Jährlich werden laut Sabine Rhein-Wolfmehrere hunderttausend Menschen durch eine erworbene Hirnschädigung von einer Sekunde auf die andere aus ihrem bisherigen Leben gerissen. „Die Ursachen hierfür sind so vielfältig wie die Menschen selbst“, gab Rhein-Wolf zu bedenken. Schlaganfälle, Unfälle mit schweren Schadelhirntraumen, Aneurysmen (Arterienerweiterungen) im Gehirn, Tumore oder Erkrankungen könnte zu solchen Hirnschädigungen führen.
Rhein-Wolf ist Organisatorin des neurologischen Fachtages in Maria Bildhausen, der unter dem Motto „Am Leben teilhaben“ stand. Durchgeführt wurde die Veranstaltung vom Dominikus-Ringeisen-Werk in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Schädel-Hirn-Verletzter – Forum Gehirn e.V. Schwerpunkt des Fachtags war die ambulante Nachsorge in einem Tageszentrum. Durch Vorträge und Diskussionsforen konnten sich die Teilnehmer ein Bild über die neueste wissenschaftliche und therapeutische Erkenntnisse machen. Neurologen, Neuropsychologen und Therapeuten beleuchteten das Thema von verschiedenen Seiten. Auch Betroffene und Angehörige beteiligten sich an der Diskussion.
Weiter Weg zu Therapien
„Wir wollen unter anderem darauf aufmerksam machen, wie schwierig gerade die Nachsorge in diesem Bereich sein kann“, meinte Rhein-Wolf. So hätten die Betroffenen im nordbayerischen Raum kaum Ansprechpartner. „Nach der Akutphase, die in der Intensivstation im Krankenhaus kuriert wird, sind die Angehörigen und die Betroffenen oft alleingelassen“, weiß Ingrid Zoeger zu berichten, deren Mann selbst von einer Schädel-Hirn-Verletzung betroffen ist. Oft würden die Betroffenen aus dem alltäglichen Leben herausgerissen, da sie Therapien in weit entfernten Gegenden antreten müssten. Auch der anschließende Aufenthalt in einer Einrichtung für behinderte Menschen sei oft keine Lösung.
„Gerade wenn Betroffene im Berufsleben anspruchsvollen Tätigkeiten nachgingen, ist dies schwierig“, weiß Rhein-Wolf. Betroffene wie beispielsweise der Mann von Ingrid Zoeger, Harti Zoeger, der im Berufsleben Ingenieur war, könne durchaus noch der alten Tätigkeit nachgehen. „Allerdings sind hier mehr Pausen nötig, da sich Betroffene nicht einen ganzen Arbeitstag lang konzentrieren können“, sagt Ingrid Zoeger. Die Rückführung in den Berufsalltag sei deshalb nicht so ohne weitere möglich.
„In jedem Jahr kommen rund 270 000 neue Schädel-Hirn-Verletzte hinzu“, sagt Rhein-Wolf. Durch verbesserte Operationsmethoden überlebten glücklicherweise viel mehr Betroffene als früher, die aber auch einer Nachversorgung bedürften. Deshalb soll in Bad Neustadt ein Tageszentrum für Menschen mit erworbener Hirnschädigung entstehen, das im 1. Quartal 2015 eröffnet werden soll.
„Tagsüber werden hier die Menschen gut betreut und gefördert, ohne dauerhaft den Familien- und Freundeskreis verlassen zu müssen“, sagt Rhein-Wolf. Größtmöglichste Flexibilität sei durch ein variables Buchungssystem gegeben. „So wollen wir gewährleisten, dass Menschen mit erworbener Gehirnschädigung weiter im gewohnten Umfeld bleiben können, ohne auf umfassende Betreuung verzichten zu müssen“, sagt Rhein-Wolf. Denn diese Menschen sollen auch „weiter am Leben teilhaben“ können.