerne essen in ihr Kissinger Lieblingslokal.

Viermal im Jahr versucht Peter mit seiner Frau Sylvia seine Eltern zu besuchen, er reist dafür immer aus Washington an. Ein längerer Urlaub ist dabei eingeschlossen. Im hohen Alter ist meist die Ostsee das Ziel. Dort können Lieselotte und Otto in der Familie immer wieder auftanken.

Natürlich geht alles nicht mehr so, wie es früher ging. Doch im Leben von Lieselotte und Otto Scherer gibt es ja keine Eile mehr. „Na, hoffentlich erleben wir das noch, wenn der Artikel über uns erscheint“, sagt Lieselotte beim Händeschütteln zum Abschied. Und lässt ihr helles Lachen hören.

 
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