
Sinntalbahn ist Wolfgang Weller früher gern gefahren. Dabei bewunderte der gebürtige Brückenauer stets den " Bahnhof Bad". 36 Jahre nach Einstellung des regulären Personenverkehrs auf der Strecke Jossa - Wildflecken hat der heute 55-Jährige das Areal im Staatsbad samt Empfangsgebäude erworben. Er hat Interessantes damit vor.
Anzeige auf Immobilienportal
Dass die Betreiber des Rhönstübchens das Objekt oberhalb ihrer Gaststätte verkaufen wollen, war schon vor mehr als einem Jahr durch eine Anzeige auf einem Immobilienportal bekannt geworden. Zwei Interessenten soll es dem Vernehmen nach gegeben haben, einer mit der Absicht, den historischen Bahnhof abzureißen, der andere mit noch unbekannten Vorstellungen, was damit geschehen soll.
Ferienwohnungen und Plätze für Wohnmobile
Wolfgang Weller war offensichtlich nicht darunter. Der Architekt wollte den Bau vom Ende des 19. Jahrhunderts auf jeden Fall erhalten - zumal er als Denkmal eingetragen ist. Der Gedanke an einen Erwerb trieb ihn schon länger um; richtig konkret wurde es aber, als er sich das Bahnhofsgelände mit seiner Frau genauer anschaute.
Beide fragten sich, ob ihr Vorhaben - Ferienwohnungen und Stellplätze für Wohnmobile - realistisch wäre. Sie kamen zum Ergebnis, dass es das ist.

Mitte des Jahres per Handschlag einig
Dann ging es ganz schnell. Mitte des Jahres war Weller sich mit den Vorbesitzern "per Handschlag einig"; seit November gehört ihm der alte Bahnhof tatsächlich. 45.000 Euro hat er dafür nach eigenen Angaben überwiesen.
Für den neuen Zweck muss natürlich "kernsaniert" werden, wie der in Breitenbach aufgewachsene Architekt zugibt. Das Gebäude steht seit zwei Jahrzehnten leer; zuletzt nutzte der Staatliche Mineralbrunnen das Erdgeschoss als Getränkeverkauf.
Kernsanierung wird etwas dauern
In den Wohnungen im Obergeschoss - früher Unterkünfte für die Bediensteten - fand Weller Spuren, dass zuletzt in den 1980er-Jahren dort jemand drinnen gelebt hat. Vermutlich wurden die Räume mit Einstellung des Personenverkehrs 1988 endgültig verlassen.
Die Sanierung des alten Bahnhofs wird in etwa ein Jahr dauern, schätzt der neue Besitzer. Das Dach muss abgedichtet, die Fassade instandgesetzt werden. Die Schornsteine sind baufällig. Früher wurde mittels eines Öltanks geheizt; da soll es modernere Heizformen geben. Etwas Schimmel findet sich im Haus, aber "nichts Dramatisches", so der Architekt.
Kosten von bis zu einer halben Million Euro
Auch die Wasser- und Elektroinstallation muss er erneuern lassen. Weller rechnet alles in allem mit Kosten von bis zu einer halben Million Euro. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, darf er gerade äußerlich kaum etwas verändern. Er will es auch nicht.
Sichtbarstes Zeichen der Übernahme durch den 55-Jährigen ist, dass man das alte Bahnhofsgebäude wieder sieht. Bis vor kurzem war es zur Straße hin verdeckt durch Bäume und Gestrüpp. Weller hat es größtenteils entfernen lassen. Nun rückt der "Bahnhof Bad" wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit; Gäste des Staatsbad erblicken ihn, wenn sie am Bellevue vorbeischauen.
Treppe zum Bellevue zutage gefördert
Die etwas radikale Abholzaktion fördert etwas zutage, was über viele Jahre unter dickem Wurzelwerk verborgen war: die Treppe, die einst vom Bahnhof hinunter zum Bellevue und weiter in den Kurpark führte. Kurgäste mussten in früheren Zeiten die steilen mit teils schwerem Gepäck hinunter, um direkt auf die Straße zu treffen, die sicher nicht ganz so stark befahren war wie heutzutage.
Laut Weller hat die Treppe die Zeit "in einem 1A-Zustand" überdauert. Er und seine Frau möchten, "dass sie wieder wahrgenommen wird".
Luftschutzbunker unter Gebäude verborgen
Weiter für die Öffentlichkeit unsichtbar bleiben wird hingegen der Luftschutzbunker mit Gasschleuse, der sich unter dem Bahnhofsgebäude verbirgt. Der Bad Brückenauer hat selbst drei Luftschutztüren entdeckt, dazu Schilder von circa 1940, die den Bunker kennzeichnen.
Beim Freilegen der teils mit Erde und Pflanzen überdeckten Bahnsteige merkte Weller erst, wie groß das Bahnhofsareal einmal war. Ein Gleisplan von 1920 zeigt neben dem "Betriebshauptgebäude" eine Lokhalle, ein Nebengebäude sowie ein Ausweichgleis mit Wasserpumpe und Rampen.

Lieb: "stilvollstes Gebäude der gesamten Strecke"
So wie es heute steht, wuchs das Bahnhofsgebäude in mehreren Etappen empor. Jürgen Lieb schreibt in seinem Buch über die Sinntalbahn: "Nach den Planungen von 1887 war vorgesehen, im bereits vorhandenen Gebäude des 'Kellerbaues' einen Dienst- und einen Warteraum für den Personenverkehr der Bahnstation einzurichten." Entsprechende Räume sollte die königlich-bayerische Finanzverwaltung bereitstellen.
Dazu kam es nicht, denn "man kam zu dem Schluss, dass aufgrund des Kurbetriebes ein eigenes Bahnhofsgebäude erforderlich war". Der Warteraum für die Gäste sei "exklusiv möbliert und nur während der Saison geöffnet" gewesen. Lieb nannte "Bahnhof Bad" das "äußerlich stilvollste Stationsgebäude auf der gesamten Strecke".
Bahnhof wuchs in mehreren Etappen
Kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert erfolgte der erste Umbau. Der Hauptbau wurde für eine Bahnbedienstetenwohnung aufgestockt und der Seiteneingang verlegt. Toiletten waren in einem Nebengebäude verfügbar.
1926 wurde eine breitere Zufahrt zum Bahnhof und zum Ladegleis geschaffen, der zweite Umbau dann 1937 angegangen. Der aufgestockte Wohnbereich erhielt eine Schindelfassade; die zur Bahnseite bisher offene Wartehalle wurde mit einer Frontwand verkleidet.
Niedergang nach Ende des Zweiten Weltkriegs
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 ging es mit dem "Bahnhof Bad" allerdings bergab. Zum 1. August wurde die eigenständige Dienststelle dort aufgelöst und dem Bahnhof "Brückenau Stadt" unterstellt. Am 18. Juni 1973 wurden zwei Weichen ausgebaut, das dazugehörige Abstellgleis am 10. Dezember 1994.
Ebenfalls 1973, und zwar ab 1. September, fungierte der frühere "Bahnhof" nur noch eine "besetzte Haltestelle". Nachdem der letzte Personen-Triebwagen der Sinntalbahn am 27. Mai 1988 fuhr, wurde auch die Haltestelle geschlossen.
Schade, dass man nicht ein paar Bäumen, die in langen Jahren gewachsenen sind, einen Platz gelassen und alles so radikal abrasiert hat. Sehr, sehr schade. Das schmerzt beim Hinschauen.