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Landkreis Bad Kissingen
Soldat kollabierte bei Wehrübung in Hammelburg: Reserveoffizier vor Gericht
Während einer Wehrübung bei Hammelburg erleidet ein Soldat einen Kreislaufkollaps und muss ins Krankenhaus. Dafür muss sich ein Reserveoffizier vor dem Amtsgericht verantworten.
Soldaten aus Hammelburg marschieren mit vollem Gepäck.
Foto: Symbolbild Stefan Sauer/ZB/dpa/Archiv | Soldaten aus Hammelburg marschieren mit vollem Gepäck.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 09.01.2025 14:47 Uhr

Der 40-Jährige aus Nordrhein-Westfalen wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung bereits zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Er legte Widerspruch gegen den Strafbefehl ein und so landet der Fall vor dem Bad Kissinger Amtsgericht .

Was war passiert? Im März 2023 nehmen etwa 20 Männer an einer Wehrübung im Lager Hammelburg teil. Der Reserveoffizier im Rang eines Majors ist Kompaniechef der kleinen Truppe.

Lauf mit Kampfstiefeln

Als Abschluss einer zweitägigen Übung ordnet er einen drei Kilometer langen Lauf in Feldanzug und Kampfstiefeln an. Nach etwa 800 Metern bricht ein Stabsgefreiter zusammen. Durch die Belastung der vorangegangenen beiden Tage im freien Feld sei diese sportliche Anstrengung für den 50-Jährigen zu viel gewesen, sagt der Staatsanwalt . Zwei weitere Reservisten können den flotten Marsch ebenfalls nicht beenden und fallen aus.

Soldat muss in Krankenhaus

Der Stabsgefreite wird ins Hallenbad der Kaserne gebracht, wo ein Bademeister Erste Hilfe leistet. Anschließend wird er ins Krankenhaus eingeliefert, das er nach einigen Stunden wieder verlassen kann.

Den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung will der Offizier nicht auf sich sitzen lassen. Ausführlich schildert er eine halbe Stunde lang seine Sicht des Vorfalls. Er habe die ihm unterstellten Soldaten am 21. März nach einem sogenannten Alarmwecken in aller Frühe zu einer zweitägigen Übung geführt.

Lasche Haltung?

Doch die angeordnete Wehrertüchtigung in freiem Felde läuft nicht optimal. Vor allem der seiner Ansicht nach zu sorglose Umgang der Reservisten mit Material stößt dem Kompaniechef sauer auf. Sie vergessen Batterien in der Kaserne; auch das notwendige Besteck zur Waffenreinigung ist unvollständig.

Material mitgenommen

Der Offizier schildert einen weiteren Vorfall, der die laxe Disziplin der Reservisten verdeutlichen soll. Nachdem ein Soldat aus beruflichen Gründen die Wehrübung abbrechen muss, nimmt er versehentlich Material der Bundeswehr mit nach Hause. Der Major schickt einen Untergebenen zu ihm, der die Utensilien holen soll. Doch der Mann bringt nur einen Teil der Ausrüstung mit in die Kaserne und muss nochmal losgeschickt werden.

Auftrag von höchster Stelle

Zwischen dem Anspruch des Majors und der Realität auf dem Truppenübungsplatz liegen Welten. Denn der Offizier sieht sich von höchster Stelle beauftragt: "Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig werden", hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius den Soldaten ins Soldbuch geschrieben. Deshalb will er die Reservisten "auch für Auslandseinsätze fit machen", sagt der Nordrhein-Westfale.

"Attraktivität für Nachwuchs steigern"

Überhaupt könne er kein Fehlverhalten seinerseits sehen. In seinen Gesprächen mit Soldaten habe er den Eindruck gewonnen, "dass sie mehr draußen sein wollen". Zudem habe er mit dieser Wehrübung die Attraktivität der Bundeswehr für den dringend benötigten Nachwuchs steigern wollen. Wie das mit dem Trüppchen aus Reservisten im Alter zwischen 30 und über 50 gelingen sollte, lässt er offen.

Es gab sogar Torte

Die körperliche Belastung während der Übung sei nicht besonders hoch gewesen, behauptet der Offizier . Nur etwas wenig Schlaf hätten die Männer gehabt, räumt er ein. Die Verpflegung sei auch in der freien Natur jederzeit sichergestellt gewesen. Auch genug zu trinken hätten die Teilnehmer der Wehrübung gehabt. Sogar eine Torte habe es gegeben, die der Kompaniespieß anlässlich seines Geburtstags spendiert hatte.

Am Vormittag des 23. März kamen die Soldaten in die Kaserne zurück, sagt der 40-Jährige. Nach dem Waffenreinigen und dem Mittagessen hätten die Männer von 12.30 bis 16.30 Uhr auf ihren Stuben ausgeruht. Weil die Übung laut Dienstplan aber erst um 18 Uhr beendet gewesen sei, habe er Sport befohlen.

"Kein Befehl, sondern Angebot?"

Mehrmals habe er gefragt, ob alle fit genug für den Lauf sind. Ein Teilnehmer habe sich wegen Fußbeschwerden gemeldet und musste nicht mitmachen. "War der Lauf dann kein Befehl, sondern ein Angebot", fragt die Richterin . "Bei der Bundeswehr gibt es keine Angebote", antwortet der Major militärisch knapp.

"War Ihnen klar, dass der Stabsgefreite über 50 und nicht fit genug ist", bohrt die Vorsitzende nach. Er habe bereits mehrere Wehrübungen absolviert und sei von einer "gewissen Robustheit", kontert der Offizier .

Auf schmalem Grat

Mit seiner Darstellung des Vorfalls balanciert der 40-Jährige "auf einen schmalen Grat", wie der Staatsanwalt feststellt. Denn vor dem Lauf habe der Vorgesetzte vor den angetretenen Soldaten seinen Unmut über die lasche Dienstausübung einiger Männer zum Ausdruck gebracht.

Für das Gericht liegt nun der Verdacht nahe, dass es sich bei dem angesetzten Lauf um eine Strafaktion gehandelt hat. Schlimmer noch: Vielleicht sogar eine kollektive Bestrafung für das Fehlverhalten einzelner Soldaten.

Vom Lauf abgeraten?

Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeugenaussagen in den Akten vermuten lassen, dass mehrere Dienstgrade dem Major von der Sporteinlage abgeraten haben. "Waren Sie so sauer, dass Sie nicht darüber nachgedacht haben?", fragt die Richterin . Der Offizier streitet dies ab.

Post aus Leipzig

Bisher hat sich die Verhandlung nur um einen Einspruch wegen einer Geldstrafe von 3.000 Euro gedreht. Der Vertreter der Anklage präsentiert ein Schreiben der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft. Das lässt den Fall in einem neuen Licht erscheinen.

Diese Dienststelle ist eine eigenständige Justizbehörde und hat ihren Sitz beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ihre Hauptaufgabe sind Berufungsverfahren im Disziplinarrecht und Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung.

War es eine Kollektivstrafe?

In dem Schreiben geht die Leipziger Behörde von einer Kollektivstrafe aus und stellt den Tatbestand des Vorsatzes in den Raum. "Ich habe noch nie erlebt, dass sich die Disziplinaranwaltschaft in ein Verfahren einschaltet", sagt die Richterin .

"Spiel ist wieder offen"

Denn durch den Einspruch gegen die Geldstrafe "ist das Spiel wieder offen", erklärt die Vorsitzende dem Offizier . Und der Staatsanwalt wird genauer: "Bisher haben wir zu Ihren Gunsten Fahrlässigkeit angenommen. Wegen Ihrer Einlassungen kommt Vorsatz in Betracht."

Einspruch zurückgezogen

Der Anklagevertreter und die Richterin schlagen dem Major der Reserve vor, den Einspruch zurückzunehmen. Während einer 20-minütigen Pause beraten der 40-Jährige und seine Anwältin die neue Lage. Sie ziehen den Einspruch schließlich zurück.

Damit ist die Angelegenheit vor dem Amtsgericht erledigt. Abgeschlossen ist der Fall für den Reserveoffizier aber noch nicht. Die Bundesdisziplinaranwaltschaft hat den Ausgang des Verfahrens in Bad Kissingen abgewartet. Voraussichtlich wird sie den Vorfall aus dem März 2023 in Leipzig genauer beleuchten.

Neun Zeugen geladen

Die Rücknahme des Einspruchs erspart dem Amtsgericht nach gut zwei Stunden eine vermutlich sehr lange Sitzung. Vor der Tür warten neun Teilnehmer der Wehrübung als Zeugen . Darunter auch der kollabierte Stabsgefreite. Er steht trotz des Vorfalls offensichtlich noch treu zur Bundeswehr und zeigt dies offen: Als einziger ist er in Uniform erschienen.

 
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Kommentare
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  • Roland Albert
    Hat der Staatsanwalt denn gedient?
    Wenn ich an die ganzen Schikanen in
    meiner Bundeswehr W 15 Zeit denke,
    dann hätten so einige richtig Arbeit.
    So einige nicht so fitte Kameraden haben wir mit durchgeschleift, jammern gab es nicht. Heutzutage schwärzt jeder jeden an und kommt damit durch
    Es gab mal Werbung : sind sie zu stark, bist du zu schwach.
    Was für ein wahres Wort….
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  • Roland Albert
    Und das bezog sich auf Lutschbonbons, bezeichnenderweise 😁😁😁
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  • Johannes Metzger
    möglicherweise ist Ihnen entgangen, dass es sich hier um Reservisten mit höherem Lebens-Alter handelt. Der Stabsgefreite war zum Zeitpunkt des Vorfalls 50 Jahre alt.
    Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, mangelt es bei dem Stabsoffizier offensichtlich an der notwendigen Reife.
    Ich gehe davon aus, daß das Truppendienstgericht die richtige Entscheidung trifft.
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