Wieder ein Hausarzt weniger in Bad Kissingen – zumindest für gesetzlich versicherte Patienten.
Wolfgang Giesecke hat zum Jahresende 2023 seine kassenärztliche Zulassung abgegeben und sich in einer Anzeige als „Opfer der Bürokratie“ bezeichnet. Er begründet darin seine Entscheidung damit, dass er eine Praxisverwaltungssoftware nicht weiter verwenden kann. Was steckt dahinter?
Software-Firma kündigt
Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Wolfgang Giesecke, dass der Hersteller der Praxisverwaltungssoftware die Zusammenarbeit mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung im Herbst 2023 aufgekündigt hat: „Wir haben die Software vor vier Jahren extra für die Telematikinfrastruktur angeschafft.“
Die Telematikinfrastruktur (TI) ist die Datenautobahn des Gesundheitswesens. Sie soll eine schnelle und sichere Kommunikation zwischen Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und anderen ermöglichen. „Nur das Modul für E-Rezepte hat noch gefehlt, weil das Gesetz für E-Rezepte im Bundesrat noch nicht verabschiedet ist.“
Weil es ständig Änderungen am E-Rezept seitens der Regierung gab, habe der Software-Hersteller RST gekündigt, so Giesecke.
Bürokratie macht Digitalisierung unattraktiv
Das bestätigt der Chef von RST-Software, Rainer Steinbrecher, auf Nachfrage: „Es waren zu viele gesetzliche Vorgaben, das war in keinem Verhältnis mehr.“ Die hohen Kosten und das fehlende Personal waren weiteren Gründe für die Aufgabe der Zusammenarbeit, so Rainer Steinbrecher.
„Es lohnt sich einfach nicht mehr. Ich kenne viele Hersteller, die sagen: wir machen Schluss.“ Auch für Ärzte lohne sich die Umstellung ab einem bestimmten Alter häufig nicht mehr, hat Steinbrecher Verständnis.
Schuld gibt der Unternehmer der deutschen Bürokratie: „Wir haben Ordner voll von Unterlagen, Genehmigungen und Zertifizierungen. Andere Länder machen das viel einfacher, aber ein QR-Code auf weißem Papier als Rezept statt eines rosa Zettels ist kein Fortschritt.“
Praxen in Bedrängnis
Ende Oktober hatte Hausarzt Giesecke dann erfahren, dass er seine Praxisverwaltungssoftware nur noch bis Ende des Jahres nutzen darf. Zu knapp, um ad hoc ein neues Verwaltungssystem einzurichten. „Wir als Anwender stehen da zwischen den Stühlen“, findet er.
Laut kassenärztlicher Vereinigung Bayern (KVB) haben Praxen, die sich aktuell noch in der Umstellung auf ein neues Praxisverwaltungssystem befinden, die Möglichkeit, für diesen temporären Zeitraum den klassischen rosa Rezeptzettel (Muster 16) zu verwenden, bis dann mit dem neuen System die Ausstellung von E-Rezepten möglich ist. Allerdings ist das mit Risiken verbunden, denn die Krankenkassen müssen die alten Rezepte nicht mehr akzeptieren und es kann sein, dass der Arzt nachträglich dafür haften muss.
Vorgaben versus medizinische Versorgung
Deshalb sah sich Wolfgang Giesecke Mitte Dezember dazu gezwungen, die kassenärztliche Zulassung zu kündigen: „Für die Patienten ist das sehr traurig. Für uns kam das auch sehr überraschend.“ Von seinen Patienten bekomme er aber auch Verständnis und positive Rückmeldung.
Und was sagt er zu dem Vorwurf, das sei nur ein Vorwand, eine Privatarztpraxis zu führen, die mehr Geld einbringt? „Das ist nicht der Fall, weil wir ja Umsatzeinbußen haben und die gleichen Kosten wie bisher.“
Die Verantwortung sieht Wolfgang Giesecke weniger bei der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die sich an die gegebene Gesetzeslage halten muss, als bei der Politik: „Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass so etwas nicht passiert. Der Gesetzgeber muss sich vorher entscheiden, was ihm wichtiger ist, die vielen Vorgaben oder die ausreichende medizinische Versorgung.“
Helfen würde den Hausärzten eine andere Verteilung der Risiken: „Das Honorar muss in Relation zu den Risiken stehen, denn als Arzt ist man mit dem eigenen Vermögen haftbar.“
Versorgungsgrad in Bad Kissingen sinkt
Laut KVB beträgt der Versorgungsgrad im hausärztlichen Planungsbereich Bad Kissingen entsprechend dem Versorgungsatlas vom August 103 Prozent: „Er wird mit dem Wegfall eines Hausarztsitzes im Planungsbereich sinken. Wie stark können wir erst nach der nächsten Evaluation durch den von der KVB unabhängigen Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sagen“, so Pressesprecher Axel Heise auf Nachfrage.
Wie geht es jetzt nun weiter? Bei der Nachbesetzung hat zunächst der Praxisinhaber das Recht, selbst einen Nachfolger für seine Praxis oder seinen Kassenarztsitz zu suchen. „Ist eine Nachbesetzung auf dem direkten Weg nicht möglich, würde der Sitz nach der bereits erwähnten Evaluation durch den Landesausschuss bayernweit ausgeschrieben“, so Heise.
Es ist schlicht und einfach Fakt, daß bei Privatpatienten für die identische Leistung ein vielfaches (!) abgerechnet werden darf. Also "mehr Kohle bei gleicher Arbeit."
Das grundsätzliche Thema bei der Behandlung von Kassenpatienten ist das das Honorar gedreckelt ist. Wenn mehr abgerechnet wird bekommt man für die geleistete Arbeit kein Geld mehr, man läuft sogar Gefahr einen Regress zu bekommen wo man dann für die Mehrarbeit sogar bestraft wird.
Aber Argumente scheinen ja zum Rumhacken auf die Ärzte nichts zu taugen….
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lauterbach-hausaerzte-praxen-reform-100.html
Danke Ampel
"Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen"
Komisch, dass 2020 noch die GroKo mit Merkel am Ruder war. Also nix Ampel….
Erst mal schlau machen, bevor wieder die Stammtischsprüche kommen….
Der im Artikel beschriebene Fall beschreibt eher die Folgen einer falschen Softwarebeschaffung. War das Modul für das e-Rezept zugesagt? Dann ist die Softwarefirma wohl sogar schadensersatzpflichtig? Wenn nicht, hat der Herr Doktor sich wohl nicht genau informiert.
So, oder so, ein Problem mit dem E-Rezept an sich wird im Artikel nicht beschrieben.
Deshalb Augen auf bei der Auswahl eines Softwareproduktes, insbesondere wenn es überlebensnotwendig für einen Betrieb ist.