
Es sind dramatische Zahlen, die Ute Dohmann-Bannenberg vom Verein Caritas-Behindertenhilfe und Psychiatrie am Münnerstädter BBZ vorlegte. Bis zum Jahr 2033 wird ein Viertel aller in der Heilerziehungspflege (HEP) tätigen Fachkräfte in den Ruhestand gehen. Dabei fehlt das Personal in den Einrichtungen schon jetzt. Dass es bei diesem Berufsbild Verbesserungsbedarf gibt, darüber waren sich die Gäste einig, die am BBZ an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Zukunft der Heilerziehungspflege - raus aus dem Engpass!" teilnahmen.
Was stimmt nicht?
Bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen sind wichtige Forderungen, die der stellvertretende Schulleiter Christian Zintl von seinen Schülern hört. Das sei kein Jammern, sondern der Hinweis: "Da stimmt was nicht."
Auf dem Podium saß Franziska Then (Schülerin im letzten Ausbildungsjahr). Sie habe sich ganz bewusst für diesen Beruf entschieden, mag ihn sehr und könne ihn trotzdem nicht vorbehaltlos empfehlen. Problem ist die Personalnot. Als Auszubildende werde sie im Betrieb als vollwertige Fachkraft gebraucht und eingesetzt. "Die Schule muss nebenher laufen". Ute Dohmann-Bannenberg fordert deshalb eine bundesweite Vereinheitlichung der Ausbildungsrichtlinien, um die Auszubildenden zu entlasten.

Verbesserung kommt
Diese Verbesserung wird in Bayern kommen, betonten Staatssekretär Sandro Kirchner und Christine Hefer vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Vertreter des BBZ hatten sich wegen einer Verbesserung der Ausbildungsmodalitäten an Kirchner gewandt. Die Politik habe reagiert, erläuterte Kirchner. Ab September wird es in Bayern einen Schulversuch für eine einheitliche Ausbildung geben. Der Einstieg in die Ausbildung wird erleichtert. Auch eine geregelte, tarifliche Vergütung gehört dazu. Dann müsse aber die Refinanzierung dieser Kosten für die Einrichtungen gewährleistet sein, kam ein Einwurf aus dem Zuhörerkreis.
Das BBZ ist beim Schulversuch dabei. Ziel ist es, mehr Leute für den Beruf zu gewinnen, ihnen die Freude an diesem Beruf zu vermitteln und sie nicht in der Ausbildung zu überfordern. "Azubis müssen Azubis sein dürfen", so Christine Hefer.
Wohnortnahe Ausbildung
Von schulischer Seite müsse die Ausbildung attraktiver werden, fand der Geschäftsführer der Caritas Schulen GmbH, Rudolf Hoffmann. Deshalb begrüßte er den Schulversuch. Wichtig seien kurze Anfahrtswege zur Schule, so Landrat Thomas Bold. Der Landkreis habe aus diesem Grund vor zehn Jahren die Gründung der Fachschule mitgetragen.

Engpässe sind alltäglich
Mariella Groß und André Holzschuh sprachen in der Podiumsdiskussion für den Kreis der Menschen, die in der Behindertenpflege betreut werden und sich Sorgen über ihre Zukunft machen, sollte der Personalengpass in den Einrichtungen nicht gestoppt werden. Sie habe "tierische Angst", dass schlimmstenfalls das Wohnheim geschlossen werden müsste, erklärte die junge Frau.
Die stellvertretende Einrichtungsleiterin des Dominikus-Ringeisenwerkes Unterfranken, Julia Herrmann, sagte dazu: "Ohne Personal stehen wir vor Schließungen". Die Einrichtungen stünden täglich vor dem Personalmangel.
Zu viel Bürokratie
Der Geschäftsführer der Lebenshilfe Bad Neustadt, Jens Fuhl, saß im Publikum und kritisierte die Bürokratie. Das neue Heimgesetz werde das Problem noch verstärken. "Die Leute verlieren ihren Spaß am Beruf. "Wir verwalten uns ohne Ende". Ins gleiche Horn stieß Bezirksrat Martin Wende auf dem Podium. "Wir müssen die Bürokratie verkleinern". Immer neue Standards und Zertifizierungen hielt er für kontraproduktiv. "Wir müssen es schaffen, dass die Leute am Menschen ihre Arbeit machen können".

Zu hohe Standards?
Diskutiert wurde, ob es neben der qualifizierten und langen HEP-Ausbildung eine niederschwellige, kürzere Lehre geben sollte. In Nordrhein-Westfalen, erfuhren die Gäste, gibt es diese Möglichkeit bereits. Sozialassistent, Fachbereich Heilerziehungspflege, nennt sie sich dort. Landrat Thomas Bold erklärte, dass die Ansprüche an die Qualifizierung zum Problem würden, wenn dadurch nicht genügend Fachkräfte ausgebildet werden. In einem niederschwelligem Ausbildungsangebot sieht er die Möglichkeit, Menschen mit Migrationshintergrund an diesen Pflegeberuf heranzuführen. "Es bringt nichts, wenn der Perfektionismus nur einem kleinen Teil nutzt und der Rest auf der Strecke bleibt."
Umfeld zum Wohlfühlen
Die Heilerziehungspflegerin und Azubi-Mentorin Sabrina Seubert hält gute Arbeitsbedingungen für enorm wichtig. Es gehe darum, einen Arbeitsplatz anzubieten, an dem man sich wohlfühlt. Dazu gehört für sie auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Freizeit.

Ute Dohmann-Bannenberg setzt auf Kommunikation. "Wir müssen sichtbar werden; es ist ein toller Beruf". Deshalb gibt es am 15. April einen bundesweiten Aktionstag für die Heilerziehungspflege. Alexandra Elbert von der Agentur für Arbeit Schweinfurt begrüßte die Initiative. Sie würde gerne mehr über das Berufsbild informieren.
Auf einem guten Weg
BBZ-Schulleiter Georg Gißler zeigte sich optimistisch, dass die HEP auf einem guten Weg ist. "Wir müssen an Stellschrauben drehen, aber es wird klappen". Der Optimismus wird genährt durch ein gewachsenes Interesse an der Hep-Ausbildung am BBZ. 25 Männer und Frauen - so viele wie noch nie - haben die Absicht, im September eine Ausbildung in dieser Berufsrichtung zu beginnen, so Christian Zintl.
