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Bad Kissingen
Betrunkener Radfahrer: Gefängnis nur knapp entkommen
Wie oft muss man betrunken Fahrrad fahren, um ins Gefängnis zu kommen? Ein junger Mann möchte dies offenbar unbedingt herausfinden. Dazu kommt noch eine Anklage wegen sexueller Belästigung.
Wer mit über 1,6 Promille mit dem Fahrrad unterwegs ist, begeht eine Straftat.
Foto: Symbolbild: Uli Deck/dpa | Wer mit über 1,6 Promille mit dem Fahrrad unterwegs ist, begeht eine Straftat.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 28.03.2025 14:06 Uhr

Ein Problem löst die Richterin zu Beginn der Verhandlung unbürokratisch und greift zum Telefonhörer. Die Hauptzeugin ist nicht zu dem Prozess vor dem Amtsgericht erschienen. Schon nach wenigen Minuten zeigt die Ansage der Vorsitzenden auf dem Anrufbeantworter Wirkung. Die Frau ruft zurück und macht sich sofort auf den Weg.

Pegel um 2,0 Promille

Derweil können schon mal die anderen Anklagepunkte abgearbeitet werden. Dem 24-Jährigen wird vorgeworfen, im vergangenen Jahr dreimal betrunken mit dem Fahrrad unterwegs gewesen zu sein. Die Polizei hatte ihn deshalb angehalten und die Fälle dokumentiert. Jeweils um die 2,0 Promille Alkohol hatte er im Blut.

Wer mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille mit dem Fahrrad auf öffentlichen Straßen unterwegs ist, begeht eine Straftat. Das hätte der Angeklagte wissen müssen, denn deshalb wurde er bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Entgiftungen erfolglos

Der junge Mann hat ein massives Alkoholproblem, das ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Dies bestätigt auch ein ärztliches Gutachten. Mehrmals musste er sich in Werneck einer kurzzeitigen Entgiftung unterziehen. Doch er griff immer wieder zur Flasche.

Die Richterin will wissen, wie viel er täglich trinkt. „Viel zu viel, ungefähr sieben oder acht Flaschen Bier“, antwortet er. Manchmal auch mehr, so genau kann er sich nicht erinnern.

Stationäre Therapie

Jetzt soll alles besser werden, so hofft er jedenfalls. Seit Mitte Februar ist er in einer stationären Therapie gegen seine Alkoholsucht. „Das tut mir gut“, sagt er und erklärt, dass er den Aufenthalt in der Klinik gerne verlängern möchte.

„Ich fühle mich dort nicht so alleine mit meinen Problemen und habe diesen Suchtdruck nicht mehr“, berichtet der 24-Jährige. Regelmäßige Blut- und Urinproben der Einrichtung bestätigen den Erfolg.

Fünf Vorstrafen

Das Gericht nimmt dies wohlwollend zur Kenntnis. Denn der Angeklagte hat bereits vier Vorstrafen wegen betrunkenen Radfahrten und eine weitere wegen Körperverletzung . Seine Bewährungszeit läuft noch.

Mittlerweile ist die Zeugin eingetroffen. Der Staatsanwalt schildert, was sich im Juni vergangenen Jahres ereignet haben soll. Am Ostring in Bad Kissingen hatte der Beschuldigte , wieder einmal stark alkoholisiert , der 30-Jährigen den Weg versperrt.

Brust angefasst

Mit ziemlich derben Worten fragt er sie, ob sie mit ihm Geschlechtsverkehr haben will. Die völlig perplexe Frau verneint und will einfach nur weg. Aber er hält sie am Arm fest und fasst ihre Brust an.

Was er dazu sagt, wird der Angeklagte gefragt. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, behauptet er. Dass die Polizei ihn zu Hause abgeholt und auf der Inspektion Fingerabdrücke von ihm genommen hat, ist ihm allerdings im Gedächtnis geblieben.

Hoffnung auf Therapie

In seinem Schlussplädoyer äußert der Staatsanwalt die Hoffnung, dass die Therapie dem jungen Mann hilft, im Anschluss auch ohne Kontrolle vom Alkohol zu lassen. Für die sexuelle Belästigung setzt der Vertreter der Anklage acht Monate Haftstrafe an.

Für jede der drei Trunkenheitsfahrten mit dem Rad kommen nochmal sechs Monate dazu. Eine Gesamtstrafe von einem Jahr und einem Monat sei angemessen.

Weil der Mann wegen dieser Delikte bereits unter Bewährung steht, komme eine Haftverschonung eigentlich nicht mehr in Betracht. Nur die Tatsache, dass der Angeklagte sich einer stationären Alkoholtherapie unterzieht, veranlasst den Staatsanwalt dazu, einer weiteren Bewährung zuzustimmen.

Das Urteil

Das sieht auch die Richterin so. Sie verurteilt den Mann zu einer Haftstrafe von einem Jahr, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. „Sie arbeiten endlich ernsthaft an ihrer Alkoholkrankheit, diesen Weg möchte ich nicht versperren“, sagt die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung. Und stellt unmissverständlich klar: „Sollte nochmal etwas vorkommen, gehen Sie ins Gefängnis!“

Das Urteil ist rechtskräftig, weil alle Prozessparteien auf Berufung oder Revision verzichtet haben.

 
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