Es war längst dunkel geworden, als sich Pascal Kühne den Münnerstädter Schindberg hinaufquälte und einbog in den Parkplatz, wo sich Familie und Freunde eingefunden hatten, um ihn zu begrüßen. Er stieg von seinem Rennrad und stellte es ab. Jeder dachte an eine kurze Pause mit anschließender Weiterfahrt, aber da hatte der 26-Jährige das Rennen schon abgebrochen.
Gesundheitliche Probleme zwangen zur Aufgabe
Für das Ultracycling-Radrennen „Race across Germany“ (RAG) von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen hatte sich Pascal Kühne viel vorgenommen. Es war sein erstes RAG, seine Vorfreude war riesig. Sehr intensiv hatte sich der Ebenhäuser vorbereitet und sich ein starkes Team zusammengestellt. Aber gesundheitliche Probleme zwangen ihn zur Aufgabe. Schon eine Stunde vor der Ankunft am Schindberg meldete sich Kühne bei der Rennleitung ab, fuhr aber weiter, weil er seine Unterstützer nicht enttäuschen wollte.
725 Kilometer zeigte da sein Tachometer an, noch knapp 400 hätte er vor sich gehabt. Die norddeutsche Tiefebene hatte er bezwungen, den Harz und die Rhön; und doch musste er aufgeben. Ausgerechnet am Schindberg, vor dem er schon vor dem Rennen enormen Respekt hatte. „Der Schindberg war aber nicht die Ursache der Aufgabe, sondern ein gesundheitliches Problem“, sagt Pascal Kühne.
Plötzlich war Blut im Urin
Schon zwei Tage vor dem RAG hatte er seine Ernährung auf flüssige Nahrung umgestellt. Die Vorbereitung liefen gut und er fühlte sich gut. Der Start am Freitag um 8 Uhr war hervorragend, das Rennen begann bestens. „Mein Team musste mich sogar etwas bremsen, weil mein Schnitt so hoch war“, berichtet der 26-Jährige. Der Schock kam beim ersten Wasser lassen. „Plötzlich war Blut im Urin und ich war total geschockt“, so Kühne. Nach kurzer Beratung schwang er sich wieder aufs Rad und fuhr weiter.
Das Betreuerteam informierte sich medizinisch und gab zunächst Entwarnung. Später wurde die Flüssignahrung abgesetzt und zunächst nur Wasser getrunken. Zum Essen gab es Nudeln, aber eben keine flüssigen Electrolyte mehr. „Ich muss ja Energie zu mir nehmen, nur mit Wasser ist der Körper-Akku schnell leer“, erklärt Kühne. In der Nacht auf Samstag lief es ganz gut, doch die Gedanken schwirrten weiter in Kühnes Kopf. Ein kurzer Powernap um 3 Uhr sollte helfen.
Und dann zwickt das Knie…
Beim nächsten Toilettengang der nächste Rückschlag. Das Blut im Urin war noch da. Pascal Kühne legte sich am Samstagmorgen in das Begleitfahrzeug und hatte mit dem Rennen eigentlich schon abgeschlossen. Dann erinnerte er sich an die Abschiedsworte vom Rennleiter in Flensburg. „Er hat mir gesagt, ich hätte es wirklich verdient nach Garmisch-Partenkirchen zu kommen“, sagt Kühne. Also raffte sich der Ebenhäuser wieder auf und fuhr weiter. Das Team versuchte eine Urologin und Sportmedizinerin zu erreichen – was nicht gelang. Zweifel lösten die anfängliche Euphorie ab. Pascal Kühne wurde immer langsamer, und nun fing das Knie an zu zwicken. Kurz nach der Einfahrt in die bayerische Rhön meldete er sich beim Veranstalter und brach das Rennen ab.
Die Familie und Freunde ahnten nichts
Davon ahnten die Familie und seine Freunde am Schindberg zunächst nichts. Immerhin knapp 50 Personen hatten sich eingefunden, um Kraft zu spenden für die letzten knapp 400 Kilometer von insgesamt 1100 Kilometern. „Ich war mit meiner Leistung bis dahin wirklich zufrieden und wäre wirklich gerne weitergefahren, doch das Risiko war mir einfach zu groß“, sagt Pascal Kühne. Allmählich sprach sich die schlechte Botschaft bei den Unterstützern herum, die Trost spendeten und den Ebenhäuser wieder aufbauten.
Ein Schluck Bier musste sein, dann setzte sich Pascal Kühne wieder auf sein Rad, um nach Ebenhausen zu fahren. „Damit ich einen positiven Abschluss habe“, sagt er. Mit diesem Glücksgefühl, es von Flensburg bis in seinen Wohnort geschafft zu haben, will er es nächstes Jahr wieder probieren bei dieser extremen Herausforderung. Das Blut war einen Tag später wieder weg. Die Urologin und Sportmedizinerin hat inzwischen Entwarnung gegeben.