
Erst mit Verspätung konnte am Montag die 60-Jahr-Feier der Bildungs- und Begegnungsstätte Heiligenhof beginnen, nachdem die große Zahl der Geburtstags- und Ehrengäste im viel zu kleinen Festsaal endlich Platz gefunden hatten. Schon der Termin für die Geburtstagsfeier lag eigentlich einen Monat zu spät, hatte doch das Sudetendeutsche Sozialwerk am 1. April 1952 das kleine Landhaus in der Gemarkung Heiligenfeld als „Sudetendeutsche Heimstätte europäischer Jugend“ in Betrieb genommen, wie noch heute auf einem alten Holzschild zu lesen ist. Vier Monate zuvor hatte man es für damals 70 000 Mark erworben.
An diese Gründungszeit erinnerte Günter Reichert als Vorsitzender der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk, des Trägers der Einrichtung. In den ersten Nachkriegsjahren hätten vor allem sudetendeutsche Jugendliche und Kinder „eine neue Gemeinschaft aufbauen“ sollen. Im Laufe von sechs Jahrzehnten sei aus dem Landhaus zunächst ein Jugendheim, dann eine Bildungsstätte für alle Generationen und schließlich eine Tagungsstätte auf höchstem Niveau mit einer angeschlossenen Jugendherberge geworden. Die inhaltliche Arbeit habe sich „von der Heimatkunde zur Europakunde“ gewandelt.
Der heutige Auftrag beschränke sich nicht auf die Jugend. Heute sei der Heiligenhof ein „sudetendeutsches Bildungszentrum mit Offenheit für alle demokratischen Gruppen“. Die konzeptionelle Entwicklung lasse sich analog zur europapolitischen Situation mit vier Begriffen umschreiben: Sudetendeutsche Persönlichkeitsbildung, Vermittlung deutscher Demokratie, Überwindung der deutschen und europäischen Teilung und schließlich Begegnung mit Nachbarvölkern.
Auch Landrat Thomas Bold und Oberbürgermeister Kay Blankenburg überbrachten Glückwünsche, nicht ohne auf die wirtschaftliche und bildungspolitische Bedeutung des Heiligenhofs für Bad Kissingen hinzuweisen. Andere Laudatoren wie der Europaabgeordnete Bernd Posselt und Festredner Peter Michael Huber, Richter am Bundesverfassungsgericht und früherer Innenminister Thüringens, würdigten den Heiligenhof. „Freiheit braucht Mut“ hatte Huber seinen Vortrag überschrieben.
Ähnlich sah es auch Sozialstaatssekretär Markus Sackmann, der den Heiligenhof als „Bildungsstätte von europäischem Rang“ eine „wichtige Klammer zwischen Deutschland und den Gesellschaften in Ost- und Südosteuropa“ nannte. Seit 60 Jahren setze sich der Heiligenhof „für das Miteinander der Völker, für Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ ein. Der Heiligenhof sei „ein Brückenbauer in der Mitte Europas“. Er versicherte, die bayerische Regierung werde als Schirmherr der Sudetendeutschen den Heiligenhof weiter fördern. Seit 2000 seien mehr als 760 000 Euro geflossen.
Am folgenden Tag nutzten viele Tages- und Übernachtungsgäste – der Heiligenhof hatte zur 60-Jahr-Feier 60 Prozent Rabatt gewährt – den Tag der offenen Tür nicht nur zur Besichtigung der Häuser und des Freigeländes, sondern besuchten auch zahlreiche Kurzvorträge und Aktionsangebote. Höhepunkt war die Aufführung eines Singspiels nach Melodien von Ralph Benatzky.
Heiligenhof
Der Heiligenhof ist Bildungsstätte, Schullandheim, Jugendherberge in der Alten Euerdorfer Straße 1, im Bad Kissinger Ortsteil Garitz. Träger: Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk; Mitarbeiter: 16; Grundstück: sechs Hektar. Betten: 220 in Doppel- und Mehrbettzimmern; Übernachtungen: 33 000 (2011); Jahresumsatz: etwa 1,3 Millionen Euro. Haupthaus (ehemaliges Landhaus) mit Veranstaltungsräumen, fünf Nebengebäude, Freigelände mit Hochseilgarten, Kletterturm, Bogenschießanlage, Waldbühne sowie Zelt-, Grill- und Sportplätze.