Das französische Chanson rockig interpretiert! Geht das? Adrienne Haan und ihre fünfköpfige Band bewiesen beim Kissinger Winterzauber , dass das eine das andere nicht ausschließt, wobei es anfangs gewöhnungsbedürftig war und erst im Laufe des Konzertes der Funke auf das Publikum übersprang.
Knapp 200 Gäste kamen in das Kurtheater, wobei einige Gäste nicht das erwartet hatten, was unter dem Konzerttitel "Rock Le Cabaret!" mit dem dezenten Hinweis "Eine verrockte Hommage an das französische Chanson " geboten wurde. Einige verließen den ehrwürdigen Saal schon nach den ersten Stücken, andere holten in der Pause ihren Mantel, und als Gründe wurden einerseits die Lautstärke genannt und andererseits der ungewohnte Stilmix.
Diejenigen, die aber bis zum Schluss aushielten, waren aber zum Ende hin so begeistert, dass sie die Gruppe mit stehenden Ovationen verabschiedete. Auch diese Begeisterung hatte ihre Gründe und die lagen sicherlich in den stimmlichen Qualitäten von Adrienne Haan und den musikalischen Fertigkeiten der Bandmitglieder, aber auch an der gelungenen Auswahl der Stücke.
Ein Energiebündel
Adrienne Haan präsentierte sich als selbstbewusste Künstlerin, deren beeindruckende Vita drei Seiten im Programmheft füllte. Ihre "angeborene" Liebe zum Chanson belegte sie mit sehr persönlichen Anekdoten und vielen Informationen zu den ausgewählten Stücken, zu den Interpreten und zu deren zeitgeschichtlichen Hintergründen. Darüber hinaus zeigte sich die bestens ausgebildete Sängerin und Schauspielerin als offenherziges Energiebündel auf der Bühne, die mit körperlicher Intensität die anfangs zurückhaltenden Gäste zum Mitklatschen animierte und nicht nur damit das Eis zum Schmelzen brachte. Dazu kam ihr ausgeprägtes Gespür für das französische Liedgut, das sie mal mit rauchiger Stimme, mal mit warmem Timbre, mal mit einem spielerischen Tremolo, mal mit nasaler Tonlage intonierte und auch die teils melancholisch-schmerzhafte Grundstimmung der Stücke wiedergab. Der Streifzug durch die Chansons beinhaltete Edith Piafs Meisterwerke wie "L´Accordéoniste" oder "La Vie En Rose" oder "Mon Légionnaire" oder "Non Je Ne Regrette Rien", denen mit E-Gitarre (Martin Behr), E-Bass (Markus Braun), Saxophon/Flöte (Klaas Voigt) , Flügel (Benjamin Schaefer) und Schlagzeug (Ralf Gessner) rockiges Leben eingehaucht wurde. Nicht weniger bekannt waren die Stücke "Le Port D´Amsterdam", "Ne Me Quitte Pas" und "La Chanson Des Vieux Amants" von Jacques Brel, die durch die E-Gitarre eine besondere Interpretation erfuhr und dank der kraftvollen Stimme Haans die Gäste zu begeisterten Zwischen- und Schlussapplaus hinriss.
Der gefühlvolle Spaziergang durch Paris - eigentlich von Hubert Giraud in "Sous Le Ciel De Paris" wiedergegeben - entwickelte sich durch den treibenden Rock'n Roll-Rhythmus zu einem besonderen musikalischen Erlebnis.
Ihre stimmlichen Qualitäten durfte Adrienne Haan einem tollen Patricia-Kaas-Medley und bei Charles Aznavours Stück "La Bohème " unter Beweis stellen, während sie "Youkali" von Kurt Weill , das eher gefühlvoll-melancholisch daherkommt, mit einem poppig-anschwellenden Rhythmus interpretierte.
Die vom Publikum herbeigeklatschte Zugabe war dann Leonard Cohen gewidmet, in dessen Ballade "Hallelujah" nochmal enthalten war, was Haan und Band an musikalischer Perfektion zu bieten hatten und was das Publikum letztendlich begeisterte.