
Zwei starke Frauen , die schon in der Antike bekannt oder berühmt waren und deren Namen bis heute nichts von ihrem Kribbeln verloren haben: Dido und Kleopatra , zwei starke Frauen , die Macht hatten und dennoch an ihr gescheitert sind, zwei Frauen , die die Männer um den Finger wickeln konnten, was ihnen letztlich alles nichts nützte. Denn beide sind keines natürlichen Todes gestorben, sondern haben Selbstmord begangen: Kleopatra ließ sich von einer giftigen Schlange beißen, bei Dido gibt es verschiedene Varianten.
Spielraum für Varianten
Das ist kein Wunder, denn im Gegensatz zu Kleopatra , die eine real existierende Person der Zeitgeschichte war, ist Dido eine Erfindung der Mythologie. Und da ist viel Spielraum für Varianten, unter anderem das Sich-ins-Schwert-Stürzen oder ein Sprung ins Feuer. Auf jeden Fall reichlich Stoff für eine „Veroperung“. Und die Komponisten der Barockzeit mit ihrer Vorliebe für drastische Stoffe haben von dem Angebot reichlich Gebrauch gemacht. Über 100 Opern über die beiden Damen sollen in dieser Zeit entstanden sein. Da liegt es natürlich nahe, der Sache mal auf den Grund zu gehen und zu erforschen, was da so alles entstanden ist.
Namen, die man nicht täglich hört
Genau das haben die Sopranistin Anna Prohaska und das Ensemble Il Giardino Armonico 2016 getan: Sie haben sich hingesetzt, haben das reichliche Material gesichtet und gewichtet und haben daraus eine CD unter dem Titel „Serpent & Fire“ produziert. Und mit diesem Programm gastierten sie jetzt im Kurtheater. Natürlich sind die Italiener mit Antonio Sartorio, Daniele Da Castrovillari, Dario Castello und Francesco Cavalli in der Mehrheit, aber es gab, dafür zum Teil gleich mehrfach mit Henry Purcell einen Engländer und mit Christoph Graupner, Johann Adolph Hasse und Georg Friedrich Händel drei Deutsche – obwohl Händel, als er „Giulio Cesare in Egitto“ schrieb, bereits in London war. Nicht alles Namen, denen man täglich begegnet.
Höchst eindrucksvoll
Das Ergebnis war höchst eindrucksvoll, was nicht ganz überraschend ist. Denn Anna Prohaska ist eine ausgezeichnete Barocksängerin (auch wenn sie in der Moderne genauso zuhause ist). Dass sie außerordentlich präzise ist in der Intonation, auch wenn sie sich in komplizierte Verzierungen begibt, die nicht eigens notiert sind, aber im Barock zumindest erwartet wurden, muss man nicht eigens erwähnen. Aber sie singt ein wunderbares messa di voce, ein An- und Abschwellen der Stimme zur Intensivierung des Klanges und der Emotionalität, sie singt immer genau am Text entlang, gestaltet mit ihrer Stimme fantastische Stimmungsschwankungen: mal abgrundtief verletzt, verzweifelt, enttäuscht, mal schrill empört, mal aussichtslos verliebt oder auch nicht aussichtslos – Anna Prohaska kann die Ebene hinter den Texten wunderbar abbilden, kann sich zu Dido oder Kleopatra machen.
Lebendiger Klang der Instrumente
Und dazu ein Septett von Il Giardino Armonico. Natürlich könnte man sagen, dass die einfache Besetzung jeder Stimme die kostengünstigste Lösung ist. Aber in der konzertanten Situation ist sie auch die beste. Denn die Musik wird ungemein durchhörbar; es können sich auch Instrumente durchsetzen wie die leise Laute. Und der Klang der fünf Streicher wird nicht pastos, sondern bewahrt sich seinen etwas spröden Klang der Barockinstrumente, wirkt dadurch lebendiger. Zumal die „Giardinisti“ mit ihrer sehr engagierten, sehr stark auf Artikulation ausgerichteten Spielweise diese Lebendigkeit beförderten. In den Arien sangen sie sozusagen mit, in den eingestreuten Instrumentalsätzen zeigten sie, dass die Barockmusik nicht nur für große Gefühle, sondern auch für Humor und Spielfreude stehen kann. Also insgesamt eine höchst interessante Sache.
Moderation wäre schön gewesen
Aber war sie das wirklich? Wenn man den musikwissenschaftlichen Anspruch des Programms betrachtet, dann sicher ja. Aber es ist nicht ganz unproblematisch, ein CD-Programm in die Konzertsituation zu übertragen. Zumal eines erschwerend hinzukam: der finstere Theatersaal. Wer das Programm nicht vorher schon einigermaßen kannte, war der Beschallung ziemlich hilflos ausgeliefert, konnte weder die Titel noch die abgedruckten Texte mitlesen und so die Höreindrücke an den Namen festmachen. Oder erkennen, ob da gerade Dido oder Kleopatra sang. Einfachste Abhilfe wäre, das Licht im Saal nicht ganz herunterzudimmen. Noch schöner wäre, bei diesem – im positiven Sinne – akademischen Programm den Saal dunkel zu lassen, aber dafür die Zuhörer mit ein bisschen Moderation an die Hand zu nehmen. Da ließe sich viel rüberbringen. So war es ein Klangrausch, aber ein wunderbarer.
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