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Bad Brückenau
Barrierefreier Wohnraum: Die Nachfrage in Bad Brückenau ist groß, aber das Angebot gering
Nicht nur Menschen mit einer Gehbehinderung oder Krankheit sind auf barrierefreie Wohnungen angewiesen, auch ein Blick auf die ältere werdende Gesellschaft zeigt: Wohnungen, die barrierefrei sind, braucht nicht nur Bad Brückenau.
Treppen werden zum Beispiel im Alter schnell zu Hindernissen. Symbolbild: Nicolas Armer, dpa       -  Treppen werden zum Beispiel im Alter schnell zu Hindernissen. Symbolbild: Nicolas Armer, dpa
| Treppen werden zum Beispiel im Alter schnell zu Hindernissen. Symbolbild: Nicolas Armer, dpa
Rebecca Vogt
 |  aktualisiert: 17.08.2022 11:10 Uhr

Ein Appell für mehr Barrierefreiheit beim Wohnungsbau : Auf der jüngsten Bad Brückenauer Stadtratssitzung brachte Heribert Übelacker ( CSU ) das Thema Barrierefreies Wohnen zur Sprache. Als Referent für Senioren und Vorsitzender des Seniorenbeirats fällt dieses in seinen Aufgabenbereich. Ihm ist es nach eigener Aussage ein Anliegen, dass die Stadt , aber auch die einzelnen Stadträte Werbung dafür machen, dass barrierefrei "oder zumindest barrierearm" gebaut wird.

Es bestehe ein "unheimlich großer Bedarf" an barrierefreiem Wohnraum , berichtet Übelacker. "Ich werde im Moment - das ist natürlich nur ein persönlicher Eindruck - oft deswegen angesprochen", sagt er. Der hohen Nachfrage stehe allerdings quasi kein Angebot gegenüber. "Mir ist natürlich klar, dass das Bauen barrierefreier Wohnungen einen hohen zusätzlichen Aufwand bedeutet."

Ideen um barrierefreies Bauen und Wohnen voranzubringen

Er habe verschiedene Ideen, das Thema anzugehen, berichtet Stadtrat Übelacker auf Anfrage. Diese reichten von einer finanziellen Unterstützung bis hin zu einer Plattform, über die Bauherren gebündelt Informationen abrufen können sollen - zum Beispiel zu planerischer oder finanzieller Beratung.

Da Bauvorhaben meist in privater Hand sind, kann die Stadt insgesamt nur bedingt einwirken, was das Schaffen barrierefreier Wohnungen betrifft, wie Hauptamtsleiter Michael Worschech auf Nachfrage bestätigt. Tauchen indes bei der Stadt selbst Fragen in puncto Barrierefreiheit auf, lasse man sich von Andreas Knüttel, einem Mitglied der Multiple-Sklerose-Selbsthilfegruppe, beraten.

Bad Brückenau sei in Sachen barrierefrei Leben schon besser aufgestellt als andere Regionen im Landkreis, sagt Übelacker. "Das heißt aber nicht, dass wir jetzt stehen bleiben können." Man müsse die Barrierefreiheit weiter voranbringen.

"Rhön barrierefrei" erkundet und erarbeitet Touren im Biosphärenreservat

Die Barrierefreiheit voranzubringen, ist auch Daniel Alt ein Anliegen. Vor 30 Jahren wurde bei Alt Multiple Sklerose diagnostiziert. Zusammen mit seiner Frau steht er hinter der Initiative "Rhön barrierefrei", welche barrierefreie Touren, aber beispielsweise auch barrierefreie kulturelle Angebote im Biosphärenreservat Rhön zusammenträgt. Das Ganze soll am Ende gesammelt in einem Reiseführer erscheinen.

Das Thema Barrierefreies Wohnen spielt bei Alt eher untergeordnet, aber zwangsläufig auch eine Rolle. Vor seiner Wohnung ist ein Lift installiert, der ihn und seinen Rollstuhl gut einen halben Meter nach oben heben kann, um die Distanz zwischen dem Eingangsbereich der Wohnung und der Garage zu überwinden.

Der frühere Immobilienmakler bestätigt, dass auf dem Wohnungsmarkt nur vereinzelt barrierefreie Angebote zu finden seien. Er berichtet von seinen Erfahrungen bei der Vermarktung. Als beispielhaftes Projekt nennt er die Eigentumswohnungen, die am ehemaligen Sitz des Seniorenstifts Waldenfels entstanden sind. "Das war für mich völlig easy, weil ich bis an die Wohnungstüren fahren konnte mit dem Rollstuhl", erinnert sich Alt.

Dringender Handlungsbedarf bei der Barrierefreiheit

Auch Kulturamtsleiter Jan Marberg, der 2020 als Bürgermeister kandidierte, hat sich das Thema Barrierefreiheit nach wie vor auf die Fahnen geschrieben, wie er erklärt, "da es schlicht dringenden Handlungsbedarf gibt". "Zentrale Frage ist für mich: Wie gelingt Gesellschaft?", erklärt er und weiter: "Wie können wir dazu beitragen, dass sich möglichst alle Menschen, egal welcher sozialen Gruppe sie sich primär zuordnen, in ihr geborgen fühlen - im Sinne von akzeptiert und wahrgenommen?"

Marberg weist zudem darauf hin, dass man - während in erster Linie von Menschen gesprochen werde, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind oder an einer Gehbehinderung leiden - Menschen mit anderen Einschränkungen, etwa in puncto Sehen oder Hören, nicht vergessen dürfe.

Definition "Barrierefreiheit": "Barrierefreiheit umfasst mehr als Rampen, abgesenkte Bordsteine oder die Tonsignale an der Ampel", erklärt der Sozialverband VdK im Internet auf seiner Website www.weg-mit-den-barrieren.de . Barrierefreiheit bedeute, dass alle Aspekte des Lebens so gestaltet sein müssten, "dass sie die Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigen und damit auch von Menschen mit dauerhaften körperlichen, seelischen, kognitiven oder Sinnesbeeinträchtigungen genutzt werden können". Diese Maßgabe gelte "für öffentlich zugängliche Gebäude, Wohnungen und medizinische Einrichtungen ebenso wie für Verkehrsmittel , Straßen und Plätze". Barrierefreiheit müsse aber auch in Informations- und Kommunikationsmedien geschaffen werden.

Demografischer Wandel macht barrierearmes Bauen und Wohnen immer wichtiger

Barrierefreie Wohnungen sind in Bad Brückenau , genauso wie in ganz Deutschland, ein knappes Gut. Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum , denn es gibt hierzulande immer mehr ältere Menschen . Stichwort: Demografischer Wandel. So hat etwa die Zahl der Menschen mit einem Lebensalter von 67 Jahren oder mehr zwischen 1990 und 2018 um 54 Prozent zugenommen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht. In Zahlen ist das ein Sprung von gut 10 auf knapp 16 Millionen Menschen.

Das Bundesamt berechnet voraus, dass der Anteil der Menschen ab 67 in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Demgegenüber steht eine andere Zahl, die das Bundesamt 2018 vorlegte: 85 Prozent aller Seniorenhaushalte haben keinen stufenlosen Zugang zur Wohnung . "Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung gewinnt auch das barrierearme und somit altersgerechte Wohnen an Bedeutung", erklärte das Bundesamt dazu in einer Pressemitteilung.

 
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