Drastischer können Matthias Haukes Statement wohl nicht ausfallen. Der Zeitlofser Bürgermeister spricht von „Vollkatastrophe", einem „Schlag ins Gesicht", sogar von „Verrat an der Bevölkerung". Was ihn so aufbringt, sind Bestrebungen der Union im Bund, den Vorrang für Erdverkabelung bei überregionalen Stromtrassen zu kippen. Freileitungen sollen wieder Standard sein beim Netzausbau. Das hätte vor Ort dramatische Folgen, sagt nicht nur Hauke.
Bisher war der Zeitlofser, auch Vorsitzender des von vielen Kommunen und dem Landkreis selbst getragenen Vereins RhönLink, für ausgleichende Töne bekannt. Wenn die Fernleitungen, die Strom aus dem wind- und räderreichen Norden in den energiehungrigen Süden Deutschlands bringen, unausweichlich sind, sollten sie wenigstens für Mensch und Umwelt verträglich sein.
Hauke betonte stets, den laufenden Planungs- und Genehmigungsprozess für die drei Großprojekte P43 (Fulda-Main-Leitung), DC 41 (Nordwestlink) und DC 42 (Südwestlink) kritisch im Sinne der Betroffenen begleiten zu wollen. Bekanntlich sollen diese Stromtrassen den westlichen Landkreis - und damit neben viel gemeindefreiem Gebiet die Gemarkungen Zeitlofs und Wartmannsroth - durchschneiden: die Wechselstromtrasse P43 als Freileitung, die Gleichstromleitungen DC 41 und 41 gemäß Erdkabel-Vorrang unterirdisch.
Dass zwei der drei eng beieinander geplanter Stromtrassen bis auf die zu schaffenden Schneisen unsichtbar geplant wurden, galt laut Matthias Hauke als kleiner Trost für die Betroffenen. „Wenn mit dem Zeitlofser Wasserschutzgebiet und dem Grieshof nichts passiert, wird es das Gros der Bevölkerung akzeptieren", vermutet er. Das war auch der Eindruck dieser Redaktion bei den Infomärkten zu DC 41 und 42 Ende Februar in Zeitlofs und Wartmannsroth.
Furcht vor „Überbündelung"
Doch nun sieht Zeitlofs' Bürgermeister dunkle Wolken heraufziehen. „Irgendwann muss es doch mal gut sein. Man kann doch nicht alles in die Ecke hierknören." Denjenigen, die den Vorrang für Freileitungen forderten, sei „nicht bewusst, was sie hier bewirken. Das ist mehr als ein Schlag ins Gesicht." Sollte sich die Initiative der Union durchsetzen (was Hauke stark befürchtet), müsse man seinerseits fordern, dass die Stromtrassen nicht wie geplant in der Region kommen.
Die Planung sei mit einer Freileitung und zwei Erdtrassen jetzt schon eng. „Die Frage ist, wie drei Masten nebeneinander funktionieren sollen." Hauke spricht von „Überbündelung". Schon jetzt würden eine ICE-Trasse und zwei Gasleitungen die Landschaft durchschneiden. Tourismus und neue Baugebiete könne man da vergessen. Wer wolle angesichts der viele Strommasten dort wohnen?
Hotel-Restaurant „Zum Landgraf“ fürchtet Wegbleiben von Gästen
Henry Merz vom Hotel-Restaurant „Zum Landgraf“ in Wartmannsroth fürchtet, dass die Gäste ausbleiben, wenn tatsächlich alle drei Stromtrassen als Freileitungen kommen. „Sie werden sich nicht in ein Hotel einmieten, wo sie auf drei Stromleitungen gucken", sagt der Geschäftsmann.
Auch beim Wandern wären die Gäste beeinträchtigt. Niemand laufe gern unter Stromkabeln entlang. Von der schönen Landschaft der Rhön und des Schondratals würde viel verloren gehen.
Atzmüller hält von Vorrang für Freileitungen nichts
Florian Atzmüller eroberte vor vier Jahren für die CSU den Chefsessel im Rathaus von Wartmannsroth. Doch was die Union im Bund vorhat, schmeckt dem Bürgermeister gar nicht. „Ich halte von dieser Diskussion gar nichts." Auch solle man den Konsens von 2015/16, der die Akzeptanz für die Stromtrassen bei der Bevölkerung erhöhen sollte, nicht zurückdrehen.
Die Planungen für die Trassenverläufe in der Region seien weit fortgeschritten und bei Infoveranstaltungen an die Bevölkerung herangetragen worden, ebenso die zum Einsatz kommende Technik. „Ich halte es für falsch zu sagen: Ich rücke davon ab, gerade bei einem laufenden Projekt", so Atzmüller.
„Krasse Einschnitte" durch Strommasten
Wie Hauke kann er sich drei Freileitungen mit entsprechenden Masten nebeneinander nicht vorstellen - zumal dafür entsprechende Schneisen geschlagen und größere Abstände als bei Erdkabeln eingehalten werden müssten. „Das wären schon krasse Einschnitte."
Im Nadelöhr zwischen Dittlofsroda und Waizenbach hält Atzmüller die Konzentration dreier Freileitungen gar für unmöglich. Dass die Waldvernichtung bei Freileitungen geringer ausfällt als bei Erdverkabelung, glaubt Wartmannsroths Bürgermeister nicht. Er rechnet damit, dass man auch die Bäume unterhalb der Leitungsstränge entfernen muss. Auch könnte der Bewuchs darunter sich nicht wieder zu voller Höhe entwickeln, weil er sonst mit den durchhängenden Kabeln in Konflikt käme.
Atzmüller ist „überzeugt davon, dass sich Widerstand regen wird, sollte man von der Erdverkabelung abrücken".
Widerstand lässt sich schwerer generieren
Matthias Hauke ist etwas skeptischer, was den zu erwartenden Widerstand angeht. Der sei nicht mehr so stark ausgeprägt wie einst bei Südlink im östlichen Landkreis. Viele potenziell Betroffene seien inzwischen mit der Masse an Stromtrassenprojekten überfordert. Die meisten würden DC 41 und 42 und deren Folgen noch gar nicht kennen. „Die Meldungen dazu erschlagen den Normalbürger. Es wird schwierig sein, erneut Widerstand aufzubauen."
Das sei schon bei P43 schwer gewesen. Habe es im ersten Jahr noch einige Demos dagegen gegeben, waren es später immer weniger. Zudem siedelten dort, wo die Trassen hinsollen, nicht so viele Menschen. Und damit nicht so viele Betroffene, die sich wehren könnten.