Wenn im Goldenen Kreuz in Untererthal die Biergläser klingen, können die Wirtsleute viel zum perlenden Inhalt erzählen. Und von ihrer Mission: Sie wollen das Bewusstsein ihrer Gäste für handwerklich gebrautes Bier weiten. Zum Kippen sind die dort neben den gewöhnlichen Industriebieren ausgeschenkten Craft-Biere zu schade. Denn fürs Trinkerlebnis steht David Renninger stundenlang in der eigenen Brauerei.
Angefangen hat die Geschichte der Eigenmarke Libertus im Jahr 2015. „An der Theke war noch ein Zapfhahn frei. Da kam ich auf die Idee, mal was zu brauen“, beschreibt Renninger seinen Tatendrang. Was mit einem Einkochtopf begann, zieht inzwischen Kreise. Seit Ende November wird es auch weitgehend manuell in Flaschen gefüllt.
Renningers investieren neben viel Zeit auch in die Technik. Der glänzende Braukessel ist auf 500 Liter gewachsen. Acht eigene Sorten hat die Gastwirtschaft aktuell im Ausschank. Traditionelle Biertrinker dürfen sich auf herkömmliche und neue Geschmackserlebnisse einstellen. Es gibt CraftOktoberfest, American blond, das C 4 oder das dreifach gehopfte IPA (Indian Pale Ale). Der rote Franke macht farblich seinem Namen alle Ehre.
Vorurteile abbauen
Die amerikanisch angehauchte Bierkarte hat ihren Grund. Renninger stammt aus den Vereinigten Staaten. Während des Studiums der Politikwissenschaften in Mannheim lernte der heute 34-Jährige die Tochter des (Gast-)Hauses kennen. Sie absolvierte im Rahmen ihres Studiums in Englisch und Geschichte ein Praktikum.
Heute gehört Denise Renninger zu den kritischsten Testern der Biere ihres Mannes. Die 27-Jährige hat zu Beginn des Jahres eine Ausbildung zur Biersommeliere abgeschlossen. Ihr macht es Spaß, Bier zu riechen, zu schmecken und zu kauen. Anlass dafür hat sie reichlich. 48 Biere hat ihr Mann inzwischen kreiert. Erfolgreich experimentiert er mit unterschiedlichem Malz und Hopfen, Gärzeiten, Hefestämmen und Temperaturen. Abschließend wirkt sich die Lagerzeit aufs Endprodukt aus.
Mit einem Vorurteil will die Feinschmeckerin aufräumen. „Craftbiere verstoßen nicht automatisch gegen das Reinheitsgebot“, sagt sie. Manch ausgefallene Geschmacksnote lasse sich mit besonderer Verarbeitung bewährter Zutaten erreichen. So weit, so traditionell. Gleichzeitig appellieren die jungen Unternehmer mit einem Slogan an die Offenheit ihrer Kunden: „Befrei dich, trinke Craftbier“.
Unter dieser Devise scheut sich das Brauerpaar auch nicht, Neues zu wagen. Als historisches Vorbild haben sie zum Beispiel das im 19. Jahrhundert in Goslar mit Koriander gebraute Gose-Bier im Angebot. Ihre Sorte Black Pearl ist mit Kaffeebohnen verfeinert. „Die Hauptsache natürlich“, unterstreicht Denise Renninger die Anforderungen an die Ingredienzien. Fans haben inzwischen auch der Cidre und der Bierbrand. Dessen Produktion soll ausgeweitet werden.
Um das Geschmackserlebnis bei der Bewirtung des Goldenen Kreuzes zusammen mit den Eltern Roland und Patricia Wüscher an Gäste weiterzugeben, bietet man Bierproben an. „Anfangs wird das oft belächelt“, weiß Feinschmeckerin Denise Renninger. Für das Weinland sei es aber eine reizvolle Ergänzung, sich unter fachkundiger Moderation aus fünf Gläsern je 0,1 Liter Gerstensaft auf der Zunge zergehen zu lassen. Hinterher entdecke man auch beim traditionellen Bier Geschmacksnoten, die man ihm nicht zugetraut hätte.
Den ganzen Aufwand beim Brauen in Euro und Cent gegenzurechnen, ist nicht einfach. Zwölf Stunden dauert ein Brautag. Fast nichts ist automatisiert. Wenn das Bier im Glas schäumt, ist das fast vergessen. „Da ist auch viel Leidenschaft dabei“, schmunzelt David Renninger, bevor er in seine kleine Brauerei neben dem Biergarten entschwindet. Mehrmals am Tag muss er dort die Temperatur des Gärprozesses kontrollieren. Die Einhaltung aller Parameter soll ein gleichbleibendes Geschmackserlebnis garantieren. Zumindest dabei stößt die Freiheit von Libertus an ihre Grenzen.