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Münnerstadt
Peter Prange erzählt deutsche Geschichte
Der Bestseller-Autor veranschaulichte in der Münnerstädter Alten Aula bildhaft die historischen Ereignisse der Jahre 1933 bis 1939.
Schriftsteller Peter Prange (68) bei seinem Vortrag in der Alten Aula.       -  Schriftsteller Peter Prange (68) bei seinem Vortrag in der Alten Aula.
Foto: Sigismund von Dobschütz | Schriftsteller Peter Prange (68) bei seinem Vortrag in der Alten Aula.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 26.11.2024 12:25 Uhr

Es geschieht nicht alle Tage, dass ein Bestseller-Autor zur Lesung nach Münnerstadt kommt. Doch Claudia Kind, die Vorsitzende der Heimatspielgemeinde und absoluter Fan des Schriftstellers Peter Prange , hat es in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung geschafft, den 68-Jährigen zu einer Lesung aus seinem zweibändigen Bestseller „Eine Familie in Deutschland“ (2018/2019) in die Alte Aula zu locken.

Etwa 50 Besucher ließen sich von Pranges packendem Vortrag begeistern. „Ich hätte mir mehr Zuhörer gewünscht“, zeigte sich Kulturmanager Nicolas Zenzen zuvor in seiner Begrüßung enttäuscht.

Abstecher nach Bad Kissingen

Der in Tübingen lebende Peter Prange war vorzeitig im Landkreis angekommen, weshalb er die Gelegenheit nutzte, auf dem Weg nach Münnerstadt noch einen Abstecher nach Bad Kissingen zu machen. „Bad Kissingen war in meiner Kindheit ein unerreichbarer Sehnsuchtsort, wo vornehme Menschen in gepflegten Parkanlagen lustwandelten. Das war nicht die Welt meiner Familie“, hatte er sich eine Woche zuvor im Interview unserer Zeitung geäußert. „Nur mein Lieblingsonkel konnte sich das damals leisten.“

Erst die Einladung nach Münnerstadt hatte Prange nun erstmals ermöglicht, sich nachmittags von der Atmosphäre des Welterbe-Staatsbades einfangen zu lassen.

Schon damals im Vorgespräch hatte Prange angekündigt, in Münnerstadt nicht nur aus seinem Roman zu lesen, sondern einen 90-minütigen Vortrag zu halten. So geschah es: In freier Rede veranschaulichte er sehr bildhaft die historischen Ereignisse der Jahre 1933 bis 1939, auf denen die Geschichte seines Familienromans um die fiktive Familie Ising basiert – eine lebensnah geschriebene Familiengeschichte „über die Verführung der Menschen in einer politisch prekären Zeit“, in der jeder Einzelne sich irgendwann für oder gegen die Nazis entscheiden musste.

Sein Beweggrund

„Ich wollte wissen, was aus mir geworden wäre, wenn ich 30 oder 40 Jahre früher geboren wäre“, nannte Prange als Beweggrund, sich intensiver mit der deutschen Geschichte zu befassen. Seit 25 Jahren, seit der Veröffentlichung seines später verfilmten Romans „Das Bernstein-Amulett“ im Jahr 1999, war die deutsche Geschichte sein Thema für weitere Bestseller.

„Wie ist es möglich, dass eine Kulturnation sich so barbarisch verhält? Ich wollte verfolgen, wie das Gift der Nazis in die Köpfe der Deutschen eindrang.“ Auch in seinem Roman „Eine Familie in Deutschland“, den Prange ganz bewusst fernab der Reichshauptstadt im kleinen Ort Fallersleben, heute ein Stadtteil von Wolfsburg, spielen lässt, ist um das Jahr 1933 vom Geist der Nazis und den politischen Umwälzungen in der Hauptstadt kaum etwas zu spüren.

Doch in Kenntnis der damaligen Entwicklung sieht Prange eine erschreckende Parallele zur heutigen parteipolitischen Entwicklung und zu den Wahlergebnissen in Hessen und Bayern: „Da kann einem nur angst und bange werden.“

Aus subjektiver Sicht

Bei der Konzeption seines Romans sei es ihm darum gegangen, das Geschehen in den Dreißiger Jahren nicht aus der Besserwisser-Perspektive zu schildern, sondern aus der subjektiven Sicht und dem realen Erleben der damaligen Bevölkerung – am Beispiel einer Familie, der kleinsten Zelle der Gesellschaft. Im ländlich geprägten Fallersleben steht die Agrarwirtschaft an erster Stelle.

So lässt sich der Zuckerrübenfabrikant Ising auf Bitten der Grafen Schulenburg zum Ortsgruppenleiter aufstellen: „Die NSDAP kümmert sich um die Landwirte. Warum soll man mit denen also nicht zusammenarbeiten?“, schildert Prange die Anfangssituation seines Romans. „Damals waren noch nicht alle Nazis .“ Dass dieser Ortsgruppenleiter einen jüdischen Schwiegersohn hatte, spielte auch noch keine Rolle.

Die Bevölkerung verführt

Das Geschick der Nazis bestand darin, in der Zeit großer Arbeitslosigkeit „die Bevölkerung mit Ängsten und Träumen zu verführen“, nennt der Autor als Grund der wachsenden Begeisterung für die NSDAP , ohne dass man die negativen Aspekte erkannte oder wahrhaben wollte: „Wir picken uns aus der Wirklichkeit immer nur das raus, was unsere Wünsche und Träume befriedigt.“

Schriftsteller Peter Prange (68) musste nach dem Vortrag viele Bücher signieren.       -  Schriftsteller Peter Prange (68) musste nach dem Vortrag viele Bücher signieren.
Foto: Sigismund von Dobschütz | Schriftsteller Peter Prange (68) musste nach dem Vortrag viele Bücher signieren.

Am Beispiel eines jüdischen Autokonstrukteurs, der von Hitler begeistert ist, hat dieser doch versprochen, jedermann den Kauf eines Autos zu ermöglichen, zeigt Prange, wie verführbar die Menschen sind, „wenn sie nur glauben, was sie glauben wollen“.

In rasantem Tempo

In Münnerstadt las Prange kaum und erzählt auch nicht nur daraus. Prange lebt seine Bücher: Temperamentvoll und in rasantem Tempo, das es den Zuhörern nicht immer leicht machte, inhaltlich zu folgen, ließ er die Jahre 1933 bis 1939 lebendig werden.

Es gelang ihm, die vielen Zwischentöne aufzuzeigen, die es zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Nazi-Gegnern und -Befürwortern gab. Prange wollte auch gar nicht allzu viel lesen, sondern Appetit auf die Lektüre machen.

„Wie es weitergeht, müssen Sie selbst lesen“, wandte er sich nach 90 Minuten an seine vom Vortrag faszinierten Zuhörer und entließ sie dann mit der Empfehlung: „Wenn Sie sich für Bücher interessieren, kaufen Sie nicht beim großen ’A’, sondern beim stationären Buchhandel .“

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