
Sie waren während der Coronazeit in TV und in der Presse oft zu sehen: Die 10-Milliliter-Fläschchen, aus denen Ärztinnen und Ärzte die Impfdosis mit einer Spritze entnahmen und verimpften. Viele davon kamen aus dem Landkreis Bad Kissingen. Denn die Münnerstädter Firma Nipro Pharmapackaging Germany ist auf diese und ähnliche Medizinprodukte spezialisiert. Nipros Geschäftsführer Markus Maßmann erklärt: „Wir stellen mehrere Hundert Millionen Spritzen und mehrere Hundert Millionen Fläschchen pro Jahr her.“
So beliefert die Firma weltweit alle bekannten Pharmafirmen wie Pfizer , Abbott , Sanofi , Hach Lange, Merck, Macherey & Nagel, Actavis , Amneal, und viele weitere mehr – von Japan bis in die USA. „Ich würde sagen, weltweit sind wir in Münnerstadt unter den Top 5 in dieser Branche“, schätzt Maßmann ein.
Glasfläschchen und Spritzen produziert
Im „Werk 1“, der untere Bereich der beiden Firmenstandorte auf dem Schindberg, produziert sie Fläschchen aus Braun- oder Klarglas, beginnend von einem Milliliter Inhalt bis zu 100 Milliliter in verschiedensten Formen - „Vor allem Spezialversionen nach individuellem Kundenwunsch “, sagt Maßmann. „Die Fläschchen sind sogenannte Container, in die beispielsweise Impfstoffe abgefüllt werden, die dann darin transportiert und gelagert werden. Später wird der Impfstoff aus diesen mit einer Spritze entnommen und verimpft“, erklärt Maßmann.

Oben im „Werk 2“ entstehen Glasspritzen. „Sie werden aus gezogenen Glasröhren geformt, bekommen Kanülen eingesetzt, werden gewaschen, gehen zur Sterilisierung und können im Anschluss vom Kunden mit dem Medikament befüllt werden“, so Maßmann. Darunter fallen neben einfachen Spritzen auch jene zur Selbstmedikation, etwa für Diabetiker. Diese werden über einen sogenannten Pen, ähnlich der Größe eines Stiftes, verabreicht.
Viele Anwendungsbereiche
In die Produkte von Nipro werden aber auch andere Medikamente abgefüllt, etwa der Blutverdünner Heparin, sowie Medikamente aus dem Bereich Herz-Kreislauf, Nerven, Onkologie, Augen oder die neuartigen Biotec-Impfstoffe.
Weltweit hat das Unternehmen Nipro 33.000 Angestellte und 62 Standorte . Die Standorte in Münnerstadt gehören zur Gruppe Nipro Pharmapackaging, mit Werken in den USA, Frankreich, Kroatien und Indien. In Münnerstadt geht aktuell der weitere Ausbau des Werkes 2 zügig voran: „Wir sind eindeutig auf Wachstumskurs. Wir beschäftigen heute weit über 500 Mitarbeiter und stellen weiter ein.“ Eine weitere Halle schafft weiteren nötigen Platz.

Zwar entstand Nipro im Jahr 1954 in Japan, das Werk in Münnerstadt hat aber eine längere Geschichte. „Das Gründungsdatum hier ist 1920, seit 1947 läuft die Produktion.“
2013 begann Nipro (damals: MGlas AG) zu kaufen und weiter auszubauen. Nachdem der Platz im damaligen Werk 1 nicht mehr ausreichte, kaufte Nipro das Gelände am Ortsausgang Münnerstadts ein paar Meter weiter oben. Hier steht nun Werk 2 und ein Großteil der Verwaltung.
Wichtige Rolle bei Corona-Impfungen
Zu der Zeit, als die ganze Welt auf Coronaimpfungen wartete, gab es in Münnerstadt viel zu tun. „Wir waren nahe an der Auslastungsgrenze“, berichtet Maßmann. „Aber wir hätten da noch etwas nachlegen können“, fügt er hinzu. Hier spielt auch mit hinein, dass Kunden gewisse Kampagnen zurückgestellt hatten und das Werk sich auf die Belieferung von Behältnissen für Corona-Wirkstoffe fokussieren konnte.
Weil es sich um Medizinprodukte handelt, sind die Anforderungen in der Produktion und an das Produkt selbst sehr hoch. „Es bestehen höchste Qualitätsansprüche an das Produkt, die Dank unserer kompetenten Mitarbeiter und den sehr modernen Fertigungsprozessen stets erfüllt werden“, führt Maßmann aus.
Hohe Anforderungen
In den sogenannten Schwarzbereichen wird das Glas über Flammen geformt, angelassen, durch Kamerasysteme geprüft, anschließend in Reinräumen verpackt und dann extern zum Sterilisieren gegeben. Das Glas erfüllt hier eine wichtige Funktion: Es ist ein komplexes und reguliertes „Primärpackmittel“. Das heißt, es ist direkt mit dem Wirkstoff in Verbindung. So wird etwa der Coronaimpfstoff bei minus 70 Grad abgefüllt und transportiert. Im Bedarfsfall muss es das Medikament vor Umwelteinflüssen schützen und selbst absolut chemisch inert bleiben – heißt: Keinerlei Stoffe dürfen sich aus dem Behältnis lösen und damit das Medikament unbrauchbar machen.

Auch Nipro macht sich Gedanken zu seiner Umweltbilanz: „Wir brauchen Gas für die Glasformung und Strom für die Kompressoren, Maschinen und Reinräume.“ Etwa 70 Prozent des eingekauften Stroms sei bereits grün, berichtet Maßmann. Mit den vergangenes Jahr im Werk 1 errichten Solarzellen kann inzwischen der Strombedarf an sonnenreichen Tagen komplett gedeckt werden. Zum andern braucht es Erdgas. Hier hat die Firma ein Projekt gestartet, den Bedarf in Zukunft mit Wasserstoff zu decken.