Rund 300 Betriebe unterschiedlicher Branchen und Größen in Unterfranken unterhalten laut einer Information der Industrie- und Handelskammer Würzburg -Scheinfurt geschäftliche Beziehungen mit Großbritannien. "Betroffene Betriebe haben stürmische Zeiten vor sich", erklärt der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Bode in einer Pressemitteilung. Die Verantwortlichen der unterfränkischen IHK gehen derzeit von einem ungeregelten Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU aus. Besonders kritisch seien das Ende des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie die Einführung von Zöllen. Entsprechend aufmerksam wird die Diskussion um den Brexit deshalb auch in der Region verfolgt.
"Zunächst hoffen wir im Sinne der deutschen und der Weltwirtschaft, dass die Briten sich ja vielleicht doch nochmals besinnen und eine vernünftige und geordnete Lösung finden", so Christoph Hummel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Preh GmbH in Bad Neustadt, die mit 1800 Mitarbeitern einer der großen Industrie-Arbeitgeber im Rhöner Raum ist. Preh ist ein global agierender Automobilzulieferer und unterhält nach Angaben von Christoph Hummel Wirtschaftsbeziehungen vor allem in Nordamerika, Europa und Asien, hier insbesondere China, wo die Preh-Muttergesellschaft Joyson ihren Sitz hat.
Die Firma Preh wäre jedoch nach Angaben Hummels von einem ungeordneten Brexit nur sehr geringfügig betroffen. "Wir haben nur eine Handvoll Zulieferer in Großbritannien, so dass für uns nahezu keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind", erklärt Hummel. Es könne zwar zu der einen oder anderen Lieferverzögerung oder auch zu Schwierigkeiten bei den Zollabfertigungen kommen. Für Preh seien diese aufgrund der geringen Volumina aber zu vernachlässigen. Außerdem sei man darauf vorbereitet.
Europaweite Geschäftsbeziehungen unterhält die Firma Hegler in Oerlenbach. Jürgen Zentgraf ist im Unternehmen kaufmännischer Leiter und beobachtet die Brexit-Diskussion mit großem Interesse. Für das Unternehmen allerdings spiele der englische Markt nicht die entscheidende Rolle. Zwar unterhält Hegler auch Wirtschaftsbeziehungen auf die Insel, doch nicht in großem Umfang. Nach Großbritannien liefere Hegler ausschließlich Maschinen und Maschinenteile. Es seien alles Einzelaufträge. Deshalb hält sich im Hause die Aufregung vor einem drohenden ungeregelten Brexit in Grenzen. Auch den Mehraufwand durch Zollformalitäten sieht Zentgraf eher gelassen. Er vertraut da auf die erfahrenen Mitarbeiter der zuständigen Abteilung.
"Unser Interesse ist es, dass Großbritannien in der EU verbleibt". Das betont der Regionsvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Frank Firsching (Schweinfurt). Die Hoffnung hat er noch nicht aufgegeben. Denn Firsching erwartet große Probleme, wenn es zu einem ungeordneten Brexit kommen sollte. Er fürchtet, dass dann viele Arbeitsplätze - auch in der Region - gefährdet wären. Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt würden vielleicht nicht sofort spürbar sein, aber perspektivisch sicherlich in zwei oder drei Jahren. Aus Gesprächen mit Betriebsräten weiß Firsching, dass diese die Situation ähnlich sehen. Deutschland als Exportnation sei auf den Außenhandel angewiesen, erklärt Firsching. Drohende Handelshemmnisse sieht er deshalb mit Sorge, gerade mit Blick auf den Automobilsektor. Werden weniger Autos verkauft, würde das auch die unterfränkische Industrie treffen.
Eine Brexit-Panik scheint es bei der IHK trotz aller Befürchtungen dennoch nicht zu geben. "Ich vertraue auf den Mut und die Innovationsstärke der mainfränkischen Unternehmen, um diese Herausforderung zu meistern", so Jürgen Bode in einer Pressemitteilung.
Ein ungeregelter Brexit könnte jedoch nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Beziehungen nach Großbritannien verändern. Noch plant das Hammelburger Gymnasium seine jährliche Studienfahrt nach Hastings unter der Vorgabe, dass alles bleibt wie es ist, erklärt der stellvertretende Schulleiter Matthias Ludolph. Wenn es aber am 29. März tatsächlich zu einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU kommen wird, müsse die Schulleitung abklären, was dies für den Reiseverkehr und damit für die Formalitäten bedeute. Brauchen Schüler dann vielleicht sogar einen Reisepass oder ein Visum?
Angesichts der offenen Situation gebe es deshalb für die Schule keine hinreichende Planungssicherheit. Ludolph ist dennoch entspannt, weil die Zeit nicht drängt. Denn die Fahrt ist erst im Juli. Wäre sie bereits im April angesetzt, sähe die Situation wohl anders aus, meint Ludolph.
"Wir werden die Situation aufmerksam beobachten", meint der stellvertretende Schulleiter. Insgesamt glaubt Ludolph aber, dass die Insel selbst nach einem ungeregelten Brexit "nicht aus der Welt ist" und hofft, dass Hammelburger Schüler mit oder ohne Brexit-Deal auch heuer Aufnahme in Hastinger Gastfamilien finden werden.