Eine nicht alltägliche Veranstaltung machte die Zuhörer neugierig. Aber auch der Autor Nevfel Cumart blickt erwartungsvoll in den Zuschauerraum. Über die für seine Verhältnisse etwas kleine Schar urteilt er: „So werde ich Münnerstadt nie vergessen.“
Der 48-jährige gelernte Zimmermann zählt nach seinem Studium der Turkologie, Arabistik und Islamwissenschaft mit mehr als 15 Gedichtbänden zu den derzeit produktivsten Lyrikern Deutschlands. Seit 1993 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer in Stegaurach. Cumart hält Vorträge und Seminare zu türkeikundlichen Themen und zur Migration in Deutschland.
Auf Vermittlung der E.ON Kulturbühne kam er nach Münnerstadt. Der Autor präsentierte sein weites literarisches Spektrum: Biographisches, sensible Liebesgedichte, klassische Reise- und gesellschaftspolitische Gedichte sowie humorvolle Momentaufnahmen aus seinem bunten Leben in verschiedenen Kulturen. Beeindruckend ist seine bildhafte Beschreibung einer Bahnfahrt durch Ägypten. Im Gedicht „Fremd geblieben“ schildert er, „wie sich Deutsche plötzlich verändern, wenn sie merken, dass ich ein Türke bin. Sie duzen mich sofort, sie sprechen sehr laut. Ich hatte kein Leben außerhalb Deutschlands“, sagt er und trägt sein Gedicht „Dazwischen“ vor: „Meine Frau Griechin/ Mein Trauzeuge Amerikaner/Meine Mutter Türkin/ Mein Freund Jemenit/ Meine Patentochter Deutsche/ Mein Nachbar Algerier/ Mein Professor Österreicher/ Mein Arzt Iraker/ und irgendwo dazwischen ich auf dem Staubkorn genannt Erde.“ Er packt sein Publikum und entführt es wie ein orientalischer Märchenerzähler in das Reich einer humorvollen, tiefgründigen Literatur, mit der er für Toleranz zwischen Deutschen und Türken und anderen immigrierten Bürgern wirbt.
Zukunftsweisend sein Gedanke, mit dem er seine reichliche Erfahrung bei Lesungen mit jungen Menschen im Sinne der Völkerverständigung präzisiert: „Ich erkenne drei Wege der Eingliederung ausländischer Kinder in die Gesellschaft: erstens Bildung, zweitens Bildung und drittens Bildung!“