Wer von den Höhen der Rhön über das „Land der offenen Fernen“ blickt, erkennt den Unterschied sofort: Von hessischer Seite drängen sich etliche Windräder heran; im bayerischen Teil fehlen sie, zumindest im Nahbereich. Dieses Bild könnte sich in den nächsten Jahren angleichen. Der Planungsausschuss für die Region Main-Rhön hat sich am 21. März in Haßfurt auf Bahnbrechendes verständigt.
Bisher nur Windkraft in Vorranggebieten und auf Vorbehaltsflächen
Der Landkreis Bad Kissingen gehört zur Region 3, die auch Stadt und Landkreis Schweinfurt sowie die Landkreise Rhön-Grabfeld und Haßberge umfasst. Bisher folgten der Regionale Planungsverband und die für ihn tätigen Fachplaner der Regierung von Unterfranken (RUF) einem klaren Grundsatz: Nur wo im Regionalplan Vorrang- oder Vorbehaltsflächen dafür ausgewiesen sind, dürfen Windräder stehen. Und selbst das machte oft die bayerische 10-H-Abstandsregel zunichte.
10-H-Regel ist entschärft
Letztere ist vor wenigen Monaten auf Drängen des Bundes entschärft worden. Und auch in der Region 3 scheint die strikte „Ausschluss-Planung“ passé.
Denn im Sinne der Energiewende soll in Main-Rhön mehr Windkraft möglich werden. Wegen Klimaschutz und Energieunabhängigkeit gibt der Bund Bayern vor, bis 2032 mindestens 1,8 Prozent seiner Fläche für Windenergie bereitzustellen. Das vorgegebene Zwischenziel von 1,1 Prozent bis 2027 hat Main-Rhön schon jetzt erreicht.
Positiv-Planung statt Ausschluss von Gebieten
„Neben der Überführung und gegebenenfalls Vergrößerung bestehender Windgebiete sollen im Konsens mit den Gemeinden neue Vorranggebiete ermittelt und im Regionalplan festgelegt werden, um das Flächenziel von 1,8 Prozent + x bis 2032 zu erfüllen“, heißt es. „Positiv-Planung“ lautet die Devise.
Das bedeutet, dass die Fachplaner der Regierung in nächster Zeit eine „Suchkulisse“ mit „weitgehend restriktionsfreien Standorträumen“ erarbeiten. Bei der Auswahl dieser Räume wird genau geprüft, ob und welche Belange einer Windkraftnutzung entgegenstehen.
Bewertung nach Katalog mit Kriterien
Die Bewertung geschieht nicht willkürlich. Bei der Sitzung des Planungsausschusses stellte Regionsbeauftragte Stefanie Mattern einen Kriterienkatalog vor. Darin enthalten 50 Nutzungs- und Schutzbelange, zum Beispiel aus den Themenfeldern „Siedlungsgebiete“, „Natur-/ Artenschutz “, „Wald“ „Wasser“, „Landschaft“ und „Infrastruktur“. Diese werden in drei Raumwiderstandsklassen (RWK) eingeteilt.
In Kategorie I und II fallen Flächen, die für Windkraft ungeeignet sind oder wegen zu hohen Konfliktpotenzials mit anderen Belangen „vorsorgend aus planerischen und fachlichen Gründen nicht für die Festlegung von Vorranggebieten herangezogen werden“.
Kreuzberg bleibt windradfrei
Demnach dürften die Schwarzen Berge und der Kreuzberg weiter windradfrei bleiben. Dort steht der Naturschutz – insbesondere die Kernzonen des Biosphärenreservats – und die touristische Nutzung Windrädern im Wege. Auch dürfen Anlagen nicht weiter als 800 Meter an Wohngebiete heranrücken; bei zentralen Orten betrüge der Abstand mindestens 1000 Meter.
Spannend wird es bei der RWK III. Sie finden auf Flächen Anwendung, die für Windkraft grundsätzlich oder bedingt geeignet wären, aber Konflikte mit anderen Nutzungen und Schutzbelangen auftreten können.
Eigeninitiative von Städten und Gemeinden willkommen
In Kategorie III beziehungsweise die Suchkulisse für Windenergiegebiete könnte laut Stefanie Mattern von der Höheren Landesplanungsbehörde der Regierung in Würzburg der Roßbacher Forst im Nordwesten des Landkreises fallen.
Und noch etwas ist neu im Konzept der Regionalplaner: Die Eigeninitiative von Städten und Gemeinden soll stärker gefördert werden. „Neben den bisherigen Vorranggebieten für Windenergie soll es Flächen geben, wo Städte und Gemeinden zusätzlich etwas machen können“, sagt Mattern.
In den Kriterienkatalog noch nicht abschließend eingeflossen sind militärische Belange und der Artenschutz . Ihre Handhabung müsste auf Bundesebene geklärt werden.
Auftrag an Regionalplaner
Überhaupt hat der Planungsausschuss Main-Rhön noch nichts beschlossen. Die Mitglieder beauftragten die Regionsbeauftragte Stefanie Mattern lediglich, „auf Grundlage des Kriterienkatalogs die Suchkulisse für geeignete Vorranggebiete zu ermitteln und den Städten und Gemeinden sowie den jeweiligen Landkreisen vorzustellen“.
Der Roßbacher Forst bei Zeitlofs wird indes wegen seiner großen Windergiebigkeit und relativen Abgeschiedenheit von Wohnsiedlungen immer interessanter für Projektentwickler von Windparks. So möchte die „€-Co-Partner Peter Richnow, Klaus-Dieter Giese Co. GbR“ aus Eberswalde dort gerne bis zu 19 Windräder errichten. Doch wäre das nach der angestrebten „Positiv-Planung“ des Regionalen Planungsverbandes Main-Rhön (siehe 4) überhaupt möglich? Die Antwort lautet: eher nein.
Windkraftanlagen im Roßbacher Forst bisher ausgeschlossen
Nach dem seit 2014 gültigen Regionalplan sind Windanlagen im Roßbacher Forst ausgeschlossen. Das liegt zum einen daran, dass dort ein Landschaftsschutzgebiet (LSG) besteht. Zum anderen sind dort im Planwerk keine Vorrang- oder Vorbehaltsflächen für Windkraft ausgewiesen. Bisher ist außerhalb solcher Flächen in der Region Main-Rhön kein Windrad möglich.
In naher Zukunft sollen LSG aber keine Ausschlusskriterien für Windkraft mehr sein. Vielmehr würden die dortigen Flächen einer Einzelfallprüfung unterzogen. „Für den Roßbacher Forst bedeutet das, dass er möglicherweise in die Suchkulisse für Windenergiegebiete aufgenommen werden kann“, teilt die Höhere Planungsbehörde der Regierung von Unterfranken auf Anfrage mit.
Privater Investor eher außen vor
Dass ein privater Investor bald in dem großflächigen Waldgebiet seine Windparkträume ohne Rücksicht auf die Anrainer verwirklicht, wird indes nicht möglich sein. Dafür müsste der Regionale Planungsverband laut Regierung im Regionalplan bei der geplanten Fortschreibung Vorranggebiete für Windkraft ausweisen.
Bevor er das tue, stünden genaue Untersuchungen nach einem feststehenden Kriterienkatalog an. Auch mit Naturschützern und den Verantwortlichen umliegender Gemeinden werde gesprochen.
Übrigens kann auch keine Gemeinde im Roßbacher Forst eigenständig ein Windkraftprojekt planen. Denn dieser ist gemeindefreies Gebiet, wo Kommunen keine Bauleitplan aufstellen und so einen Windpark ermöglichen können. Falls aber einer oder mehrere Eigentümer auf dann ausgewiesenen Flächen ein solches Projekt angeht, können sie sich daran beteiligen oder nur im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ihre Argumente einbringen. Die würden dann abgewogen und berücksichtigt.
Mehr zu den Entwicklungen im Roßbacher Forst lesen Sie hier: