
Was für eine Karriere! Im Oktober 2008 rutschte der Reisemobilhersteller Knaus Tabbert in die Insolvenz, jetzt - zwölf Jahre später - steht er kurz vor dem Gang an die Börse . Sinntals Bürgermeister Carsten Ullrich ( SPD ) freut sich über dieses "wichtige und sehr richtige Signal für den Standort Mottgers ".
Die Ankündigung kam für interessierte Börsenkreise nicht überraschend, aber wenige Tage vor dem Caravan-Salon in Düsseldorf genau richtig: Der Trend zum Reisen in Wohnwagen, Wohnmobil oder Kastenwagen ist ungebrochen, der Hersteller aus Jandelsbrunn im Bayerischen Wald arbeitet an der Kapazitätsgrenze. Das Tabbert-Werk in Mottgers beispielsweise verzeichnete im vergangenen Jahr mit 114 Prozent die höchste Auslastung aller vier Standorte, die sich außerdem am Firmensitz Jandelsbrunn, in Ungarn und in Schlüsselfeld befinden.
Nummer drei in Europa
Der Hersteller von Freizeitmobilen - die Nummer drei in Europa - beabsichtigt die Aufnahme in den "Prime Standard" an der Frankfurter Wertpapierbörse . Dabei handelt es sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters um einen "vergleichsweise streng regulierten" Index, der allerdings die Chance biete, in einen der Auswahlindices der Börse wie dem SDAX aufgenommen zu werden.
Reuters geht davon aus, dass der Schritt auf das Parkett bereits in den nächsten vier Wochen erfolgt. Das Unternehmen hofft, mit der Kapitalerhöhung beim Börsengang rund 20 Millionen Euro erlösen zu können, die vor allem in den "beschleunigten Produktionsausbau", insbesondere in Ungarn fließen, wo im Herbst 2021 ein neues Werk in Betrieb gehen soll.
Derzeit produziere das Unternehmen "bis zum Anschlag", sagte der kaufmännische Geschäftsführer von KnausTabbert, Marc Hundsdorf ( CFO ). Ebenso teilt die Firmenleitung mit, eventuell eine neue Marke einzuführen.
Bislang gehören 97 Prozent der Anteile an der Firma den niederländischen Unternehmern Wim de Pundert und Klaas Mertens über deren Holdingunternehmen HTP. Sie hatten die angeschlagene Firma 2009 aus der Insolvenz heraus übernommen. Jetzt wollen sich die Mehrheitseigentümer offenbar von bis zu 50 Prozent ihrer Anteile trennen.
Vorstandschef Wolfgang Speck erinnerte an die Erfolgsgeschichte des Unternehmens . Seit 2013 habe sich die Produktion auf 26 000 Fahrzeuge pro Jahr verdoppelt, der Umsatz sei im selben Zeitraum von 260 auf 780 Millionen Euro gestiegen und die Zahl der Mitarbeiter um 2000 auf rund 3000. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) betrug 2019 rund 64 Millionen Euro.
Trotz des Corona-Lockdowns, der auch die Bänder von Knaus Tabbert zeitweise lahmgelegt hat, erwartet das Unternehmen für das erste Halbjahr 2020 eine Marge auf Vorjahresniveau. CFO Hundsdorf sprach von einer "außergewöhnlichen Wachstumsentwicklung" seiner Firma . Das Unternehmen schätzt, allein im Juni 2020 im deutschen Reisemobilsegment seinen Marktanteil um rund drei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gesteigert zu haben.
Zwei gute Gründe
Den Börsengang begründete Speck damit, dass man weiter wachsen wolle, was aber mit der derzeitigen Gesellschafterstruktur "in der Dynamik, wie wir das wollen, nicht möglich ist". Knaus Tabbert wie die gesamte Branche profitiert derzeit von zwei Entwicklungen: Caravaning liegt bei jungen Leuten im Trend, und die Corona-Pandemie verstärkt den Wunsch nach dem vermeintlich sichereren Reisen im Wohnwagen. Speck: "Gerade in der jüngeren Generation werden Aktivitäten und Urlaub im Wohnmobil immer populärer."
So verkauft Knaus Tabbert einen Teil seiner Fahrzeuge an Vermietungsfirmen, wovon wiederum ein Teil für die firmeneigene Marke "Rent and Travel" genutzt wird. Über diese Plattform werden an rund 180 Stationen in Deutschland neue Wohnwagen, Reisemobile und Kastenwagen vermietet. Dies sei vor allem für die junge Zielgruppe attraktiv. Laut einer Studie des Forschungsinstituts GfK aus dem Jahr 2019 waren rund 35 Prozent der Befragten in Deutschland, die für die Jahre 2019 bis 2024 ein grundsätzliches Interesse an einem Caravaning-Urlaub bekundet haben, jünger als 35 Jahre. In der Region kommt die Nachricht vom geplanten Börsengang gut an. So erklärt Sinntals Bürgermeister Carsten Ullrich ( SPD ): "Pünktlich zum Caravan-Salon ist der geplante Börsengang die nächste positive Schlagzeile unserer heimischen Marke. Seit dem Neustart 2009 schreibt das Unternehmen eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte, die durch ein starkes und solides Wachstum sowie nachhaltige strategische Entscheidungen der Eigentümer HTP gekennzeichnet ist. Durch den Börsengang stellt sich das Unternehmen mit seinen Marken finanziell für das weitere Wachstumspotenzial des Marktes auf. Das ist ein wichtiges und sehr gutes Signal für den Standort und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mottgers ."
Dort arbeiten derzeit nach Firmenangaben in der Produktion 368 Mitarbeiter. Diese haben im Vorjahr 4300 Wohnwagen produziert. In Jandelsbrunn sind es 13 000, in Ungarn 8500 und in Schlüsselfeld, wo die Luxusmarke Morelo vom Band läuft, 426 Fahrzeuge. Alexander Gies