
Militärkonvois durch Wohngebiete, getarnte Zelte, geschminkte Soldaten mit Gewehr im Anschlag: Die Gemeinde Aura hat in dieser Woche eine Militärübung erlebt, wie es sie seit dem Kalten Krieg nur noch sehr selten in der Region gibt. Vier Tage lang waren 27 Fahrzeuge und bis zu 90 Soldaten rund um die Festhalle stationiert. Ihre Aufgabe: Feindliche Truppenbewegungen für die Übung "Kühner Reiter 2022" nachzustellen. Die Kameraden vom Aufklärungsbataillon 13 aus Gotha mussten die Stellungen dann ausspähen.
Aus der Tradition der Kavallerie
"Die Aufklärer sind die Augen des Brigadeführers", sagt Major Oliver Zwick, der die Unterstützungs- und Versorgungskompanie des Aufklärungsbataillon 13 führt. Historisch seien die Aufklärungstruppen aus der einstigen Kavallerie entstanden, das erkläre auch den Namen der Übung "Kühner Reiter". Das Übungsszenario umfasste laut Zwick ein Gebiet von rund 30 auf 60 Kilometern in Südthüringen und Nordfranken. Angenommen wurde das Vorrücken feindlicher Truppen von Süden her. Von der Werra im Norden her hatten die Aufklärer die Aufgabe, ein möglichst genaues Lagebild zu erstellen.
"Die kämpfende Truppe denkt drei bis fünf Kilometer nach vorne, wir müssen 30 bis 50 Kilometer weit aufklären", umschreibt Oliver Zwick die Strategie, und: "Dafür müssen wir uns im Rücken des Feindes bewegen." Von Thüringen her rückten die Aufklärer also ins feindliche Gebiet vor. Zur Informationsbeschaffung gebe es unterschiedliche "Sensoren": von Radarstellungen auf Fahrzeugen und Drohnen in der Luft über leichte Späher und gepanzerte Fahrzeuge bis zu Gesprächen mit der Bevölkerung.
Vor mehr als einem Jahr vorbereitet
Die Übung sei seit mehr als einem Jahr vorbereitet worden, berichtet Major Zwick. "Natürlich schauen wir auch auf die Ukraine", kommentiert er den aktuellen Krieg in Osteuropa. Auf die Übung habe der allerdings nur wenig Einfluss, denn: Bereits seit zwei Jahren stehe fest, dass die übergeordnete Panzergrenadierbrigade 37 sich vor allem der Landes- und Bündnisverteidigung widmen muss. Deshalb auch die großräumige Übung: Er sei erst Anfang September mit seiner Kompanie auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg gewesen. "Das ist aber etwas ganz anderes dort", sagt Zwick und verweist auf ein kleineres Einsatzgebiet und feste Unterkünfte. Bei der aktuellen Übung seien seine Soldaten bis zu 700 Kilometer am Tag gefahren, um die Fahrzeuge zwischen Main und Werra zu positionieren. Weil das mit Panzern nicht möglich sei, wurden die Lkw einfach mit Zahlen und Symbolen markiert, die die Späher dann im Lagebild entsprechend übersetzen mussten.
Teil der schnellen Eingreiftruppe
Die Panzergrenadierbrigade 37 ist Teil des deutschen Beitrags zur Nato Response Force (NRF), der schnellen Einsatzgruppe des Militärbündnisses. Im Moment heißt das noch, dass alle Truppenteile innerhalb von 30 Tagen an einem Einsatzort innerhalb der Nato sein müssen. Ab 1. Januar steht dann aber eine neue Herausforderung an: Die Brigade übernimmt ein Jahr lang die Führung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), also der Nato-Einsatzgruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft. "Das bedeutet für die Soldaten , auf gepackten Kisten zu sitzen und keine Fernreisen zu planen", berichtet Oliver Zwick. Denn: Die Vorgabe sei, dass jeder Soldat innerhalb von zehn Stunden in der Kaserne sein muss und der Verband mit Einheiten aus elf Nationen innerhalb von sieben Tagen den Einsatzort in einem Nato-Staat erreichen muss.
Koordiniert wurde die aktuelle Übung "Kühner Reiter" in Gotha. Wie kommt dann eine Kompanie nach Aura? "Wir haben einen Standort außerhalb des eigentlichen Lagegeschehens gesucht", berichtet Major Zwick. Im Sommer habe er deshalb das vermeintlich feindliche Gebiet nach möglichen Stationen abgesucht. Über eine Internetrecherche sei er zufällig auf die Festhalle in Aura gestoßen. 2. Bürgermeister Martin Kaiser zeigt dem Kompanieführer das Gebäude, Bundeswehr und Gemeinde einigten sich. Ausschlaggebend sei auch die gute Verkehrsanbindung gewesen, weil die 27 Fahrzeuge schnell zu ihren Stellungen kommen mussten.
Die Übung habe für viel Aufsehen gesorgt, berichtet Kaiser. Die Soldaten hätten schon mit dem Aufbau begonnen, während der Sportverein sein Fest abbaute und die Räume frei machte. Spontan habe es einen Info-Abend mit rund 70 Bürgerinnen und Bürgern gegeben. "Wir wollen ja nicht in unserer Blase bleiben", sagt Major Zwick und sieht den Abend und die Übung auch als Nachwuchswerbung. "Es war für jeden etwas dabei", sagt auch der 2. Bürgermeister und lobt die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehr , auch bei der Beseitigung von Schäden.