Eine Stecknadel kann ziemlich laut sein. Vor allem in einem Konzert , das nicht im typischen Ambiente eines Musiksaales stattfindet, sondern in einem Treibhaus. Der Boden dort hat seine Tücken, Betonabdeckungen, die leicht mal wackeln oder gar ein klirrendes Glas. Mehrere Stecknadeln hätten ein Konzert verursacht und dem Interpreten die Schau gestohlen. Aber so war es nicht.
Es war „Saitenpoesie“ im programmatischen Wortsinn, was Alexander Stöhr den Konzertbesuchenden im "else!3"-Treibhaus bot, Gitarrenmusik vom Allerfeinsten, abgestimmt auf die Raumbesonderheiten und eingestimmt von einem erwartungsfrohen Publikum. Die nicht wenigen Stammgäste unter den etwa 60 Zuhörerinnen und Zuhörer, waren sich des Spartenübergriffs bewusst. Das "else!3"-Kunstprojekt hat sich seit jeher auf die Fahnen geschrieben, die Vielfältigkeit in Musik und Kunst in momentanen Leerständen aufzuzeigen. In den ersten Wochen waren die Auftritte techno-elektronisch.
Lust am Live-Auftritt
Alexander Stöhr: „Ich habe sofort zugesagt als ich von 'else!' angefragt wurde“ auch, um den Projektgedanken mitzutragen. Er lebt seit einigen Jahren in Bad Königshofen und unterrichtet Konzertgitarre an der Musikschule in Schweinfurt, sowie an der Universität Würzburg . Derzeit spielt der 47-Jährige eher selten Konzerte , sondern arbeitet im Studio für CD-Aufnahmen oder komponiert. Es war die Lust am Live-Auftritt, was zu dem Konzert in Münnerstadt führte.
Er spielte eine Mischung aus Eigenkompositionen und Standards der großen Virtuosen der Gitarrenmusik . Es entwickelte sich ein Gesprächskonzert und es ist interessant, welche Anhaltspunkte Alexander Stöhr benennt, wie er zur Idee und zur Umsetzung einer Komposition kommt. Da ist zum Beispiel „Der Armbanduhrenmann“, erzählt nach einem Erlebnis mit einem Gitarren-Schüler „im reiferen Alter“, der gerne und umfangreich Armbanduhren sammelte und der seinem Lehrer eine wertvolle Gitarre kaufte, die sich der junge Stöhr noch nicht leisten konnte. Diese Komposition ist diesem großzügigen Herrn gewidmet. Oder „Im Rosengarten“, das Stück hat der Musiker der Stadt Sömmerda (Thüringen) gewidmet, da Rosen duften und manchmal stechen.
Wer Konzertgitarristen schon mal erlebt hat, hat oft Musizierende vor sich, bei denen die feingliedrigen Hände Voraussetzung scheinen für diese feinfühlige Musik. Alexander Stöhr hat mal Maler und Lackierer gelernt und viel in der Denkmalpflege gearbeitet. Sein Weg zum Konzert-Gitarrenspiel begann erst später und führte 2001 zum Diplom in Pädagogik und Konzertgitarre an der Hochschule für Musik in seiner Geburtsstadt München. Diese ehemaligen Handwerkerhände zaubern die Poesie der Saitenklänge ins Glashaus und lassen die Zeit vergessen.
Wärmende Poesie
Ob nun eine musikalische Widmung „Rondo per Gino“, für seinen Bruder zum Erklingen kommt oder gar die Rezitation eines Gedichts, dem Musikstück „Das kleine Licht“ vorgeschaltet ist, es bleibt ein Genuss.
Genauso wie eine Barock-Sonate aus Spanien von Matteo Albéniz (1755-1833) oder Partien vom Brasilianer Heitor Villa-Lobos (1887-1959) und natürlich ein Bossa von Baden Powell (1937-2000), dessen Liebeslied „So por amor“ (Nur für die Liebe) die allmählich aufkommende Kühle im Raum wundersam nachwärmte. Spürbar kalt wurde es erst, als das Konzert nach gut zweieinhalb Stunden mit zwei Zugaben ein Ende fand. Da war man versucht Alexander Stöhr zuzurufen: „Lassen Sie bitte ihr Publikum nicht alleine. Das Leben braucht wärmende Poesie“.
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