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Bad Brückenau
Brasilien nach der Wahl: Frau aus Eckarts fürchtet um die Bildung
Julia Hildmann arbeitet für eine NGO - der der neue brasilianische Präsident auch den Kampf angesagt hat.
Julia Hildmann (3. von rechts) im Kreis ihrer Mitstreiter. Foto: privat       -  Julia Hildmann (3. von rechts) im Kreis ihrer Mitstreiter. Foto: privat
| Julia Hildmann (3. von rechts) im Kreis ihrer Mitstreiter. Foto: privat
Redaktion
 |  aktualisiert: 18.08.2022 15:50 Uhr

In Brasilien wurde jetzt der der Ex-Militär Jair Bolsonaro zum neuen Präsidenten gewählt. In dem südamerikanischen Land lebt derzeit Julia Hildmann aus Eckarts. Sie arbeitet für die NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) "Prece", eine Bildungsbewegung. Was die Wahl für mögliche Folgen für die Bildung und ihre Arbeit hat, schildert sie hier.

"Wenn ich an die Macht komme, dann wird jeder Bürger eine Waffe zu Hause haben." Mit Wahlversprechen dieser Art hat der Ex-Militär Jair Bolsonaro am vergangenen Sonntag, 28. Oktober 2018, über die Hälfte der Brasilianer überzeugt. Während in Europa vor allem das Thema der Flüchtlingskrise die neue Rechte hat erstarken lassen, sind es in Brasilien die Themen Korruption und der Kriminalität, die dem rechtsextremen Kandidaten zu Stimmen verholfen haben. Dass Bolsonaros propagierte Art der Kriminalitätsbekämpfung an Brasiliens Militärdiktatur von 1964 erinnert und die Freiheit der Bürger stark einzuschränken droht, interessiert seine Anhänger leidlich wenig. In ihren sozialen Medien zirkulieren Zitate wie "Ich bevorzuge, an jeder Ecke von Militärs kontrolliert zu werden, als an jeder Ecke überfallen zu werden."

Im Bestreben nach Sicherheit nimmt die Mehrheit der Wähler Bolsonaros radikale Aussagen zu zahlreichen Themen in Kauf. Vor allem den Armen unter seinen Wählern ist dabei offenbar nicht bewusst, dass ihre Stimme für Bolsonaro eine Stimme gegen sie selbst sein kann. Denn Bolsonaro spricht sich nicht nur gegen Schwarze und Indigene aus, sondern sagt in Parolen wie "Es wird keine NGOS mehr geben, um euren Hunger nach Mortadella zu stillen" auch Armutsbekämpfungsorganisationen den Kampf an.

Die Eckartserin Julia Hildmann, ist seit April diesen Jahres in Brasilien für die NGO und Bildungsbewegung PRECE als Organisationsentwicklerin tätig. Am Beispiel des Themenfeldes der Bildung zeigt sie auf, welche Konsequenzen Bolsonaros Präsidentschaft für Armutsbekämpfungsorganisationen wie die ihre haben kann.

Als Ex-Militär vertritt Jair Bolsonaro eine autoritäre Bildung, in der Disziplin an oberster Stelle steht. In seinen Wahlkampfansprachen pries der neue Präsident Brasiliens das Bildungssystem Japans und Südkoreas und sagte, dass die Förderung kritischen Denken nicht nötig sei, wo Kernfächer wie Mathematik und Portugiesisch nicht beherrscht werden. Um das Bildungssystem günstiger zu machen, vertritt Bolsonaro den Unterricht auf Distanz, in der der Schüler ab dem Grundschulalter nur zur Schule geht, um Prüfungen abzulegen und praktischen Unterricht in Disziplin zu erhalten.

Brasiliens bisheriges Schulsystem und seinen weltweit bekannten Pädagogen Paulo Freire (1921-1997) kritisiert Bolsonaro mit verbaler Aggressivität, wenn er verspricht, dass er "das Bildungsministerium mit einem Flammenwerfer betreten wird, um Paulo Freire herauszuholen!"

Die Bildungsbewegung Prece, für die Julia Hildmann in Brasilien tätig ist, sieht in Bildung den Schlüssel zu einer besseren Welt. Mit der Methode des kooperativen und solidarischen Lernens ist Prece in über 60 öffentlichen Schulen des Bundeslandes Ceará tätig, um das prekäre öffentliche Schulsystem von innen heraus zu transformieren. Prece-Kernprinzipien sind die Förderung von autonomen Schülern, die ihr eigenes Lernen in die Hand nehmen, weil sie wissen, was sie wollen; die Förderung von kooperativen und solidarischen Schülern, die sich gegenseitig unterstützen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen; Gleichberechtigung unter den Schülern.

Der Erfolg von Prece baut dabei auf der Philosophie Paulo Freires, der durch Werke wie "Pädagogik des Unterdrückten" und "Die Wichtigkeit des Lesens" eine Bewegung der Alphabetisierung auslöste und den Armen eine Stimme gab.

Während Paulo Freire zu Beginn der Militärdiktatur im Jahr 1964 ins Exil nach Chile verbannt wurde, droht seinen Sympathisanten heute ein ähnliches Schicksal, wenn Bolsonaro Aussagen wie diese wahr macht: "Die Reinigung wird jetzt gründlicher sein. Diese Truppe (bezieht sich auf die Opposition und seine Anhänger) werden sich unserem Gesetz unterwerfen müssen. Oder sie gehen ins Ausland oder ins Gefängnis!". Für Julia Hildmann, ihre Kollegen und den Gründer der Bildungsbewegung, Manoel Andrade, ist dies jedoch keine Option.

"Wir werden uns neu erfinden müssen, ob wir wollen oder nicht", sagt Manoel Andrade und setzt auf die Sensibilisierung der Menschen im Ausland. In der Kampagne "Abrace o Brasil" laden er und andere Führungskräfte des sozialen Bereichs Leute aus der ganzen Welt ein, Brasilien zu umarmen und NGOs wie Prece in diesem kritischen Moment zu unterstützen. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

 
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