Etwa im Oktober 2021 begann im kleinen Sitzungssaal in Münnerstadt ein Projekt, das entweder als „Dekarbonisierung“ oder „Wirtschaftsstandorterhaltung“ der Region beschrieben werden kann: Norbert Schmäling und Gunter Häckner von der Firma R3 Regionalenergie stellten der Stadt ein Projekt vor, das unter anderem drei Windräder im Bildhäuser Forst vorsah.
Um die volle Energieerzeugung nutzen zu können, sollte dazu ein Wasserstoff-Elektrolyseur entstehen, der auch einen Stromanschlusspunkt an die überregionale Leitung braucht. Vieles ist seitdem passiert. Einen markanten Meilenstein wird das Projekt nun am 31. Juli 2024 erreichen. Die kommunale Familie wird als kommunale Holding in das Projekt rechtlich einsteigen.
Vorranggebiet im Bereich des Bildhäuer Forsts
Besagte Firma R3 Regionalenergie entwickelt Erneuerbare-Energien-Anlagen in Bürgerhand – etwa den Bürgerwindpark Münnerstadt Langes Schiff. Wie die Idee zu dem Windpark Bildhäuser Forst kam? Seitens der Bayerischen Regierung gibt es eine Karte, die sogenannte Vorranggebiete für Windkraft ausweist. Eine solche Fläche findet sich inmitten von Rheinfeldshof, Rödelmaier und Saal. In dieses Vorranggebiet fällt auch ein Teil der Fläche Münnerstadts. Dort wollten Schmäling und Häckner anfangs drei Windräder errichten.
Der Stadtrat gab der Sache sein OK, aber unter der Bedingung: R3 solle um Zustimmung der umliegenden Gemeinden bitten. Also sprachen sie mit Strahlungen, Saal, Wülfershausen, und Rödelmaier. Häckner von R3 erinnert sich: „Wir hatten vorsichtig angeboten, dass die anderen Kommunen auch ein Windrad aufstellen wollten. Um die Akzeptanz zu erhöhen. Die Frage war dann eher, ob es auch zwei sein dürften.“
Aus drei wurden 18 Windräder
Aus drei wurden mittlerweile 18 Anlagen – darunter die ursprünglichen drei Windkraftanlagen für Münnerstadt und auch fünf weitere für Münnerstadt, die jedoch nicht in der Fläche des Vorranggebiets liegen. Durch eine „isolierte Positivplanung“ soll dies aber nachgeholt werden.
Im Laufe des Prozesses stieg noch Bad Neustadt mit ein. Im Winter 2023 beschlossen 90 Ratsmitlieder aus sechs Kommunen einstimmig die Gründung der Holding für den Bürgerwindpark Bildhäuser Forst. Bislang hat R3 die Planung übernommen. Mit der Unterzeichnung am 31. Juli 2024 werden die Kommunen und das Überlandwerk Rhön als rein kommunaler Energieversorger in das Projekt einsteigen.
Weil es sich um Vorrangflächen handelt, sei nie zur Diskussion gestanden, ob an der Fläche ein Windpark entstehen wird, sondern wer es macht. Bürgermeister Kastl ( CSU ) erklärt es so: „Macht es die Kommune oder ein Großinvestor?“ Neben den Einnahmen für die Kommune und damit für die Bürgerschaft, kann die Kommune zudem besser auf Wünsche und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger eingehen.
Elektrolyseur wichtiger Baustein
Neben dem Windpark ist der Elektrolyseur ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung oder Wirtschaftsstandortsstärkung der Region. Vereinfacht gesagt speichert er Energie, indem er Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufteilt. Die Produktion kann mit einem Teil des Stroms der Windräder dauerhaft laufen und Stromüberschüsse abfangen.
Schmäling von R3 sagt: „Wir haben mit der Stadt Münnerstadt und Zutun der Firma Nipro eine Machbarkeitsstudie für einen Elektrolyseur beantragt: für die Landkreise Bad Kissingen und Bad Neustadt.“ Die Studie machte Siemens Energy aus Erlangen. Die Fragen: wo ist ein Elektrolyseur technisch und wirtschaftlich machbar? Habe ich Abnehmer für Wasserstoff? Es gibt bereits Ergebnisse.
Nipro kann Wasserstoff gut gebrauchen
Am besten schnitt dabei das Gewerbegebiet in Brendlorenzen mit seiner Nähe zum Umspannwerk, zu Siemens oder auch der Spedition Geis ab. Fast ebenso gut ist der Standort bei Nipro in Münnerstadt bewertet. Auch ein Standort in Bad Kissingen gilt als geeignet. Der Freistaat fördert den Bau eines Elektrolyseurs mit fünf Millionen Euro – darauf bewirbt sich Münnerstadt.
Mit Nipro gibt es hier einen Abnehmer für den grünen Wasserstoff, den die Firma zum Glasschmelzen benötigt. Zudem braucht Nipro Sauerstoff, der bei der Elektrolyse als „Abfallstoff“ anfällt. Bei Nipro wiederum fällt reines H2O, also Wasser, als „Abfallstoff“ an, das aber für den Elektrolyseur benötigt wird. „Wenn alles klappt, gibt es eine rosige Zukunft für den Standort Münnerstadt“, sagt Kastl.
Weitere Projekte zu dem Thema
Ein wichtiges Projekt, das nicht zwischen Münnerstadt und R3 entstand, ist die Leitung P540, die von Thüringen durch Münnerstadt nach Grafenrheinfeld verlaufen soll. Im Raum Münnerstadt soll dabei ein Netzanschlusspunkt entstehen. Dort kann Strom eingespeist oder herausgeholt werden – was wichtig für Münnerstadts Vorhaben ist.
Ebenfalls mit R3 ist in Münnerstadt im Herbst 2021 die Idee zu einem Regionalwerk entstanden. Dies hat nun der Landkreis übernommen.
Freistaat gibt dem Handeln Münnerstadts Recht
Michael Kastl wirbt für die Vorhaben: „Der Windpark , der Elektrolyseur und die Leitung P540 mit ihrem Anschlusspunkt an das überörtliche Stromnetz sind aus meiner Sicht ein massiver Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Main Rhön und sorgen mit dafür, dass auch in Zukunft das Licht in der Region nicht ausgeht.“
Unterstützt werde er in seiner Ansicht durch das Modernisierungs- und Beschleunigungsprogramm Bayern 2030, das Ministerpräsident Markus Söder Mitte Juni vorstellte: Es geht unter anderem darum, dass der Bau von mehr Stromleitungen nötig sei, dass der Windkraftausbau etwa durch schnellere Verfahren vereinfacht wird, und dass Bemühungen rund um den Wasserstoff – auch Elektrolyseure – verstärkt werden müssen. „Was wir in Münnerstadt seit drei Jahren planen, ist jetzt Staatsraison“, sagt Kastl stolz. Und betont: "Natürlich war die Voraussetzung von all dem die Einstellung des Klimamanagers."
Lesen Sie auch: