Münnerstadt
Bis an die Grenzen
In der Münnerstädter Klosterkirche wetteiferte die Sopranistin Yvonne Düring mit der machtvollen Orgel von Peter Rottmann - es gab nur Gewinner.
Für Regionalkantor Peter Rottmann war es ein Experiment: "Ich habe noch nie am Ostermontag in der Stadtpfarrkirche ein Konzert veranstaltet. Mal sehen, ob überhaupt jemand kommt." Naja, wenn jeder der Besucher einen eigenen Programmzettel genommen hätte, dann hätten sie bei weitem nicht gereicht. Das Kirchenschiff war wirklich erstaunlich gut besetzt. Offenbar gibt es in Münnerstadt doch eine größere Zahl von Menschen, für die der Besuch eines Konzerts am frühen Abend eine ersprießliche Sache ist - vor allem, wenn an in den zurückliegenden vier Tagen nicht wirklich viel zu tun gehabt hat.
Als Partnerin in diesem "Geistlichen Konzert" hatte Rottmann mit der Sopranistin Yvonne Düring eine Sängerin eingeladen, die bereits in der Stadtpfarrkirche aufgetreten ist und die bereits Erfahrungen mit dem Raum und der Situation hatte. Denn sie musste - von der Empore aus - nicht nur gegen die mächtige Orgel bestehen, sondern sie musste auch stimmlich einen akustisch problematischen riesigen Raum füllen. Sie schaffte das mit einem klugen Atemmanagement, denn um den nötigen Druck zu erzeugen, braucht man enorme Mengen an Luft. Und obwohl die Überakustik des Raumes das Tremolo verlängerte, hatte sie es in der Zurücknahme trotz allen Drucks so gut dosiert, dass die Texte verständlich blieben.
Zunächst aber hieß es für sie warten. Denn Peter Rottmann eröffnete das Konzert mit zwei Orgelsätzen: Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel "Liebster Jesu, wir sind hier" BV 731 bot sich an dieser Stelle ja auch an. Es war eine ruhige Interpretation im "tempo giusto" mit fließendem Legato, mit silbrig registrierten Oberstimmen - eine kurze, aber sehr schöne Einstimmung. Umso drastischer war der Kontrast zum nächsten Werk, Dietrich Buxtehudes Toccata d-moll BuxWV 155 - ein Werk, das dem Titel absolut gerecht wurde: "Geschlagene". Das spielte Rottmann wie ein echtes Orgelprüfstück, mit stürzenden Klangkaskaden, mit geradezu aggressivem Vortrieb, mit einer spannenden Registrierung mit überraschenden Klangfarben, als wollte er das Instrument an seine Grenzen führen.
Dann erst kam die Stimme zu ihrem Recht: Yvonne Düring sang: "Wohl mir, dass ich Jesum habe". Zumindest die Melodie kennt jeder, aber mit dem Text: "Jesu bleibet meine Freude". Das ist kein Zufall, denn beide Texte werden in der Kantate "Herz und Mund und Tat und Leben" BWV 147 verwendet: "Wohl mir" als Schlusschoral des ersten Teils als Stichwortgeber für die Predigt, "Jesu bleibet" ganz am Ende als Fazit. Yvonne Düring sang beide, und sie tat das wirklich im Sinne des Cantus firmus, des "starken Gesangs". Das war ganz im Sinne des Erfinders, denn im Original sind das keine Soloarien, sondern der Chor wird vom gesamten Orchester begleitet. Und Peter Rottmann hatte so den Freiraum, die wunderbar fließende Begleitung im Neunachteltakt weniger zurückhaltend, sondern plastischer zu formulieren.
Und doch kam einem gerade bei diesem Satz ein Gedanke: Die Aussagen des Textes, die bei Bach durch das Arrangement einen starken, extrovertierten Bekenntnischarakter bekommen, könnte man auch als sehr persönlich, nach innen gewendet deuten. Dazu bräuchte man, um die intime Stimmung zu gestalten, nicht die große Orgel. Aber die dafür geeignete Chorraumorgel ist zurzeit leider nicht in spielfähigem Zustand.
Ein Problem, das man an diesem Abend mit Wolfgang Amadeus Mozart nicht hatte. Sein "Laudate Dominum" aus den "Vesperae solennes de Confessore" ist ja gerade ein Aufruf an die Öffentlichkeit, der nicht ungehört verhallen sollte. Das ist kein allzu virtuoses Werk, aber es gelang den beiden Interpreten, die Schlichtheit nicht als Mangel, sondern als Nährboden der Intensität in Aussage und Zusammenwirken darzustellen. Wie auch bei César Francks "Ave Maria", dessen fließende Sanglichkeit auch im Orgelpart sehr gut zur Geltung kam - obwohl die Gesangsstimme mitunter durchaus kniffelig gesetzt ist. Dass Pietro Mascagni ein "Ave Maria" geschrieben hat, ist wenig bekannt. Bei diesem Intermezzo aus "Cavalleria rusticana" konnte Yvonne Düring ihre ganze Opernerfahrung in die Waagschale werfen.
Bei den instrumentalen Atempausen für Yvonne Düring hatte Peter Rottmann sich stark nach Frankreich orientiert: mit dem "Offertoire pour le Jour de Pâques" von Aleandre Boëly, das mit seinem ein stürzenden Beginn stark an Buxtehudes Toccata und nach einem klangmächtigen Kampf und Variationen über "O Heiland, reiß die Himmel auf" in einem stark verdichteten Fugato endete. Oder mit Théodore Dubois" "Fiat Lux", reinste Programmmusik zur Schöpfungsgeschichte, in der aus einem leisen Chaos allmählich ein kräftiges Strahlen wird. Oder mit einem weiteren Satz eines französischen Meisers. Bei Felix Mendelssohn-Bartholdys "Kriegsmarsch der Priester" aus der Schauspielmusik zu Racines "Athalie" konnte man sich ein Grinsen nicht vergreifen. Denn bei Peter Rottmanns kraftvollem Zugriff merkte man plötzlich, dass man Puderperücken und viel zu schwere Prunkgewänder auch vertonen kann.
Die Zugabe? Natürlich! Charles Gounods "Ave Maria". In zwei Jahren soll es wieder ein solches Osterkonzert geben.
Als Partnerin in diesem "Geistlichen Konzert" hatte Rottmann mit der Sopranistin Yvonne Düring eine Sängerin eingeladen, die bereits in der Stadtpfarrkirche aufgetreten ist und die bereits Erfahrungen mit dem Raum und der Situation hatte. Denn sie musste - von der Empore aus - nicht nur gegen die mächtige Orgel bestehen, sondern sie musste auch stimmlich einen akustisch problematischen riesigen Raum füllen. Sie schaffte das mit einem klugen Atemmanagement, denn um den nötigen Druck zu erzeugen, braucht man enorme Mengen an Luft. Und obwohl die Überakustik des Raumes das Tremolo verlängerte, hatte sie es in der Zurücknahme trotz allen Drucks so gut dosiert, dass die Texte verständlich blieben.
Zunächst aber hieß es für sie warten. Denn Peter Rottmann eröffnete das Konzert mit zwei Orgelsätzen: Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel "Liebster Jesu, wir sind hier" BV 731 bot sich an dieser Stelle ja auch an. Es war eine ruhige Interpretation im "tempo giusto" mit fließendem Legato, mit silbrig registrierten Oberstimmen - eine kurze, aber sehr schöne Einstimmung. Umso drastischer war der Kontrast zum nächsten Werk, Dietrich Buxtehudes Toccata d-moll BuxWV 155 - ein Werk, das dem Titel absolut gerecht wurde: "Geschlagene". Das spielte Rottmann wie ein echtes Orgelprüfstück, mit stürzenden Klangkaskaden, mit geradezu aggressivem Vortrieb, mit einer spannenden Registrierung mit überraschenden Klangfarben, als wollte er das Instrument an seine Grenzen führen.
Dann erst kam die Stimme zu ihrem Recht: Yvonne Düring sang: "Wohl mir, dass ich Jesum habe". Zumindest die Melodie kennt jeder, aber mit dem Text: "Jesu bleibet meine Freude". Das ist kein Zufall, denn beide Texte werden in der Kantate "Herz und Mund und Tat und Leben" BWV 147 verwendet: "Wohl mir" als Schlusschoral des ersten Teils als Stichwortgeber für die Predigt, "Jesu bleibet" ganz am Ende als Fazit. Yvonne Düring sang beide, und sie tat das wirklich im Sinne des Cantus firmus, des "starken Gesangs". Das war ganz im Sinne des Erfinders, denn im Original sind das keine Soloarien, sondern der Chor wird vom gesamten Orchester begleitet. Und Peter Rottmann hatte so den Freiraum, die wunderbar fließende Begleitung im Neunachteltakt weniger zurückhaltend, sondern plastischer zu formulieren.
Und doch kam einem gerade bei diesem Satz ein Gedanke: Die Aussagen des Textes, die bei Bach durch das Arrangement einen starken, extrovertierten Bekenntnischarakter bekommen, könnte man auch als sehr persönlich, nach innen gewendet deuten. Dazu bräuchte man, um die intime Stimmung zu gestalten, nicht die große Orgel. Aber die dafür geeignete Chorraumorgel ist zurzeit leider nicht in spielfähigem Zustand.
Ein Problem, das man an diesem Abend mit Wolfgang Amadeus Mozart nicht hatte. Sein "Laudate Dominum" aus den "Vesperae solennes de Confessore" ist ja gerade ein Aufruf an die Öffentlichkeit, der nicht ungehört verhallen sollte. Das ist kein allzu virtuoses Werk, aber es gelang den beiden Interpreten, die Schlichtheit nicht als Mangel, sondern als Nährboden der Intensität in Aussage und Zusammenwirken darzustellen. Wie auch bei César Francks "Ave Maria", dessen fließende Sanglichkeit auch im Orgelpart sehr gut zur Geltung kam - obwohl die Gesangsstimme mitunter durchaus kniffelig gesetzt ist. Dass Pietro Mascagni ein "Ave Maria" geschrieben hat, ist wenig bekannt. Bei diesem Intermezzo aus "Cavalleria rusticana" konnte Yvonne Düring ihre ganze Opernerfahrung in die Waagschale werfen.
Bei den instrumentalen Atempausen für Yvonne Düring hatte Peter Rottmann sich stark nach Frankreich orientiert: mit dem "Offertoire pour le Jour de Pâques" von Aleandre Boëly, das mit seinem ein stürzenden Beginn stark an Buxtehudes Toccata und nach einem klangmächtigen Kampf und Variationen über "O Heiland, reiß die Himmel auf" in einem stark verdichteten Fugato endete. Oder mit Théodore Dubois" "Fiat Lux", reinste Programmmusik zur Schöpfungsgeschichte, in der aus einem leisen Chaos allmählich ein kräftiges Strahlen wird. Oder mit einem weiteren Satz eines französischen Meisers. Bei Felix Mendelssohn-Bartholdys "Kriegsmarsch der Priester" aus der Schauspielmusik zu Racines "Athalie" konnte man sich ein Grinsen nicht vergreifen. Denn bei Peter Rottmanns kraftvollem Zugriff merkte man plötzlich, dass man Puderperücken und viel zu schwere Prunkgewänder auch vertonen kann.
Die Zugabe? Natürlich! Charles Gounods "Ave Maria". In zwei Jahren soll es wieder ein solches Osterkonzert geben.
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