Es ist wieder Rennsaison im ehemaligen Gasthaus Kimmel (Kasseler Straße 17) in Züntersbach. Wer möchte, kann dort bis Anfang Mai jeweils Sonntags von 14 bis 18 Uhr seine Geschicklichkeit auf der Miniatur-Piste mit den kleinen elektrischen Flitzern testen.
Die Fahrkunst liegt dabei im Daumen. Je nach Druck auf das "Gaspedal"am Geschwindigkeitsregler in der Hand sausen die kleinen Fahrzeuge auf der Piste mit den glänzenden Stromleitern los. Überschläge gehören bei Anfängern im Temporausch einfach dazu. Kaputt geht dabei selten etwas. Die Autos stecken einiges weg. Die Betreiber der Anlage sehen das locker. Sie haben Freude daran, den Spaß an ihrem Motorsport weiter zu geben.
Anspruchsvolle Kurvenkombinationen
Über den vergangenen Sommer schlummerten die demontierten Straßenteile auf dem Dachboden von Hartmut Schaidt. Der Aufbau ist nicht zu unterschätzen, bis die vier Fahrspuren frei gegeben werden können. Ein Team von fünf Bastlern war 36 Stunden beschäftigt. Vorgeplant wird dabei am Computer. Auf eine Strecke von 35,5 Meteren warten jetzt anspruchsvolle Kurvenkombinationen.
"Das ist eigentlich kein Spielzeug", sagt Thomas Gerhard schmunzelnd. An der Strecke herrschen Rennfieber und Sportgeist. Manche nehmen dafür weite Anfahrten in Kauf.
Die Motivation der Starter ist ganz unterschiedlich. Der harte Kern trainiert ernsthaft für gute Rundenzeiten. Bei schlechtem Wetter nutzt die Dorfjugend die Anlage zum Zeitvertreib. Und dann gibt es Eltern und Großeltern, die ihren Kindern zeigen wollen, was sie einst gespielt haben. Vereinzelt gibt es Sammler, die Fahrzeuge aus ihrem Fundus mal fahren wollen. Bei schönem Sonntagswetter kann es passieren, dass sich allenfalls ein paar Kinder aus dem Dorf an der Strecke drängen. An anderen Wochenenden füllen schon mal 20 Schaulustige den Raum.
In den 1970er-Jahren gehörten Carrera-Rennbahnen zur Grundausstattung in vielen Kinderzimmern. Es gehört schon viel Improvisationstalent dazu, eine Anlage aus dieser Zeit im Maßstab 1:32 am Laufen zu halten. Immer wieder ersteigern die Bastler im Internet Teile, weil die Produktion dieses Streckenformats in den 1980er Jahren eingestellt wurde. Fans schwören darauf, weil die Autos ohne Elektronik auskommen.
Reifen werden selbst produziert
"Das ist fast wie Autofahren", beschreibt Schaidt die Möglichkeit, um die Kurven zu driften. Aber langsam werden die Ersatzteile knapp. "Nichts wegwerfen ist das oberste Gebot", weiß Hartmut Schaidt. Mit Lupe und Pinzette wird viel geschraubt, um die Autos am Laufen zu halten. Besonders anfällig sind die Stromabnehmer, die auf den Kontakten in der Fahrbahn schleifen. Die Reifen werden mit einem Material aus der Zahntechnik selbst gestellt und glänzen mit guter Bodenhaftung.
Wer ganz vorne mitfahren möchte, muss viel trainieren. Und sein Auto tunen. Beliebt ist das Optimieren des Übersetzungsverhältnis der Zahnräder. Darüber hinaus lässt sich mit eingeklebten Magneten der Schwerpunkt der Autos so trimmen, dass sie nicht so schnell von der Straße fliegen. Bei ausgiebigen Testfahrten kristallisiert sich die optimale Abstimmung heraus.
25 Stundenkilometer auf den langen Geraden
Auf bis zu 25 Stundenkilometer schätzt Schaidt das Tempo, auf das sich in den langen Geraden beschleunigen lässt. Erstmals fahren die "Profis" 2019 in vier Klassen nach Alter und Fahrzeugmodell. Die Führenden liegen denkbar knapp beieinander. In der Klasse U 15 (unter 15 Jahren) dominiert aktuell Lars Stork (Züntersbach) mit seinem Porsche 911 und einer Rundenzeit von 9,25 Sekunden. In der Klasse Ü 30 führt Kevin Vorndran (Sinntal, 9,73 Sekunden). Bei Ü 50 ist Andreas Katzer mit 8,53 Sekunden Rekordhalter.
Wöchentliches Training
Doch damit geben sich die Sportfahrer noch nicht zufrieden. Immer mittwochs wird trainiert, um die Zeiten noch zu toppen. Besuchergruppen aus Vereinen und Betrieben fahren ihre eigenen Meisterschaften auf Anmeldung und ehren ihre Sieger stilecht auf einem Treppchen.
Um die Platzierungen auf Hundertstel genau zu ermitteln, haben sich die Organisatoren einen eigenen Rundenzähler entwickelt. Den aktuellen Stand der Rennen projizieren sie mit einem Beamer an die Wand. Jetzt schwebt ihnen noch der Bau einer Lichtschranke zur Tempomessung vor. Geplant ist auch noch die Austragung eines 6-Stunden-Rennens. Wer einmal fahren möchte, sollte vorher bei Hartmut Schaidt (0175/2865227) nachfragen, ob die Bahn zur Verfügung steht.
In einer ersten Version des Artikels hatten wir eine Telefonnummer veröffentlicht, die uns der Veranstalter falsch mitgeteilt hatte.