
Es ist Montag, der 25. Juli, und es kommen viele Tagesgäste zur Bad Kissinger Hütte. Karin bedient an der Theke. "Und was willst du trinken" fragt sie den Mann mit der Glatze. Er bestellt eine Holunderschorle zum Spinatknödel und geht auf die Terrasse, wo er sich mit seiner Frau und anderen Begleitern zur Mittagsrast hinsetzt.
"Irgendwie kam mir der Mann, der wie alle Wanderer aussah, schon bekannt vor", meinte Karin später. Kein Wunder, denn es war Bundeskanzler Olaf Scholz , wie Stefan vom Hüttenteam ihr gleich erklärte. Er war zusammen mit seiner Frau mit der Kabinenbahn zum Füssener Jöchle gefahren und dann über den Gräner Höhenweg in gut eineinhalb Stunden zur Hütte gewandert. Ein bisschen peinlich war es dann Karin schon, dass sie ihn so einfach geduzt hatte, aber das ist halt auf Alpenvereinshütten so üblich und wurde vom Kanzler auch ohne Probleme akzeptiert.
Vom Kanzlerbesuch wusste auf der Hütte niemand. Nur am Tag vorher hatten zwei Sicherheitsleute die Lage geprüft und nach einem separaten Tisch gefragt. Für wen sie die Reservierung wollten, sagen sie aber Hüttenwirtin Sabine nicht.
Irgendwann wurde der prominente Besucher dann aber doch enttarnt, und die Gäste machten erste Fotos. Auch Stefan Knoche, der schon im 3. Sommer auf der Hütte arbeitet und dafür seinen Jahresurlaub und unbezahlten Urlaub nimmt, bat den Kanzler um ein Foto. "Unbedingt" sagte Scholz und stellte sich mit ihm zum Erinnerungsfoto. Von Beruf ist Stefan Elektrokonstrukteur im Sondermaschinenbau in einem Unternehmen im Sauerland.
Anschließend stieg der Kanzler noch zum Hausberg unserer Hütte, den Aggenstein. Nach der Rückkehr kehrte er nochmals ein und ließ sich den hausgemachten Käsekuchen zusammen mit einer Tasse Kaffee schmecken, bevor er sich zusammen mit seiner Frau und den "auffällig unauffälligen" Begleitern an den Abstieg nach Grän machte.
Hüttenwirtin Sabine verzichtete bewusst auf einen Eintrag ins Hüttenbuch, weil sie dem Kanzler einen möglichst ungestörten Aufenthalt auf der Kissinger Hütte gönnen wollte. Heinz Steidle