
Vor 185 Jahren übernahm der später als „Bleistiftbaron“ bekannt gewordene Lothar Faber (1817-1896) nach dem Tod seines Vaters die Bleistiftmanufaktur „A. W. Faber“ in Stein bei Nürnberg und baute sie Mitte des 19. Jahrhunderts zum weltweit operierenden Unternehmen aus. Die Geschichte dieses mittelfränkischen Großindustriellen und dessen Unternehmensgeschichte schildert die langjährige Familienarchivarin Renate Hilsenbeck in ihrem im Oktober erschienenen Band „Lothar Freiherr von Faber und die Bleistiftdynastie“. Mehrmals wird darin auch Bad Kissingen erwähnt, wo sowohl Lothar Faber als auch Ehefrau Ottilie (1831-1903) mehrfach für einige Wochen zur Kur waren. Ein guter Grund, sich diesen prächtigen Band mit seinen reich bebilderten 470 Hochglanzseiten näher anzuschauen.
Vom Familienbetrieb zum internationalen Erfolg
Als der 22-jährige Lothar Faber nach dreijährigem Lehraufenthalt in Paris und London seinen früh verstorbenen Vater 1839 beerbte, stand der Familienbetrieb vor dem Ruin. Doch seine im Ausland erworbenen Kenntnisse sowie sein unternehmerisches Engagement befähigten ihn, die kleine Fabrik innovativ zu einer modernen Weltfirma zu entwickeln. Tatkräftige Unterstützung fand er später in Ehefrau Ottilie, die er 1847 als 16-Jährige heiratete. Sie war die Tochter seiner älteren Schwester Caroline Richter, also seine Nichte. Lothar und Ottilie Faber verwalteten gemeinsam den immer umfangreicher werdenden Familienbesitz, der mit wachsendem unternehmerischem Erfolg nicht nur Fabriken und Geschäftshäuser in mehreren Ländern, sondern auch landwirtschaftliche Güter und Landsitze umfasste.

Private Probleme erschwerten das Leben
Das Privatleben des Ehepaares war dagegen von Krankheiten und familiären Problemen überschattet, wie Autorin Hilsenbeck anhand einer Vielzahl privater Aufzeichnungen und Briefe zeigt. So zerstritt sich Firmenchef unversöhnlich mit seinem jüngsten Bruder Eberhard, der in New York eine Niederlassung leitete. Außerdem litt Lothar seit jungen Jahren an schwerem Rheuma. Sein einziges Kind Wilhelm (1851-1893) war von kleinauf kränklich. Genesung erhoffte man sich mehrmals in Bad Kissingen.
Faber als Kurgast in Bad Kissingen
Der Kurliste von 1858 ist zu entnehmen, dass „Lothar Faber, Fabrikbesitzer aus Stein bei Nürnberg“, am 22. Juli als Kurgast 2 097 in Bad Kissingen eintraf und im Hotel Maulick logierte. Zwei Jahre später logierte Ehefrau Ottilie mit Sohn Wilhelm und dessen Hauslehrer Friedrich Winter für Wochen in der Kurstadt. Am 4. August 1860 schrieb Winter an Ottilies Mutter: „Der gute Willy hat schon seit 3 Wochen die Tage berechnet, wanns heim geht, & Ihre Frau Tochter wäre, glaube ich, jeden Tag vom ersten an gerechnet, bereit gewesen, wieder zusammen zu packen.“ Über die anderen Kurgäste lästert der Hauslehrer: „Alle Gegensätze sind vertreten, von Männern an, deren Name in ganz Deutschland einen guten Klang hat, bis herab zum größten Esel des Jahrhunderts, gemüthliche Leute und erstaunliche Brotzen.“
Erholung in fränkischen Kurstädten
Trotz ihres Missfallens kommt Ottilie im nächsten Sommer wieder mit Wilhelm nach Bad Kissingen, diesmal in Begleitung ihrer Mutter. Wilhelm soll sich von schwerer Krankheit erholen und Ottilie, „um sich zu kräftigen, denn sie ist ziemlich schlecht dran u. immer müde u. immer matt“, schreibt Lothar von Faber am 17. Juni 1861 noch vor Reiseantritt an Bruder Eberhard. Er selbst fährt stattdessen wegen seines Rheumas zur Kaltwasserkur ins oberfränkische Alexandersbad. Wieder ein Jahr später (1862) reisen Lothar, gerade in den bayerischen Freiherrnstand erhoben, und Sohn Wilhelm mit dessen Erzieher erneut nach Alexandersbad, während Ottilie mit ihrer Schwester Babette Zauner einige Wochen in Bad Kissingen verbringt.
Kuraufenthalte brachten auch geschäftliche Vorteile
Aufenthalte im Kurbad dienten nicht nur der Gesundheit oder gesellschaftlichem Treffen, sondern auch politischen oder geschäftlichen Zwecken. Von einem geschäftlichen Erfolg Lothars ist im Brief Ottilies aus Juli 1864 an ihre Mutter zu lesen, in dem sie vom erneuten Aufenthalt ihres Ehemannes in Bad Kissingen berichtet: „Er hat auch glücklich bei einer Audienz des kais. Russ. Generaladjutanten bewirkt, dem Kaiser ein Geschenk von sibirischen Stiften zu machen, um das sich Alibert nun schon seit Jahren umsonst bemüht.“ Doch die Kissinger Moorbäder linderten Lothars Rheuma nur vorübergehend, weiß Renate Hilsenbeck aus der Familienkorrespondenz.
Ottilie übernahm das Unternehmen
Nachdem nicht nur Alleinerbe Wilhelm Faber bereits 1893 im Alter von nur 42 Jahren gestorben war, sondern vorher schon dessen zwei Söhne aus der Ehe mit seiner Cousine Bertha Faber, Tochter von Lothars in New York lebendem Bruder Eberhard, hatte Firmenpatriarch Lothar Freiherr von Faber keine männlichen Erben . Nach seinem Tod im Jahr 1896 übernahm Ehefrau Ottilie das Unternehmen, das nach ihrem Tod (1903) die gleichnamige Enkelin erbte. Ottilie Freiin von Faber hatte bereits 1898 den Grafen Alexander zu Castell-Rüdenhausen geheiratet. Dieser änderte seinen Namen in Faber-Castell und führte unter Wahrung der Werte und Visionen Lothar Fabers dessen Firma zu weiterem Erfolg.
Spannende Geschichte über einen großen Unternehmer
Es sind vor allem die privaten Aufzeichnungen und Briefe, aus denen Autorin Renate Hilsenbeck häufig zitiert, und die geschilderten menschlichen Aspekte, die diese Familien- und Firmengeschichte zu einer interessanten und lebendigen Lektüre machen. Wer sich für die Geschichte Frankens und seiner Unternehmerfamilien interessiert, wird an diesem reich und farbig bebilderten Band mit der spannenden Lebensgeschichte eines der bedeutendsten deutschen Unternehmer des 19. Jahrhunderts gewiss seine Freude haben.
Informationen zum Buch: Renate Hilsenbeck: „Lothar Freiherr von Faber und die Bleistiftdynastie“, Verlag PH.C. W. Schmidt (Neustadt/Aisch), gebunden, 471 Seiten, Preis: 59 Euro, ISBN 978-3866520547