Hammelburg
Bildungskonferenz in Hammelburg: Bunter Markt der Ideen
Mehr als 160 Teilnehmer informierten sich bei der ersten Bildungskonferenz im Landkreis. Im Mittelpunkt stand die Integration.
Nicht nur in der großen Politik ist das Thema Integration allgegenwärtig, sondern auch auf kommunaler Ebene. Das zeigte die erste Bildungskonferenz im Landkreis Bad Kissingen: Mehr als 160 Teilnehmer holten sich Anregungen zum Thema "Bildungswege für Neuzugewanderte", informierten sich über die wissenschaftliche Sicht und beteiligten sich an den Diskussionen. Am Rande der Bildungskonferenz stellten sich auch Bildungsträger und Initiativen vor, darunter das P-Seminar des Bad Kissinger Jack-Steinberger-Gymnasiums.
"Wir wollten uns eine eigene Meinung über Flüchtlinge bilden", beschreibt Schülerin Clara Seitz das Ziel der insgesamt 30 Schüler. Über Sport, Kochen und Nachhilfe kamen die Gymnasiasten direkt in Kontakt mit Zuwanderern. Ergebnis: "Das sind ganz liebe Menschen und viele sind sehr engagiert", berichtet Clara Seitz.
Die Idee, ihr P-Seminar auf der Bildungskonferenz vorzustellen, hatten die Schüler selbst. "Wir wollen den anderen Schulen zeigen, dass es ganz einfach ist, Kontakt aufzunehmen", sagt Zwölftklässlerin Julia Fichtner. Jeden Mittwoch treffen sich deutsche Schüler mit Zugewanderten in der Bayernhalle zum Sport. "Es kommen so 20 bis 25, meistens wird Fußball gespielt", berichtet Julia Fichtner. Weil die Resonanz so gut sei, haben die Bad Kissinger Gymnasiasten entschieden, die Angebote bis zu den Weihnachtsferien weiterlaufen zu lassen. Dazu gehört auch, dass Schüler aus dem P-Seminar fast täglich Nachhilfe in der Bad Kissinger Berufsschule geben.
Nur das Kochen sei noch nicht richtig in Fahrt gekommen: "Das schwierigste war, die Lebensmittel zu organisieren", sagt Clara Seitz, deshalb wurde in der Schulküche erst einmal gebraten und gebacken. Die anderen Treffen fielen aber nicht aus: Stattdessen saßen n Schüler und Flüchtlinge zusammen, unterhielten sich oder spielten. "Zwei Treffen sind noch geplant", berichtet Seitz.
"Ich finde es ganz ausgezeichnet, dass sich unsere Schüler so praxisnah mit Integration auseinandersetzen", sagt Schulleiter Frank Kubitza, der selbst zur Bildungskonferenz kam. Der große Kurs mit 30 Schülern beweise, dass junge Menschen "sehr wach und interessiert am aktuellen Geschehen" seien. Auch sein Kollege Helmut Schreiner vom Hammelburger Frobenius-Gymnasium freut sich über die Eigen-Initiative seiner Schüler beim Thema Integration: "Wir hatten im vergangenen Jahr auch ein P-Seminar und haben sehr gute Erfahrungen gemacht." Schwerpunkt in Hammelburg sei der Kontakt zu Vereinen gewesen: Die Schüler hätten Neubürger abgeholt und zum Beispiel zum Training beim Sportverein begleitet.
Gleich mit sechs Lehrkräften war die Bad Kissinger Sinnberg-Grundschule bei der Bildungskonferenz vertreten. "Ich find's gut, dass hier ganz verschiedene Institutionen vertreten sind", sagt Schulleiter Karl-Heinz Deublein. Ermutigt fühlte er sich gleich zu Beginn vom Impuls-Vortrag: "Ich nehme mit, dass die sozialen Kontakte sehr wichtig sind und dass man die Schüler nicht getrennt unterrichten sollte. Genau das machen wir bei uns an der Schule."
Prof. Dr. Heinz Reinders vom Lehrstuhl für empirische Bildungsforschung der Uni Würzburg hatte über "Bedingungen gelungener Integration in der Bildung" gesprochen. "Integration wird gerne gleich gesetzt mit Anpassung oder Assimilation", sagte der Experte. Daraus sei in der Politik der Begriff der Leitkultur entstanden. Tatsächlich sei es aber sinnvoller, dass Zuwanderer die Merkmale ihrer Herkunftsländer nicht ganz aufgeben. Das machte Reinders am Beispiel Sprache deutlich: "Entscheidend ist, dass zu Hause viel und richtig gesprochen wird, egal ob in Deutsch oder in der Muttersprache", verwies er auf Forschungsergebnisse. Integration lebe also von der "Balance zwischen Fähigkeiten, die man mitbringt, und den Anforderungen der Aufnahme-Gesellschaft". Natürlich müssten Zuwanderer die jeweilige Landessprache als wichtigste Kulturtechnik lernen, aber Traditionen und Religion völlig abzulegen, führe eher zur Diffusion: "Wer alles Alte ablegt, aber noch nichts Neues hat, ist orientierungslos."
Reinders unterschied vier Bereiche der Integration: von der rechtlichen, also der Annahme der Staatsbürgerschaft, bis zur strukturellen wie der Sicherung des Einkommens durch Arbeit. Der wichtigste Bereich seien jedoch gerade bei Jugendliche die sozialen Kontakte in der Schule und die Bildung. Dabei hätten Untersuchungen ergeben, dass Kinder und Jugendliche, die häufiger in Kontakt mit ausländischen Mitschülern kommen auch eine viel größere interkulturelle Kompetenz aufbauen.
Reinders sah es deshalb als verschenktes Potential an, dass im deutschen Schulsystem immer noch oft die soziale Stellung der Familie und damit eben indirekt meist auch die Herkunft mehr über die Zukunft eines Kindes entscheide als das Talent. Seine Warnung: "Wenn wir mit den nächsten Generationen von Zuwanderern das gleiche machen wie bei den bisherigen, dann geht das schief."
Deshalb sah er die Bildungskonferenz auch als richtigen Ansatz: "Bildung war bislang eigentlich kein kommunales Thema." Gemeinden und Landkreise sollten den Hausmeister bezahlen und Gebäude bereit stellen, sich aber aus allem anderen raushalten. Reinders Appell an die Teilnehmer: "Sie müssen Bildung zum Thema der Kommunen machen."
Begeistert über die große Resonanz war Stefan Seufert, Leiter des Bildungsbüros im Landkreis Bad Kissingen. Er stellte die Mitarbeiter vor und kündigte an, dass in Zukunft jedes Jahr eine Bildungskonferenz stattfindet, das sei Bedingung für das Prädikat "Bildungsregion".
Landrat Thomas Bold (CSU) erinnerte an die hohe Zahl an Zuwanderern im Jahr 2015, deren Betreuung ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer gar nicht möglich gewesen wäre. Auch zahlreiche Vertreter von Helferkreisen waren bei der Bildungskonferenz vertreten. "Es war von Anfang an klar, dass die Arbeit hinterher erst richtig anfängt", kündigte Bold an, dass die Integration Jahrzehnte dauere. Umso wichtiger sei es, alle zu unterstützen, die aktiv dazu beitragen.c
"Wir wollten uns eine eigene Meinung über Flüchtlinge bilden", beschreibt Schülerin Clara Seitz das Ziel der insgesamt 30 Schüler. Über Sport, Kochen und Nachhilfe kamen die Gymnasiasten direkt in Kontakt mit Zuwanderern. Ergebnis: "Das sind ganz liebe Menschen und viele sind sehr engagiert", berichtet Clara Seitz.
Die Idee, ihr P-Seminar auf der Bildungskonferenz vorzustellen, hatten die Schüler selbst. "Wir wollen den anderen Schulen zeigen, dass es ganz einfach ist, Kontakt aufzunehmen", sagt Zwölftklässlerin Julia Fichtner. Jeden Mittwoch treffen sich deutsche Schüler mit Zugewanderten in der Bayernhalle zum Sport. "Es kommen so 20 bis 25, meistens wird Fußball gespielt", berichtet Julia Fichtner. Weil die Resonanz so gut sei, haben die Bad Kissinger Gymnasiasten entschieden, die Angebote bis zu den Weihnachtsferien weiterlaufen zu lassen. Dazu gehört auch, dass Schüler aus dem P-Seminar fast täglich Nachhilfe in der Bad Kissinger Berufsschule geben.
Kochen, Nachhilfe und Spielen
Nur das Kochen sei noch nicht richtig in Fahrt gekommen: "Das schwierigste war, die Lebensmittel zu organisieren", sagt Clara Seitz, deshalb wurde in der Schulküche erst einmal gebraten und gebacken. Die anderen Treffen fielen aber nicht aus: Stattdessen saßen n Schüler und Flüchtlinge zusammen, unterhielten sich oder spielten. "Zwei Treffen sind noch geplant", berichtet Seitz.
"Ich finde es ganz ausgezeichnet, dass sich unsere Schüler so praxisnah mit Integration auseinandersetzen", sagt Schulleiter Frank Kubitza, der selbst zur Bildungskonferenz kam. Der große Kurs mit 30 Schülern beweise, dass junge Menschen "sehr wach und interessiert am aktuellen Geschehen" seien. Auch sein Kollege Helmut Schreiner vom Hammelburger Frobenius-Gymnasium freut sich über die Eigen-Initiative seiner Schüler beim Thema Integration: "Wir hatten im vergangenen Jahr auch ein P-Seminar und haben sehr gute Erfahrungen gemacht." Schwerpunkt in Hammelburg sei der Kontakt zu Vereinen gewesen: Die Schüler hätten Neubürger abgeholt und zum Beispiel zum Training beim Sportverein begleitet.
Wissenschaftliche Sicht
Gleich mit sechs Lehrkräften war die Bad Kissinger Sinnberg-Grundschule bei der Bildungskonferenz vertreten. "Ich find's gut, dass hier ganz verschiedene Institutionen vertreten sind", sagt Schulleiter Karl-Heinz Deublein. Ermutigt fühlte er sich gleich zu Beginn vom Impuls-Vortrag: "Ich nehme mit, dass die sozialen Kontakte sehr wichtig sind und dass man die Schüler nicht getrennt unterrichten sollte. Genau das machen wir bei uns an der Schule."
Prof. Dr. Heinz Reinders vom Lehrstuhl für empirische Bildungsforschung der Uni Würzburg hatte über "Bedingungen gelungener Integration in der Bildung" gesprochen. "Integration wird gerne gleich gesetzt mit Anpassung oder Assimilation", sagte der Experte. Daraus sei in der Politik der Begriff der Leitkultur entstanden. Tatsächlich sei es aber sinnvoller, dass Zuwanderer die Merkmale ihrer Herkunftsländer nicht ganz aufgeben. Das machte Reinders am Beispiel Sprache deutlich: "Entscheidend ist, dass zu Hause viel und richtig gesprochen wird, egal ob in Deutsch oder in der Muttersprache", verwies er auf Forschungsergebnisse. Integration lebe also von der "Balance zwischen Fähigkeiten, die man mitbringt, und den Anforderungen der Aufnahme-Gesellschaft". Natürlich müssten Zuwanderer die jeweilige Landessprache als wichtigste Kulturtechnik lernen, aber Traditionen und Religion völlig abzulegen, führe eher zur Diffusion: "Wer alles Alte ablegt, aber noch nichts Neues hat, ist orientierungslos."
Direkter Kontakt wichtig
Reinders unterschied vier Bereiche der Integration: von der rechtlichen, also der Annahme der Staatsbürgerschaft, bis zur strukturellen wie der Sicherung des Einkommens durch Arbeit. Der wichtigste Bereich seien jedoch gerade bei Jugendliche die sozialen Kontakte in der Schule und die Bildung. Dabei hätten Untersuchungen ergeben, dass Kinder und Jugendliche, die häufiger in Kontakt mit ausländischen Mitschülern kommen auch eine viel größere interkulturelle Kompetenz aufbauen.Reinders sah es deshalb als verschenktes Potential an, dass im deutschen Schulsystem immer noch oft die soziale Stellung der Familie und damit eben indirekt meist auch die Herkunft mehr über die Zukunft eines Kindes entscheide als das Talent. Seine Warnung: "Wenn wir mit den nächsten Generationen von Zuwanderern das gleiche machen wie bei den bisherigen, dann geht das schief."
Deshalb sah er die Bildungskonferenz auch als richtigen Ansatz: "Bildung war bislang eigentlich kein kommunales Thema." Gemeinden und Landkreise sollten den Hausmeister bezahlen und Gebäude bereit stellen, sich aber aus allem anderen raushalten. Reinders Appell an die Teilnehmer: "Sie müssen Bildung zum Thema der Kommunen machen."
Begeistert über die große Resonanz war Stefan Seufert, Leiter des Bildungsbüros im Landkreis Bad Kissingen. Er stellte die Mitarbeiter vor und kündigte an, dass in Zukunft jedes Jahr eine Bildungskonferenz stattfindet, das sei Bedingung für das Prädikat "Bildungsregion".
Landrat Thomas Bold (CSU) erinnerte an die hohe Zahl an Zuwanderern im Jahr 2015, deren Betreuung ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer gar nicht möglich gewesen wäre. Auch zahlreiche Vertreter von Helferkreisen waren bei der Bildungskonferenz vertreten. "Es war von Anfang an klar, dass die Arbeit hinterher erst richtig anfängt", kündigte Bold an, dass die Integration Jahrzehnte dauere. Umso wichtiger sei es, alle zu unterstützen, die aktiv dazu beitragen.c
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