Da haben sich wirklich drei gefunden, die sich nichts schenken, die alle drei einen starken Behauptungswillen haben und dadurch Kammermusik auf einem enorm hohen Niveau spielen: die Geigerin Veronika Eberle , der englische Cellist Steven Isserlis und die kanadische Pianistin Connie Shih. Die das Prinzip der absoluten Gleichberechtigung praktizieren.
Glasklar und durchdacht
Obwohl das nicht ganz stimmt. Denn die Sonate für Violine und Basso continuo c-Moll op. 6 Nr. 5 von Pietro Antonio Locatelli, mit der die Sonntagsmatinee im Rossini-Saal begann, ist noch die gute alte barocke Basso-continuo-Musik, in der das Cembalo beziehungsweise in heutigen Tagen auch das Klavier vor allem die Funktion hat, für die Violine ein harmonisch-rhythmisches Fundament zu liefern, also eine dienende Funktion. Aber natürlich haben auch Diener einen Charakter. Bei Connie Shih zeigte der sich in einem glasklaren Anschlag, der allerdings nicht den Eindruck erwecken wollte, als sei der Flügel ein verkapptes Cembalo, sondern der den Klang in die Modernität holte. Zurückhaltend-präsent könnte man ihr Spiel nennen und absolut genau, was der Violine kalkulierbare Freiräume verschaffte.
Dynamische Verläufe
Und die nutzte Veronika Eberle in dieser dreisätzigen Sonate der ansteigenden Geschwindigkeiten. Im Andante konnte man sich als Zuhörer sozusagen erst einmal einhören in ihre außerordentlich durchdachte Interpretation, die mit ausgezeichneten Akzentuierungen und dynamischen Verläufen arbeitete, in die äußerst effiziente Bogenführung, mit der Veronika Eberle die Verzierungen nahtlos in den melodischen Fluss integrierte, in die plastische Dynamik und Farbigkeit der Klänge. So war man dann nicht überrascht, wie mühelos sie mit der steigenden Virtuosität der folgenden Sätze klarkam, wie sie sich ihre mitunter improvisatorisch wirkende Frische und Lockerheit bewahrte, wie sie jeden Eindruck der Etüdenhaftigkeit vermeiden konnte. Nein, Locatelli kann auch spannend sein. Ludwig van Beethoven , der mitunter als Erfinder der Cellosonate gilt, ging den umgekehrten Weg.
Auf Augenhöhe
Er emanzipierte das Violoncello von seiner Aufgabe, den damals noch ziemlich bassschwachen Klavieren in der Tiefe mehr Substanz zu geben. Connie Shih und Steven Isserlis konnten bei der A-Dur-Sonate op. 69, der dritten der insgesamt fünf Cellosonaten , jetzt wirklich auf Augenhöhe musizieren. Steven Isserlis überraschte gleich mit dem ersten Ton, einem ganz weichen, schwer zu fassenden Klang, mit dem er sich, zunächst allein, in die Musik hineinsang. Als sich Connie Shih ebenso delikat, aber auch sehr entschieden einschaltete, wusste man, dass man sich auf größere Auseinandersetzungen einstellen konnte. Und die gab es auch sehr schnell mit dem Hereinbrechen des deftigen zweiten Themas, in dem sich die beiden provozierend vorwärtstrieben.
Stimmungsbilder erzeugt
Da war plötzlich eine enorme Kraft im Spiel, die eine Spannung erzeugte, die durch die ganze Sonate trug. Was aber wirklich verblüffte, war, vor allem im Andante cantabile, die Fähigkeit, in den Klangfarben und Stimmungen aufeinander zuzugehen und faszinierende, bestens ausgehörte Stimmungsbilder zu erzeugen. Das war der Aufbau von Spannungen bis in ziemliche Extreme bis in ein Toben hinein, das kompromisslose Virtuosität verrät, aber auch eine fabelhafte Absprache. Und dann wieder, wie im zweiten Satz, in dem das Cello eine wunderschöne Melodie singt, und das Klavier, sich im Hintergrund haltend, damit beginnt, nervöse Spannung zu erzeugen. Klar, dass die sich auchg wirkungsmächtig entladen müssen. Das Finale wirkt wie eine Zusammenfassung: Ein wunderschönes gemeinsames Singen, das schon deutlich auf die Romantik hinweist, wandelt sich in ein tänzerisches Thema mit virtuosen Läufen, etwas eckigen Rhythmen und harmonischen Überraschungen und mündet in eine extrem intensive Coda. Kammermusik muss nicht immer gemütlich sein.
Keine müden Kompromisse
Und dann, durchaus erwartbar, Franz Schuberts berühmtes Klaviertrio Es-Dur op. 100, eines der berühmtesten Klaviertrios überhaupt und ein echter Prüfstein. Und man ahnte, was kommen würde. Denn jetzt waren es drei, die keine müden Kompromisse machen wollten. Auch hier zeigte Connie Shih vom ersten Ton an ihre Präsenz und damit vor allem die Bedeutung des Klaviers, das oft eher im Hintergrund bleiben muss, um die Streicher nicht zu bedrängen. Aber Veronika Eberle und Steven Isserlis sind halt keine Streicher, die man ernsthaft bedrängen kann. Und deshalb bekam auch dieses Trio eine enorme Kraft, sinfonische Kraft, die Schubert auch in seiner Kammermusik suchte.
Wunderbare Phasen
Auf der einen Seite waren auch hier die wunderbaren singenden Phasen, in denen die beiden Streicher ganz fantastische, vollkommen ungewohnte Klangfarben entwickelten – wie etwa beim Einstieg in das Andante con moto, in dem man sich plötzlich in der gefrorenen Welt von Schuberts „Winterreise“ wähnte, die sich durch eine etwas verrutscht wirkende Tanzmelodie langsam wieder erwärmte. Und schon im nächsten Satz das launische Zuspielen von melodischen Bällen. Da hatten die drei ein durchgehendes Konzept der vitalen Kontraste entwickelt, das wirklich die Extreme ausreizte, das eine enorme Spannung verursachte.
Es hätte noch mehr sein können
Und obwohl sie absolut perfekt miteinander spielten, gleichsam denselben Atem hatte, bekam man manchmal den Eindruck, dass sie in ihrem Spiel auch das eine oder andere ausprobierten. Wenn man so gut aufeinander eingestellt ist, kann man das machen. Man sollte es auch. Robert Schumann hat einmal von „Schuberts himmlischen Längen“ geschrieben. Es hätten noch ein paar mehr sein können.
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