Noch vor einem guten Dutzend Jahren sah es in der Ruine der Michaelskapelle auf dem Michelsberg, hoch über Burghausen und Reichenbach, so ähnlich aus wie in einem seit vielen Jahrzehnten zugewachsenen und verwunschenen Dornröschen-Schloss. Heute ist die Kirchenruine, die bis zum Brand im Jahr 1806 die gemeinsame Pfarrkirche beider Gemeinden war, wieder frei zugänglich, und die ganze Anlage ist restauriert und wirkt sehr gepflegt. Wie es dazu kam, schilderte im Erzählcafé des Seniorenzentrum St. Elisabeth der ehemalige Kreis-Heimatpfleger Bertram Becker (79).
Vor allem ihm ist es zu verdanken, dass die Kirchenruine auf dem Michelsberg nicht komplett dem Verfall preisgegeben wurde. In langwierigen Verhandlungen wurden Sponsoren gefunden und Fördergelder zusammengetragen. Unter tatkräftiger Beteiligung der angrenzenden Kirchengemeinden von Burghausen und Reichenbach und vieler freiwilliger Helfer ist es Becker gelungen, das Kirchenumfeld von ausuferndem Bewuchs und wilden Aufforstungen zu befreien. Die noch vorhandenen Mauerreste wurden gesichert, das Gelände kann wieder gefahrlos betreten werden, Gottesdienste unter freiem Himmel sind wieder möglich.
Letzte Chance, ein Stück Geschichte zu bewahren
Sehr umfangreich waren die Sicherungsarbeiten am Mauerwerk und die Einebnung des ehemaligen Friedhofs, den nun wieder eine Mauer umschließt. Es war die letzte Chance, mit der Sanierung der Ruine ein Stück Geschichte für nachkommende Generationen zu bewahren. Bertram Becker hat sich jahrelang um Vorbereitung, Planung, Behördengänge und vieles mehr gekümmert. Dafür wurde er Anfang letzten Jahres mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Er erzählte, dass er 1955 als Dorfschullehrer nach Burghausen kam. Die Schule hatte 45 Schüler in den Klassen eins bis acht. "Ich war der letzte Lehrer dort und habe die Schule 1966 zugeschlossen", erzählte er. Dann kamen die Schüler aus Burghausen in eine Verbandsschule. Seinerzeit war auch samstags noch Unterricht. An diesem Tag gab es immer Naturkunde, Spiel und Sport, und oft wanderte er mit seinen Schülern auf den Michelsberg.
Stadtrat und Ortssprecher
1972 bis 1984 war er Mitglied im Stadtrat von Münnerstadt und Ortssprecher von Burghausen. Schon damals startete er Initiativen, um "Ordnung ins Dornröschenschloss", wie er sich ausdrückte, zu bringen. Doch das scheiterte an der Frage: "Wer zahlt es?" Im Jahr 2006 wurden dann doch erste Schritte unternommen - genau 200 Jahre nach dem Brand, der am 6. Mai 1806 die Kapelle vollständig zerstört hatte. Die Michaelskapelle hatte bis dahin als Gotteshaus sowohl für Burghausen, als auch für Reichenbach gedient. In der Folge bekamen beide Gemeinden ihre eigenen Kirchen mitten im Dorf. Der 1000 Jahre alte Friedhof rund um die Kapelle behielt seine Funktion aber bis 1830. Dann beschwerten sich die Augustiner, dass es bei Beerdigungen zu kalt sei, und beide Gemeinden bekamen die Genehmigung, neue Friedhöfe im Ort zu errichten. Allerdings hatten sie die Auflage, innerhalb von vier Monaten auch eine Friedhofsmauer zu bauen. Der Einfachheit halber holten die Gemeinden die Steine aus der Kirchenruine auf dem Michelsberg, auch für andere Baumaßnahmen wurden dort Steine entnommen. Die Ruine wurde regelrecht ausgeplündert, was nicht gerade zu ihrer Erhaltung beitrug.
Immerhin gab es auch Bestrebungen, auf dem Michelsberg wieder eine Kapelle zu errichten. 1889 wurde der Kapellenverein Münnerstadt gegründet. 450 Mark investierte er immerhin für ein Kreuz, das restliche Vereinsvermögen ging nach seiner Auflösung an die Kirchengemeinde Münnerstadt.
Zwei Prozessionen und Gedenkgottesdienst
Zurück zum Jahr 2006. Zum Gedenken an die Zerstörung der Kapelle durch einen Blitzschlag vor 200 Jahren zogen zwei Prozessionen von Burghausen und Reichenbach auf den Berg, wo ein Gedenkgottesdienst stattfand. Nach der Predigt hielt Bertram Becker einen Festvortrag über die Geschichte des Berges und der Kapelle, beginnend von der Besiedlung durch die Kelten vor 5000 Jahren bis zur Zerstörung im Jahr 1806. "Bei Bier und Bratwurst kam uns der Gedanke: Jetzt machen wir was", erzählte Becker, der damals schon in Pension war. Er übernahm es, die notwendigen Arbeiten zu koordinieren, Verhandlungen mit Behörden zu führen, Geld zu beschaffen. Viele Firmen halfen mit, sei es, indem sie kostenlos für Brotzeit sorgten, oder Baumaterial umsonst lieferten.
Friedenstiftend
Schmunzelnd meinte der frühere Kreisheimatpfleger, diese gemeinsame Aktion zur Restaurierung der Kirchenruine sei friedenstiftend gewesen. Dadurch seien die beiden Dörfer Burghausen und Reichenbach, deren Bewohner sich früher eher feindlich gegenübergestanden hätten, zusammengeschweißt worden.
Die eigentlichen Arbeiten starteten Jahr 2007 und dauerten drei Jahre: Büsche wurden entfernt, um die Mauern wieder freizulegen, die gesichert wurden. Das war gar nicht so einfach, denn Mörtel, der die Steine zusammenhielt, war nicht mehr vorhanden. Die Mauern mussten zum Teil auch umfangreich gesichert werden. Eine Spezialfirma aus Würzburg, die Erfahrung mit der Sanierung alter Mauern in Weinbergen hat, wurde geholt. Der alte Friedhof wurde eingeebnet und wieder mit einer Mauer umgeben. Die Besucher des Erzählcafés erfuhren auch, dass der Michelsberg schon vor 5000 Jahren von Kelten besiedelt wurde. Die Anfänge der christlichen Kapelle stammen aus karolingischer Zeit, also etwa 800 nach Christus. In späteren Jahrhunderten wurde sie durch Anbauten umfangreich erweitert. Im Boden der Kapelle befinden sich Priestergräber, die allerdings vermutlich geplündert worden sind.