
Hinter jedem erfolgreichen Mann, so sagt man landläufig, stünde eine Frau, die ihm den Rücken freihält. Für Ursula Grom galt das nicht. Denn sie stand nicht nur hinter ihrem Mann, dem erfolgreichen, viel zu früh verstorbenen Horst Grom. Sondern sie stand auch vorne dran. Als Gastgeberin, Hoteliersfrau, gute Seele im Deutschen Haus, im Hotel Hubertus, in den Luitpold Kliniken und zuletzt auch im Bristol Hotel. Ihre Markenzeichen: Eleganz, Charme, Disziplin, Diskretion, Menschenfreundlichkeit - und ihre strahlend blauen Augen, die selbst noch mit 93 Mädchenhaftigkeit ausstrahlten. Am 15. Juli 2024 ist sie gestorben.
Auch ein absehbarer Tod schützt nicht vor großer Trauer, mit der ihre Töchter Susanne, Claudia und Sylvia nun konfrontiert sind. Mit den drei Frauen endet die Linie der Familie Grom in Bad Kissingen, deren Unternehmen mehr als sieben Jahrzehnte ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Bad Kissingen waren und untrennbar mit den glorreichen Aufstiegsjahren der Kurstadt verbunden sind.

Ursula Grom galt als Grand Dame in Bad Kissingen und das schon in Zeiten, in denen ihr Mann Horst (geboren 1933) noch lebte. Er war ein Kissinger Kind, wuchs in der Wirtschaft Tivoli in der Maxstraße auf. Später betrieben seine Eltern, Willibald und Rosa Grom, den Gasthof Deutsches Haus im Herzen Kissingens. Horst wollte eigentlich Medizin studieren, doch wie bei vielen anderen auch ersetzten der Krieg und die Nachkriegszeit persönliche Träume durch pragmatische Lösungen – nach Abschluss der Hotelfachschule stieg er im Familienbetrieb ein.

Während des Besuchs der Handelsschule in Würzburg verliebte er sich in seine Mitschülerin: Ulli, die quirlige Werbekauffrau. Eine gebürtige Düsseldorferin, ein „rheinisches Mädche“, das während der Kriegswirren mit Eltern und Schwester Margot in Gräfelfing bei München Fuß gefasst hatte. Berufsbedingt war sie bereits in jungen Jahren viel auf Reisen, weltoffen und nicht auf den Mund gefallen. In ihr fand Horst Grom die perfekte Partnerin, ausgestattet mit viel Liebe und Loyalität zu ihm, dazu genau wie er ein Arbeitstier mit Geschmack, Ideen und Blick für jedes Detail.

Sie zog nach Bad Kissingen, packte im Deutschen Haus mit an und kreierte unter anderem den legendären „Hahn im Korb“: ein gebackenes Händl in einem Rattankorb. „Und beim Rakozcy-Fest stand sie vor dem Deutschen Haus, schnitt 2000 Brötchen für die Bratwürste auf und schenkte Bier aus“, erzählt Tochter Susanne (65).
1958 machten sich die Groms selbständig mit dem Hotel Hubertus. Das ehemalige Kurheim fungierte fortan als Hotel und schlug in Bad Kissingen wie eine Bombe ein. Denn: Dort übernachteten die Stars der im Kurtheater gastierenden Ensembles. Unter ihnen die ganz Großen von damals: Karl-Heinz Böhm, Maria Schell, Johannes Heesters , Walter Giller und Nadja Tiller, Ellen Schwiers, Vico Torriani, O.W. Fischer, – die Liste der Prominenz war lang und wurde mit dem Hotel Bristol noch länger.

Angefangen vom Modeschöpfer Hubert de Givenchy , Couturier von Ursula Groms Nachkriegs-Idols Audrey Hepburn , über Siegfried Rauch , Katarina Jacob, Justus Frantz , Armin Müller-Stahl, Friedrich von Thun, Hanna Schygulla , Helen Schneider, Roberto Blanco, Frank Zander und James Last bis hin zum damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber - alle schätzten die persönliche und familiäre Atmosphäre im Hause Grom.

Und wenn Pianist Grigori Sokolov – der erst jetzt wieder beim Kissinger Sommer auftrat – nachts um 2 Uhr noch ein Filetsteak haben wollte, dann bekam er das auch, selbst wenn die Mitarbeiter bereits Dienstschuss hatten. „Denn die Philosophie unserer Eltern lautete: Der Gast ist wirklich König", sagt die Tochter.

Während Ursula Grom intern die „rechte Hand“ und wichtige Ratgeberin ihres Ehemannes war und ihm den Rücken freihielt, ging sie in ihrer Rolle als Gastgeberin auf. „Sie war die Dame des Hauses, aber eine zum Anfassen, die sich mit Esprit, Respekt und Diskretion um jeden einzelnen Gast kümmerte und ihm so das Gefühl gab, perfekt aufgehoben zu sein“, sagt die Tochter. Die langen und lustigen Nächte mit den Gästen im Hubertus und im Bristol müssen legendär gewesen sein. „Und am nächsten Morgen, nach nur wenigen Stunden Schlaf, begrüßte Mama die Gäste zum Frühstück und sah dabei aus, als habe sie soeben eine Woche in einer Beauty-Farm verbracht. Ihre Contenance und ihr Stil waren einfach beeindruckend.“
Längst nicht mehr nur die Frau an seiner Seite
In den 1960er-Jahren brachte Ursula Grom ihre drei Töchter Susanne, Claudia und Sylvia zur Welt – und wie die Familie wuchs auch das Unternehmen. Als Horst Grom 1964 das Alleekurheim übernahm, das zum Grundstein der Firma Luitpold Sanatorium wurde, war sie längst nicht mehr nur die Frau an seiner Seite, sondern wichtige Ratgeberin und respektierte Repräsentantin des jungen Unternehmens. Bald folgte das Sanatorium Dr. Dengg und schließlich das Westendhaus.

1972 stemmte das Paar seine größte Herausforderung: den Neubau der Luitpold Kliniken mit den Schwerpunkten Gastroenterologie und Onkologie. Das Deutsche Haus wurde aufgegeben, das Hubertus wurde zum Personalhaus, der Fokus lag nun auf dem Gesundheitswesen. Erst später, Ende der 80er-Jahre, kam im Rahmen der Erweiterung der Luitpold Kliniken um den Fachbereich Orthopädie das Hotel Bristol hinzu. Zunächst nur als Ausweichquartier während der Baumaßnahme geplant, wurde es von der Familie dann wieder als Hotel betrieben, mit Ursula Grom als Seele und Aushängeschild des Hauses.
„Und trotz der vielen Arbeit: Wir hatten eine wirklich schöne Kindheit und Schulzeit“, schwärmen ihre Töchter. Zuhause bei Groms, das war Treffpunkt für Freunde und Freundinnen der Kinder, „unsere Mutter war auch dort der ruhende Pol, voller Liebe und immer auch mit einem offenen Ohr für deren Sorgen und Nöte“.

Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten die Groms in Spitzenzeiten, viele von ihnen blieben Jahrzehnte. Immer zählte das Unternehmen zu den führenden Ausbildungsbetrieben der Region und Ursula Grom war für viele der über 400 jungen Menschen ein Vorbild. Wie sehr die Chefin geschätzt wurde, zeigen postalische Grüße zu ihrem 90. Geburtstag – viele kamen auch von Ehemaligen, die sich nach Jahren noch einmal bei ihr bedankten. Susanne Grom: „Die Mitarbeiter wurden von unseren Eltern behandelt wie Familienmitglieder – und das kam immer zurück.“

Der Schock, als Horst Grom starb
Am 30. September 1993 der Schock. Nach nur 60 Jahren versagte das Herz von Horst Grom. „Unsere Mutter war eine Zeit lang wie gelähmt“, erinnert sich die Tochter. Es war der Wendepunkt, an dem sie sich aus dem operativen Geschäft zurückzog, zunehmend im Hintergrund agierte und ihren Töchtern die Leitung der Kliniken und des Hotels überließ.
Jahre später, nur kurz nachdem während der Fußball-WM 2006 noch die Nationalmannschaft aus Ecuador im Bristol logierte, hatte Tochter Susanne Grom dann wohl den schwersten Gang der Firmengeschichte zu gehen: Sie meldete für Kliniken und Hotel Insolvenz an. Die Gesundheitsreform hatte dem Unternehmen - wie vielen anderen auch - das Genick gebrochen.
Nach dem Verlust: die Insolvenz
„Die große Herausforderung bestand darin, dieses letzte Kapitel kontrolliert so abzuschließen, dass niemand dabei auf der Strecke blieb“, so umschreibt Susanne Grom die schwere Zeit. Sie schaffte das fast Unmögliche: Beide Betriebe liefen ohne Unterbrechung weiter, und fast alle Angestellten wurden von den neuen Besitzern übernommen. Im Bristol folgte eine wechselhafte Zeit, die Luitpold Kliniken wurden in die Heiligenfeld Kliniken integriert, das Leben ging weiter.
Ob die Mutter nach diesem erneuten Schicksalsschlag traurig war? „Mit etwas Abstand sah sie das eher pragmatisch und versicherte mir, traurig sei sie nicht, denn ohne die Unternehmen könnten wir nun wenigstens deutlich mehr Zeit miteinander verbringen“, so Susanne Grom. „Sie besaß die Fähigkeit, das Glas immer halb voll zu sehen und versprühte selbst in schwierigsten Zeiten den Optimismus, den es braucht, um Rückschläge und Krisen zu meistern.“

Enge Verbindung zu den Töchtern
Nachdem das ausgestanden war, erfüllte Susanne Grom den Wunsch ihrer Mutter . „Meine Eltern haben mir ihre Zeit gewidmet und mich zu dem geformt, was ich heute bin. Dann kam die Zeit, in der wir Töchter entscheiden konnten, was wir am liebsten machten. In meinem Fall war es die Rückkehr ins elterliche Unternehmen und dessen Leitung auch nach Vaters Tod. Wie früher dem Papa hielt meine Mutter auch mir immer den Rücken frei - ohne Wenn und Aber. Es war daher eine Selbstverständlichkeit und Ehre für mich, während ihres letzten Lebensabschnitts immer für sie da zu sein und soviel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen."
Der Burkardus Wohnpark in Bad Kissingen wurde zur letzten Adresse von Ursula Grom. „Unsere Mutter hatte endlich tun können, was sie liebte: ihre Kinder zu besuchen, mit ihnen zu verreisen, Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, ein gutes Buch zu lesen, sich an der Schöpfung erfreuen.“ Gemeinsam unternahmen sie Ausflüge in Museen oder zum Klaushof.
Was für ein Glück war es für Ursula Grom, dass der Burkadus Wohnpark einmal im Monat zur Jazz-Jamsession aufruft, nachdem Besuche im Bismarck's Basement oder bei Piano Kleinhenz zu beschwerlich für sie wurden. Ursula Grom liebte Jazz und Swing, das Lebensgefühl der Nachkriegszeit. „Unsere Mutter war das Senior-Groupie, saß immer in der ersten Reihe.“

Bei Beerdigung spielte Band "Sunny Sides of the Streets"
Ihr Leben endete so, wie sie es sich gewünscht hat – zuhause, im Kreise ihrer Kinder. Sie ist am Montag, 15. Juli 2024, gestorben. Ursula Grom wurde bereits im kleinsten Kreis beigesetzt. Und zwar so, wie es ihr sicher gefallen hätte: mit Live-Musik im New Orleans Jazz-Style. Zum Abschied spielten sie „Sunny Sides of the Streets“ und "Summertime". Ein passender Abschluss des Lebens einer Frau, die trotz 80-Stunden-Wochen immer eins hatte: die Fähigkeit, auch die sonnigen Seiten des Lebens im Blick zu behalten. Und aus den Erzählungen der Tochter klingt durch, dass sie vor allem eins sehr gut konnte: ihre Mitmenschen mit genau dieser positiven Lebenseinstellung für sich einzunehmen.