Ihre Bücher stehen auf keiner Bestsellerliste, für Literatur- und Kunstinteressierte bergen sie jedoch erstaunliche Geschichten. In ihrem im November 2011 erschienenen Band lüftet die Kissingerin Klara Badorrek-Hoguth sogar manches Geheimnis. „Clarissas Krambude“ ist der Titel und beschäftigt sich mit den Pseudonymen von Schriftstellern und Autoren.
Sie „enttarnt“ nicht nur die Personen hinter den Pseudonymen, sie erzählt auch Erstaunliches aus deren Leben.
50 Jahre lang verbarg sich beispielsweise Johannes von Guenther hinter dem Pseudonym Wladimir Aratow, ein in Lettland geborener Schriftsteller. Er wurde ein Freund der Familie Badorrek und hinterließ ihnen seine Geschichte, ein nicht veröffentlichtes Manuskript und erzählte auch noch die Geschichte des Pseudonyms Nikolaj Poljenow, seines Übersetzer-Kollegen Alexander Eliasberg.
Warum verbergen sich Menschen hinter Pseudonymen? Klara Badorrek war neugierig geworden. Und zur Neugier gesellte sich dann noch der Spaß. „Es ist was Detektivisches“, sagt die 71-Jährige im Gespräch mit der Main-Post. „Man tritt in andere Biografien ein, es entsteht eine Empathie, die mich immer weiter geführt hat.“
Sie schrieb viele Briefe und E-Mails, führte zahlreiche Telefonate mit Bleistift in der Hand zum schnellen Mitschreiben, um die Rätselfrage zu lösen. Nicht immer bekam sie eine Antwort, wie etwa von Martin Walser. „Ihn hätte ich auch gern drin gehabt“, bedauert Badorrek. Anders hingegen reagierte Günter Grass. Er habe ganz brav geantwortet, dass er als Artur Knoff publizierte, weil er nicht dem Großkritiker (gemeint ist Reich-Ranicki) ausgeliefert sein wollte. „Über viele Jahre blieb das Geheimnis um Arthur Knoff ungelüftet, bis dann ein Lektor des Luchterhand Verlages ins Plappern geriet“, schrieb Günter Grass an Klara Badorrek.
Fast 400 Autoren sind in „Clarissas Krambude“ zu finden, 53 stammen aus Bayern. Ungefähr 800 Antworten stehen noch in ihrem Computer. Die will Badorrek in einer weiteren Bibliografie über Pseudonyme des 20. Jahrhunderts verarbeiten.
Um sie alle zu finden, stöberte Klara Badorrek in Kürschners Literaturkalender und anderen Nachschlagewerke, die meterweise die Regale in ihrer Wohnung füllen. Mehr als 5000 Bände zur Literatur und Politik stehen hier. „Mein Mann war Antiquar“, erzählt die Autorin. Durch ihn sei zum Lesen gekommen.
1969 hatten sie geheiratet und sich in Bad Kissingen niedergelassen. Anfang der 80er Jahre veröffentlichte sie unter ihrem bürgerlichen Namen die ersten beiden Bibliografien über die Buchillustratoren Hans Meid und Karl Walser. Sie habe festgestellt, dass sich in den von ihr gesammelten Büchern zu diesen beiden Buchkünstlern oft widersprüchliche Angaben fanden. „So dachte ich mir, dass muss ich mal zusammenschreiben“, sagte Badorrek. Heute werden diese Bände von Antiquaren und Auktionshäusern genutzt, weiß die Verfasserin.
Die Kissinger Autorin wagte sich auch an Prominente heran. Beim Blättern entdeckte sie mal einen Namen und vermutete dahinter Johannes Rau. Kurzerhand schrieb sie ans Bundespräsidialamt, denn Rau war seinerzeit Bundespräsident. Ein paar Wochen später habe er angerufen. Er sei krank und habe deshalb Zeit mit ihr zu plaudern, erzählt Badorrek.
Heinz Gräber war sein Pseudonym. „Ich bin das! Als Lehrling des Verlags E. Müller habe ich nicht meinen eigenen Namen benutzen können“, zitiert Badorrek in ihrem Buch Johannes Rau. Und er habe von weiteren Pseudonymen erzählt.
Ein nur kurzes Fax kam vom einstigen Staatsminister für Kultur, Michael Naumann. Immerhin kam eine Aufklärung seiner Pseudonyme Mishi Edu und Renate Fuchs: „Mishi = Michael, Edu = Eduard (Name meines Vaters). Renate = Freundin meines verstorbenen Freundes Peter, Fuchs = Wolf, wie in Renate Wolf. Für Mode- und Gartenartikel im „Zeitmagazin“.“
Auch einen gebürtigen Kissinger hat die Autorin entdeckt: Josef Mahlmeister – Schriftsteller, Geschichtenerzähler und Verleger. „Ich habe das Pseudonym Palabros de Cologne seit Sommer 1998 und seither auch einen kleinen Ein-Mann-Verlag in Köln mit dem gleichen Namen“, schreibt er an Badorrek. Und er erklärt, was sein Pseudonym bedeutet: Als Erzieher in Köln habe er den Kindern kleine Stegreif- und Zaubergeschichten erzählt. Palabros bedeutet „der Wortemacher, Worteerfinder und Wortegestalter“. Übersetzt also der Worteerfinder von Köln.
Für ihr drittes Buch hat Klara Badorrek-Hoguth selbst ein Pseudonym gewählt: Clarissa. Johannes von Guenther habe sie immer Clarissima genannt. Das sei ihr zu lang gewesen, sie kürzte es zu Clarissa. Die Krambude habe sie bei Goethe entlehnt. Für ihn waren Lexika Krambuden.
Und auch bei Clarissa kann man viel Zeit mit Kramen verbringen. Fast 400 Autoren aus allen deutschsprachigen Ländern erzählen ihre Geschichten aus dem Exil, der Nachkriegszeit und der verschwundenen DDR.
Über die Reaktionen auf ihre Veröffentlichung freut sich die Autorin: unterhaltsam, anregend, lohnend. Max Kruse, der Erfinder des Urmel, habe ihrer Tochter sogar Grüße ausrichten lassen, weil sie als Kind diese Geschichten so liebte. Andere schickten als Dank interessante Bücher.
Am Freitag, 25. Mai, gibt es mit Klara Badorrek-Hoguth in der Stadtbücherei im Rahmen der französisch-fränkischen Kulturwoche um 19.30 Uhr eine Autorenlesung.
Buch: Clarissas Krambude. Autoren erzählen von ihren Pseudonymen, Novum-Verlag, 2011,
ISBN 978-3-99003-914-4; 20,30 Euro.
Klara Badorrek-Hoguth
Die Autorin wurde 1941 in Duisburg als eines von neun Kindern geboren.
Ihren ersten Kontakt mit Franken hatte sie als Vierjährige, als sie mit Mutter und sechs Geschwistern nach Würzburg evakuiert wurde. Der Vater und die beiden ältesten Brüder mussten in Duisburg bleiben. Nach dem Krieg hat die Familie wieder zusammengefunden.
Im Rahmen ihres Medizinstudiums, erst in Münster dann in Würzburg, gab es 1964 einen Ausflug nach Bad Kissingen. Hier lebt die Autorin seit 1969 mit ihrem Ehemann. Bis 2006 arbeitete sie als Ärztin in einer Reha-Klinik. Ihre Tochter und deren Familie lebt in Frankreich.