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Bad Brückenau
Ex-Bürgermeister Jochen Vogel verklagt Stadt Bad Brückenau
Vor dem Verwaltungsgericht Würzburg streitet der long-covid-kranke Jochen Vogel darum, dass die Ansteckung mit dem Virus in seiner Dienstzeit erfolgte. Die Stadt sieht das völlig anders.
Der Bad Brückenauer Bürgermeister Jochen Vogel sprach im November 2023 (unser Foto) noch einmal offen über seine Post-Covid-Erkrankung.       -  Der Bad Brückenauer Bürgermeister Jochen Vogel sprach im November 2023 (unser Foto) noch einmal offen über seine Post-Covid-Erkrankung.
Foto: Archiv Heiko Becker | Der Bad Brückenauer Bürgermeister Jochen Vogel sprach im November 2023 (unser Foto) noch einmal offen über seine Post-Covid-Erkrankung.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 03.01.2025 02:36 Uhr

Um es vorweg klarzustellen: Jochen Vogel geht es nicht darum, der Stadt Bad Brückenau als früherem Dienstherrn Schwierigkeiten zu machen, wie er am Dienstag am Rande der Verhandlung vor dem Würzburger Verwaltungsgericht betont. Er stellt auch keine finanziellen Forderungen. Ihm geht es um die Anerkennung seiner Corona-Infektion als Dienstunfall. Damit würden die Chancen steigen, dass die Krankenkasse die Kosten für künftige Rehabilitationen und Therapien übernimmt. Nach eigenen Angaben hat Jochen Vogel schon einen fünfstelligen Betrag aus eigener Tasche in die Bemühungen gesteckt, wieder gesund zu werden.

Wahrscheinliche Ansteckung bei Empfang für ukrainische Flüchtlinge

Die Nacht vom 5. auf den 6. März 2022 - sie war nicht nur für 21 Ukrainer schicksalhaft, sondern auch für den damaligen Bad Brückenauer Bürgermeister Jochen Vogel . Denn beim Empfang dieser ersten  Flüchtlinge aus dem Kriegsland in der Kurstadt hat er sich mutmaßlich mit dem Corona-Virus angesteckt - was eine Long-Covid-Erkrankung nach sich zog, unter der der 52-Jährige bis heute leidet. Vogel macht die damalige Infektion als  Dienstunfall geltend; die Stadt weist das von sich. Nun hat der Ex-Bürgermeister geklagt, das Würzburger Verwaltungsgericht musste entscheiden.

Zehn oder elf Menschen beim Empfang

Für den Mottener, nur etwas mehr als dreieinhalb Jahre Stadtoberhaupt von Bad Brückenau, stellt sich der Sachverhalt so dar: Wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges mit Russland am 24. Februar 2022 hätten sich engagierte Bad Brückenauer in Privatautos Richtung polnisch-ukrainische Grenze aufgemacht, um dort Ukrainerinnen und Ukrainer auf- und in die Rhön mitzunehmen.  Absprachegemäß sollten Jochen Vogel in seiner Eigenschaft als Erster Bürgermeister und der damalige protestantische Stadtpfarrer Gerd Kirchner die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft im evangelischen Gemeindezentrum in der Bahnhofstraße offiziell willkommen heißen.

So fanden sich am 5. März 2022 gegen 23.30 Uhr etwa zehn oder elf Menschen ein, neben Bürgermeister und Stadtpfarrer auch freiwillige Helfer, die die Neuankömmlinge mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln versorgen sollten. Auch eine ärztliche Betreuung wurde sichergestellt.

Die Fahrzeuge mit den Geflüchteten trafen gegen 2 Uhr morgens in Bad Brückenau ein. Sie wurden begrüßt und verköstigt. Formalitäten und ihre  Unterbringung waren zu klären. Gegen 4.30 Uhr am 6. März seien alle Beteiligten heim gegangen.

Folgen der Corona-Infektion zeigen sich schnell

In den darauffolgenden Tagen testete Vogel sich nach eigenen Angaben täglich mit einem Schnelltest auf Covid-19 - jeweils negativ. Auch ein Test vor einer abendlichen Aufsichtsratssitzung am 9. März 2022 sei noch unauffällig gewesen; am folgenden Tag fiel eine weitere Probe aber positiv aus. Ein genauerer PCR-Test bestätigte das Ergebnis des Schnelltests. "Freitesten" konnte sich Jochen Vogel dann am 18. März 2022.

Allerdings zeigten sich bald die Folgen der Corona-Erkrankung: extreme Müdigkeit und Erschöpfung auch nach wenig anstrengenden Tätigkeiten ( wir berichteten ). Das Ergebnis ist bekannt: Ein amtsärztliches Gutachten vom 11. Januar 2024 stellte Vogels dauerhafte Dienstunfähigkeit fest; am 31. Januar desselben Jahres schied er aus dem Amt des Bad Brückenauer Bürgermeisters aus beziehungsweise wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt .

Sechs bis sieben Gäste auch erkrankt

Schon viel früher, nämlich am 13. Juli 2022, hatte der Mottener beantragt, die Corona-Infektion als Dienstunfall anzuerkennen. Begründung: Die zur dauerhaften Dienstunfähigkeit und Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand führende Infektion habe er sich bei der Ausübung seines Amtes als Bürgermeister zugezogen - konkret in der Nacht vom 5. auf den 6. März 2022. 

Nach seinen Recherchen habe sich herausgestellt, dass sich in jener Schicksalsnacht sechs bis sieben Menschen mit Covid-19 infiziert hätten beziehungsweise in zeitlich eng am Abend des 5. März des Jahres 2022 positiv getestet worden seien. Bei allen anderen Terminen, die er zwischen dem 4. und 9. März 2022 wahrgenommen habe, seien ihm keine weiteren Infektionen von Teilnehmern mit dem Virus bekannt.

Keine Infektion im häuslichen Umfeld

Dass er sich selbst das Virus im häuslichen Umfeld eingefangen haben könnte, schließt Jochen Vogel eigentlich aus. Seine Kinder und seine Frau seien in der Schule beziehungsweise einer Klinik als Arbeitsort regelmäßig, also nahezu täglich getestet worden. Eine Covid-19 Erkrankung im näheren Umfeld sei ihm für diesen Zeitraum nicht bekannt geworden, sodass der 52-Jährige eine Ansteckung im privaten Umfeld ausschließt. Sein behandelnder Arzt des Klägers sei in seinem Attest vom 20. November 2023 zu dem Ergebnis gekommen, dass er sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit beim dienstlichen Empfang der Ukrainer in der Nacht vom 5. auf den 6. März 2022 angesteckt habe.

Stadt: nicht als Bürgermeister, sondern als Helfer auf Empfang

Die Stadt Bad Brückenau lehnte die Anerkennung von Vogels Covid-19-Infektion als Dienstunfall nachweislich am 29. Dezember 2023 schriftlich ab. Sie stellt seiner Argumentation folgendes entgegen:  Im Prinzip habe der damalige Stadtchef nicht als Bürgermeister, sondern als freiwilliger Helfer an der Willkommensveranstaltung im evangelischen Gemeindehaus teilgenommen; es habe sich nicht um eine offizielle Veranstaltung der Stadt Bad Brückenau, sondern um eine kirchlich organisierte Zusammenkunft gehandelt. Insofern könne es keine kausalen Zusammenhang zwischen dieser "helfenden Tätigkeit" und der Corona-Infektion als im Dienst passiertem "Unfallereignis" geben.

Vogel soll keine Maske getragen haben

Bedauerlicherweise habe Jochen Vogel beim Begrüßungstreffen auch auf das Tragen einer Corona-Schutzmaske verzichtet, "obwohl bereits zu der damaligen Zeit die Gefahr einer Ansteckung mit dem Covid-19-Virus allgemein bekannt und das Tragen einer solchen Schutzmaske in der Öffentlichkeit entsprechend den gesetzlichen Vorgaben im Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmegesetz und der hierauf gestützten Allgemeinverfügung verpflichtend vorgeschrieben gewesen" sei. Auf Fotos sei zu erkennen, dass etliche Anwesende bei der Ankunft der Menschen Masken getragen hätten. Mutmaßlich hätte Vogel eine Infektion und ihre Folgen durch das durchgängige Tragen des Gesichtsschutzes vermeiden können.

Dementsprechend habe der Stadtrat von Bad Brückenau bereits am 22. September 2022 den Antrag Vogels auf Anerkennung seiner Long-Covid-Erkrankung als Dienstunfall abgelehnt.

Gericht lehnt Vogels Klage ab

Dieser Einschätzung folgte das Gericht am Dienstag: Jochen Vogels Klage wurde abgewiesen. Schon bevor sich die Kammer zur Beratung zurückzog, hatte der Vorsitzende Richter Martin Vogel wenig Hoffnung auf ein positives Urteil gemacht.

In den vergangenen Jahren seien "solche Klagen am Verwaltungsgericht erhoben und entschieden worden", meist vom Beamten und Lehrern.  Eine Rechtssprechung habe sich herausgebildet, die auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dieses Jahr bestätigt habe.

Nachweis für Ansteckung beim Empfang fehlt 

Dass Vogel sich beim Empfang für die Ukrainer angesteckt hat, hielt der Richter "nicht für unwahrscheinlich". Die Rechtssprechung verlange aber einen konkreten Nachweis, dass es so war. Und diesen könne er nicht erkennen. Vogel könnte sich innerhalb der 18 Tage um den 5. März 2022 auch anderswo angesteckt haben. Und er könnte unbewusst selbst der Verbreiter des Virus' an jenem Abend im evangelischen Gemeindehaus gewesen sein.

Zwar gestand Martin dem Ex-Bürgermeister - anders als die Stadt - zu, dass der Empfang eine dienstliche Veranstaltung war und Vogels Fall wegen der dramatischen Folgen für ihn besonders tragisch ist. Aber, und das sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung: Das Amt des Stadtoberhauptes an sich führe nicht zu einer erhöhten Gefährdung. Sie sei nicht vergleichbar mit der Arbeit von Beschäftigten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Hätten die Anwesenden im Gemeindehaus die vorgeschriebenen Maßnahmen eingehalten, also Schutzmaske getragen, hätte man die Infektion möglicherweise vermeiden können. 

Nur in einem krassen Fall Klage stattgegeben

Nur einmal hat das Gericht übrigens einer Klage eines Lehrers auf Anerkennung der Corona-Infektion als Dienstunfall stattgegeben. Damals sei die gesamte Schule "durchseucht" gewesen und habe geschlossen werden müssen, berichtete der Vorsitzende Richter.

Jochen Vogel war natürlich enttäuscht von dem Urteil, fühlte sich aber auch "allein gelassen mit meinem Schicksal und den Kosten, die zu tragen sind". Nicht nur, dass die Verhandlung alles bisher Geschehene aufgewühlt habe: Alles sei ungewiss.

 

 
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  • Ralf Eberhardt
    Was für ein zynisches Urteil! War er nun zu diesem Zeitpunkt Bürgermeister - oder nicht?
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  • Roland Albert
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