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Bad Kissingen
Die nächste Praxis in Bad Kissingen schließt: Chaos ums E-Rezept lässt Hausarzt aufgeben
Der Bad Kissinger Hausarzt Wolfgang Giesecke hat seine Kassenzulassung zum Ende des Jahres 2023 zurückgegeben. Grund sei die überbordende Bürokratie und die Uneinsichtigkeit der Politik. Was ist geschehen?
Schild der Hausarztpraxis Giesecke       -  Nur noch für Privatpatienten - Hausarzt Wolfgang Giesecke hat seine Kassenzulassung zurück gegeben.
Foto: Angelika Despang | Nur noch für Privatpatienten - Hausarzt Wolfgang Giesecke hat seine Kassenzulassung zurück gegeben.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 20.05.2024 02:41 Uhr

Wieder ein Hausarzt weniger in Bad Kissingen – zumindest für gesetzlich versicherte Patienten.

Wolfgang Giesecke hat zum Jahresende 2023 seine kassenärztliche Zulassung abgegeben und sich in einer Anzeige als „Opfer der Bürokratie“ bezeichnet. Er begründet darin seine Entscheidung damit, dass er eine Praxisverwaltungssoftware nicht weiter verwenden kann. Was steckt dahinter?

Software-Firma kündigt

Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Wolfgang Giesecke, dass der Hersteller der Praxisverwaltungssoftware die Zusammenarbeit mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung im Herbst 2023 aufgekündigt hat: „Wir haben die Software vor vier Jahren extra für die Telematikinfrastruktur angeschafft.“

Die Telematikinfrastruktur (TI) ist die Datenautobahn des Gesundheitswesens. Sie soll eine schnelle und sichere Kommunikation zwischen Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und anderen ermöglichen. „Nur das Modul für E-Rezepte hat noch gefehlt, weil das Gesetz für E-Rezepte im Bundesrat noch nicht verabschiedet ist.“

Weil es ständig Änderungen am E-Rezept seitens der Regierung gab, habe der Software-Hersteller RST gekündigt, so Giesecke.

Bürokratie macht Digitalisierung unattraktiv

Das bestätigt der Chef von RST-Software, Rainer Steinbrecher, auf Nachfrage: „Es waren zu viele gesetzliche Vorgaben, das war in keinem Verhältnis mehr.“ Die hohen Kosten und das fehlende Personal waren weiteren Gründe für die Aufgabe der Zusammenarbeit, so Rainer Steinbrecher.

„Es lohnt sich einfach nicht mehr. Ich kenne viele Hersteller, die sagen: wir machen Schluss.“ Auch für Ärzte lohne sich die Umstellung ab einem bestimmten Alter häufig nicht mehr, hat Steinbrecher Verständnis.

Schuld gibt der Unternehmer der deutschen Bürokratie: „Wir haben Ordner voll von Unterlagen, Genehmigungen und Zertifizierungen. Andere Länder machen das viel einfacher, aber ein QR-Code auf weißem Papier als Rezept statt eines rosa Zettels ist kein Fortschritt.“

Wolfgang Giesecke       -  Hausarzt Wolfgang Giesecke beklagt die überhandnehmende Bürokratie und die Uneinsichtigkeit der Politik.
Foto: Kathrin Lehenbauer | Hausarzt Wolfgang Giesecke beklagt die überhandnehmende Bürokratie und die Uneinsichtigkeit der Politik.

Praxen in Bedrängnis

Ende Oktober hatte Hausarzt Giesecke dann erfahren, dass er seine Praxisverwaltungssoftware nur noch bis Ende des Jahres nutzen darf. Zu knapp, um ad hoc ein neues Verwaltungssystem einzurichten. „Wir als Anwender stehen da zwischen den Stühlen“, findet er.

Laut kassenärztlicher Vereinigung Bayern (KVB) haben Praxen, die sich aktuell noch in der Umstellung auf ein neues Praxisverwaltungssystem befinden, die Möglichkeit, für diesen temporären Zeitraum den klassischen rosa Rezeptzettel (Muster 16) zu verwenden, bis dann mit dem neuen System die Ausstellung von E-Rezepten möglich ist. Allerdings ist das mit Risiken verbunden, denn die Krankenkassen müssen die alten Rezepte nicht mehr akzeptieren und es kann sein, dass der Arzt nachträglich dafür haften muss.

Vorgaben versus medizinische Versorgung

Deshalb sah sich Wolfgang Giesecke Mitte Dezember dazu gezwungen, die kassenärztliche Zulassung zu kündigen: „Für die Patienten ist das sehr traurig. Für uns kam das auch sehr überraschend.“ Von seinen Patienten bekomme er aber auch Verständnis und positive Rückmeldung.

Und was sagt er zu dem Vorwurf, das sei nur ein Vorwand, eine Privatarztpraxis zu führen, die mehr Geld einbringt? „Das ist nicht der Fall, weil wir ja Umsatzeinbußen haben und die gleichen Kosten wie bisher.“

Die Verantwortung sieht Wolfgang Giesecke weniger bei der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die sich an die gegebene Gesetzeslage halten muss, als bei der Politik: „Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass so etwas nicht passiert. Der Gesetzgeber muss sich vorher entscheiden, was ihm wichtiger ist, die vielen Vorgaben oder die ausreichende medizinische Versorgung.“

Helfen würde den Hausärzten eine andere Verteilung der Risiken: „Das Honorar muss in Relation zu den Risiken stehen, denn als Arzt ist man mit dem eigenen Vermögen haftbar.“

Versorgungsgrad in Bad Kissingen sinkt

Laut KVB beträgt der Versorgungsgrad im hausärztlichen Planungsbereich Bad Kissingen entsprechend dem Versorgungsatlas vom August 103 Prozent: „Er wird mit dem Wegfall eines Hausarztsitzes im Planungsbereich sinken. Wie stark können wir erst nach der nächsten Evaluation durch den von der KVB unabhängigen Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sagen“, so Pressesprecher Axel Heise auf Nachfrage.

Wie geht es jetzt nun weiter? Bei der Nachbesetzung hat zunächst der Praxisinhaber das Recht, selbst einen Nachfolger für seine Praxis oder seinen Kassenarztsitz zu suchen. „Ist eine Nachbesetzung auf dem direkten Weg nicht möglich, würde der Sitz nach der bereits erwähnten Evaluation durch den Landesausschuss bayernweit ausgeschrieben“, so Heise.

 
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  • Steffen Cyran
    "....Und was sagt er zu dem Vorwurf, das sei nur ein Vorwand, eine Privatarztpraxis zu führen, die mehr Geld einbringt? „Das ist nicht der Fall, weil wir ja Umsatzeinbußen haben und die gleichen Kosten wie bisher.“...."

    Es ist schlicht und einfach Fakt, daß bei Privatpatienten für die identische Leistung ein vielfaches (!) abgerechnet werden darf. Also "mehr Kohle bei gleicher Arbeit."
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  • Klaus Buechner
    @Steffen Cyran: Sie haben den Artikel schon gelesen oder ? Dr. Giesecke hat seine Kassenzulassung zurück gegeben. Also kann er keine Kassenpatienten mehr abrechnen. Ergo: weniger Geld als vorher.

    Das grundsätzliche Thema bei der Behandlung von Kassenpatienten ist das das Honorar gedreckelt ist. Wenn mehr abgerechnet wird bekommt man für die geleistete Arbeit kein Geld mehr, man läuft sogar Gefahr einen Regress zu bekommen wo man dann für die Mehrarbeit sogar bestraft wird.
    Aber Argumente scheinen ja zum Rumhacken auf die Ärzte nichts zu taugen….
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  • Dietmar Eberth
    Das Problem ist doch schon fast gelöst. Gesetzentwurf kommt im Januar um die Honorarobergrenzen für Hausärzte zu streichen.
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lauterbach-hausaerzte-praxen-reform-100.html

    Danke Ampel
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  • Dominik Temming
    Eine erneute schallende Ohrfeige Richtung Ampel. Sehr gut!!
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  • Dietmar Eberth
    Sie wissen schon das die GroKo jahrelang - bis zu ihren Ende - vergebens versucht hat das E-Rezept einzuführen.

    "Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen"
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  • Eugen Endres
    Wohl eher ne Ohrfeige für nen Arzt, der sich ne untaugliche Software hat andrehen lassen.
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  • Stefan Flessa
    Ich muss herzhaft lachen: das E-Rezept wurde schon 2020 in Gesetzesform gebracht und beschlossen.

    Komisch, dass 2020 noch die GroKo mit Merkel am Ruder war. Also nix Ampel….

    Erst mal schlau machen, bevor wieder die Stammtischsprüche kommen….
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  • Uwe Ehrhardt
    Und welche Partei war hauptverantwortlich und ist jetzt Chef im Gesundheitsministerium.
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  • Dietmar Eberth
    Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn hat die Einführung des E-Rezepts beschlossen und hatte so seine Probleme mit der Umsetzung. So wie auch mit der Bewältigung der Corona-Pandemie.
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  • Peter Koch
    Vielleicht kann man ohne Kassenpatienten doch bessere Geschäfte machen, auch wenn dieser Arzt das dementiert. Andere Hausärzte kommen mit den neuen Zeiten jedenfalls klar.
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  • Eugen Endres
    Bei meinem Hausarzt ist man vom E-Rezept begeistert. Bisher keine Probleme und weniger Arbeit für den Arzt selbst. Auch meine ersten beiden Verschreibungen haben sehr gut geklappt. Werde mich am nächsten WE mal mit der App auseinandersetzen. Wurde mir vom Arzt empfohlen und macht es angeblich deutlich einfacher bei häufigen Verschreibungen den Überblick zu behalten. Was jetzt so besonders toll an nem gedruckten Zettel sein soll verstehe ich nicht.
    Der im Artikel beschriebene Fall beschreibt eher die Folgen einer falschen Softwarebeschaffung. War das Modul für das e-Rezept zugesagt? Dann ist die Softwarefirma wohl sogar schadensersatzpflichtig? Wenn nicht, hat der Herr Doktor sich wohl nicht genau informiert.
    So, oder so, ein Problem mit dem E-Rezept an sich wird im Artikel nicht beschrieben.
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  • Ralf Eberhardt
    Die evidenzbasierte Erkenntnis: einige Ärzte machen - m.E. zu Recht - diesen Digitalisierungswahn von Herrn Lauterbach nicht mit. Was spricht gegen ein gedrucktes Rezept? Da kann ich wenigstens noch lesen, was ich verordnet bekommen habe. Jetzt gehe ich in die Apotheke und hoffe, es hat geklappt und alles steht drauf - auch die Regeln für die Einnahme? Aber da gibt es ja die künstliche Intelligenz, falls der Apotheker die natürliche nicht im Programm hat.
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  • Dietmar Eberth
    Das Problem ist doch nicht das E-Rezept, sondern der Softwarehersteller. Anpassungen von Software ist etwas ganz normales, dafür gibt es Wartungsverträge.

    Deshalb Augen auf bei der Auswahl eines Softwareproduktes, insbesondere wenn es überlebensnotwendig für einen Betrieb ist.
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