Mit begeistertem Applaus verabschiedeten die Zuschauer die 5. Aufführung des aktuellen 38. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen im Kurtheater.
Die Bühnenadaption des Erfolgsfilms „Schtonk“ von Helmut Dietl führte sie in die noch junge Bundesrepublik der 1970er Jahre, in der man die Nazizeit vorgeblich überwunden hatte, sich mit den im Ausland bewunderten Errungenschaften des Wirtschaftswunders und den von den westlichen Alliierten eingeführten und überwachten demokratischen Einrichtungen als gleichberechtigter Partner der Westmächte sah.
Fälschungsskandal um die damals angesehene Illustrierte „Stern“
Wie es in der DDR Staatsdoktrin war, propagierten sich weite Teile der Bundesrepublik als „nazifreie“ Zone. Kritische Zeitgenossen wussten aber durchaus, was die nachmalige historische Forschung zeigte: nationalsozialistisches Gedankengut war durchaus noch in vielen Köpfen, gerade auch bei den so genannten „Säulen des Staates“ in der Justiz und Politik. Wie groß das Interesse an und die Begeisterung für das nationalsozialistische Deutschland noch war, machte ein Fälschungsskandal um die damals angesehene Illustrierte „Stern“ deutlich, der losgetreten wurde durch die stolze Behauptung der Redakteure nach einer Pressekonferenz am 25.4. 1983, man habe große Teile der verschollenen Tagebücher Adolf Hitlers gefunden und wolle sie veröffentlichen.
Geschäftstüchtige und gewiefte Fälscher in „Schtonk“
Eine Sensation mit großem Nachhall in der Bevölkerung, dessen Wucht nur dadurch übertroffen wurde, dass diese Fake-News-Geschichte aus der Feder eines geübten Fälschers zunächst einmal in der Bevölkerung auf Rieseninteresse stieß. Hier setzte Dietls Interesse an dem Stoff ein, dem wie er klar erkannte, nur die Satire bekam. Und so bevölkerte er seinen Film mit einem ganzen Panoptikum von geschäftstüchtigen und gewieften Fälschern, ihren bereitwillig gläubigen Kunden aus dem angesehenen Großbürgertum und Geschäfte witternden Journalisten. Sein Stück zeigt sie alle wie in einem Kaleidoskop und macht so auf kleinem Raum deutlich, auf welch begeisterte Aufnahme das Lügenkonstrukt des Fälschers Konrad Kujau und seiner Helfer traf.
Zentrale Rollen bei „Schtonk“ ausgezeichnet besetzt
Wie gewohnt beim Euro-Studio Landgraf, das mit dieser deutschen satirischen Komödie nach Bad Kissingen kam, war bei der Aufführung auch die Bühnenpräsentation äußerst sorgfältig gestaltet. Die beiden Flügel a la Triptychon mit Fälscherwerkstatt und bayerischem Bierbeisl schuf Alexander Martynow mit viel Liebe zum Detail, das zentrale Bild war eine Miniaturausführung von Görings Jacht Carin II, die auf größeren Bühnen offenbar auch der Schauplatz der Schlussszene ist. Die beiden zentralen Rollen des Fälschers Prof. Dr. Fritz Knobel und des geld- und aufmerksamkeitsgeilen Journalisten Hermann Willé waren mit Carsten Klemm und Luc Feit ausgezeichnet besetzt, auch die vier Altnazis wurden von Julia Weden als Görings hochnäsige Verwandte Freya von Hepp, Kai Hufnagel als Nähmaschinenfabrikant Karl Lentz, Herbert Schöberl als Kunstprofessor August Strasser und SS-Obergruppenführer sehr plausibel selbstsicher und hochnäsig dargestellt. Die beiden Frauen um den Fälscher Knobel spielten Iris Boss als seine Frau Biggi und Alina Hidic als seine Muse Martha in zeittypischer Unterwürfigkeit. Die Vertreter der Presse neben Skandalreporter Willé zeigten ihren Berufsstand als gleichzeitig vorsichtig und sensationsgeil: Kai Hufnagel den um Würde, aber auch Schadensbegrenzung bemühten Verlagsleiter, flankiert von Herbert Schöberl als Ressortleiter und Gregor Eckert als Chefredakteur .
Alle Begegnungen waren sehr gut getaktet, was eine große Genauigkeit bei der Darstellung nötig machte, die Regisseur Harald Weiler offenbar trotz der Personalfülle im Auge behielt.
Wahrhaft komödiantischer Blick in Deutschlands nicht bewältigte Nazi-Vergangenheit
Auch die Komik der Darsteller in ihren Rollen und viel Situationskomik im Zusammenspiel machten dem Publikum großes Vergnügen. So war der Abend nicht nur eine Geschichtsstunde in neuerer deutscher Geschichte, sondern auch ein wahrhaft komödiantischer Blick in Deutschlands nicht bewältigte Nazi-Vergangenheit. Der lange rhythmische Applaus der Zuschauer war berechtigt.