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LKR Bad Kissingen
„Massive Veränderungen“: Bad Kissinger Drogenhilfe schlägt Alarm
Harte Stoff wie Benzos und Opioide, gewaltbereite Dealer: Streetworker Christian Fenn beobachtet die Entwicklungen in der Jugend-Drogenszene im Landkreis mit großer Sorge.
Harte Drogen wie Opioide – mit Heroin verwandte Stoffe – verbreiten sich seit Corona stärker in der Jugend-Drogenszene.       -  Harte Drogen wie Opioide – mit Heroin verwandte Stoffe – verbreiten sich seit Corona stärker in der Jugend-Drogenszene.
Foto: stocke.adobe.com-M.Rode-Foto/dpa | Harte Drogen wie Opioide – mit Heroin verwandte Stoffe – verbreiten sich seit Corona stärker in der Jugend-Drogenszene.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 26.08.2024 13:05 Uhr

Es geht um harte Rauschmittel wie Oxycodon, Fentanyl, Tramadol oder „Benzos“ (Benzodiazepine), es geht um Konsum und Schlägereien im Unterricht, es geht um jugendliche Dealer, die mit Drohkulissen und auch gewaltbereit gegeneinander vorgehen.

Streetworker Christian Fenn vom Verein „Kissinger Drogenhilfe “ (Kidro) ist höchst alarmiert. Seit der Corona-Pandemie habe es in der Szene einen großen Bruch gegeben.

„Massive Veränderungen“

„Was wir seitdem beobachten können, ist, dass in der jugendlichen Drogenszene massive Veränderungen stattfinden“, berichtet er. In der Pandemie hat sich die Szene außerhalb der Kontrolle Erwachsener weiterentwickelt. „Jetzt ist Corona vorbei und wir sehen, was passiert ist“, sagt der Sozialpädagoge.

Christian Fenn       -  Christian Fenn
Foto: Benedikt Borst | Christian Fenn

Wo vorher Alkohol, Cannabis und Amphetamine die Rauschmittel der Wahl waren, greifen die Betroffenen jetzt zu Opioiden, also Heroin verwandten Stoffen, und zu angstlösenden Benzos.

Fenn: Jugendliche übernehmen Verhalten der Erwachsenen

Dabei handelt es sich um Drogen, die körperlich stark abhängig machen. „Die Jugendlichen haben Verhaltensmuster aus der Erwachsenen-Drogenszene übernommen“, sagt Fenn. Die harten Drogen werden wie selbstverständlich konsumiert und haben ein Stück weit als normal Einzug in den Alltag gefunden.

„Auch Jugendliche , die nicht konsumieren, kennen sich damit aus“, sagt Fenn – natürlich abhängig vom jeweiligen Umfeld. Sie wissen zum Beispiel, welche Stoffe eingeworfen werden oder wo Umschlagplätze sind.

Gewaltbereitschaft bei Dealern

Als problematisch sieht er die starke Abhängigkeit und den ständigen Fokus der Süchtigen auf den Stoff. Damit gehen Desorientiertheit und Demotivation einher, aber auch Beschaffungskriminalität wie Diebstahl und Erpressung. Eine extreme Drogenszene mit Überdosierungen und Todesfällen liege aber nicht vor.

Auch berichtet der Streetworker von „mafiösen Strukturen“, die die ebenfalls jugendlichen Dealer um sich haben. Zum Teil sind Waffen im Einsatz um Drohkulissen aufzubauen, rivalisierende Verkäufer gehen gewaltbereit aufeinander los. „Das ist kein einzelnes Phänomen einer einzelnen Clique“, betont Fenn.

Im gesamten Landkreis und in allen Schulformen

Die Drogenproblematik erstrecke sich über den ganzen Landkreis und über alle Schulformen. „Das können wir aus Bad Brückenau, aus Hammelburg, aus Bad Kissingen, aus Wildflecken erzählen. Solche Geschichten hören wir an jeder Schule, an die wir kommen“, sagt er.

Es gibt bereits eine erste Schule, auf der die Lehrer sich damit auseinandersetzen müssen, dass ein Schüler zum Entgiften in eine Klinik geht und länger Unterricht versäumt.

 

Polizei: Da passiert viel im Dunkeln

Christian Pörtner, Chef der Polizei Bad Kissingen, berichtet, dass es aus polizeilicher Sicht im Landkreis keine schwere, offene Drogenszene wie etwa in Großstädten vorliegt. Aber: „Da passiert viel im Dunkeln. Wir haben immer wieder mit Drogen zu tun. Das ist ein flächendeckendes Problem“, sagt er.

Die Lage dürfe nicht dramatisiert, aber auch nicht kleingeredet werden. „Das Potenzial für Drogenmissbrauch ist da“, meint auch Pörtner. Bei Personenkontrollen haben die Beamten auch immer wieder mit Rauschgift zu tun.

Kidro eigentlich für Erwachsene zuständig

Fenn ist als Streetworker in der aufsuchenden Drogenberatung für Erwachsene tätig. Das heißt, er geht in die Szene hinein, um zu helfen.

120 Personen berät er im Jahr, davon laufen bislang 25 Jugendliche und junge Erwachsene einfach so mit. Allein könne er nicht im ganzen Landkreis den Erwachsenen- und Jugendbereich abdecken.

Verein hofft auf zweite Stelle für Jugendliche

Langfristig brauche Kidro deshalb eine zweite Streetworker-Stelle rein für die Jugenddrogenberatung. Hier muss der Verein noch Gespräche mit den politisch verantwortlichen Stellen wegen der Finanzierung führen. Aber: „Der Bedarf ist jetzt da“, betont Fenn.

Die Drogenhilfe habe deshalb reagiert und auf Stundenbasis eine Streetworkerin, Laura Kramer, eingestellt, die mit unterstützt. Diese Stelle müsse möglichst auf Vollzeit ausgebaut werden.

Forderung: Mehr Drogenberatung

Sinnvoll findet es Fenn zudem, wenn zudem eine offene Jugenddrogenberatung bei einem anderen Träger, etwa der Caritas, eingerichtet wird. An diese Stelle können sich Jugendliche und Angehörige wenden, wenn sie von sich aus Hilfe suchen und nicht die aufsuchende Unterstützung der Kidro benötigen.

Polizeichef Pörtner unterstützt den Vorstoß, die Drogenberatung auszubauen. „Streetwork auf der Straße ist ein erfolgversprechender Ansatz“, sagt er. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, um jeden einzelnen Jugendlichen mit Drogenproblemen zu kämpfen.

Weitere Bericht zur Arbeit von Kidro:

 

 

 
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  • K. S.
    Hier geht's ja nicht um ein bisserl Gras.....woher kommen denn die ganzen Opoide und Barbiturate? Nicht nur aus dem Darknet. Sondern auch legal verordnet von Ärzten, die zackig dabei sind und gefällig all das verordnen. Und Flugs wird's vertickt.
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  • M. S.
    Der Niedergang einer mitunter wohlstandsverwahrlosten Gesellschaft mit steigenden Anteilen von Jugendlichen ohne Perspektive geht immer mit gesteigerten Drogenkonsum einher.
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  • W. S.
    @ein Franke
    jugendliche ohne Perspektive?
    Ich kann mich dunkel erinnern als ich aus der Schule kam, da sind die Perspektiven heutzutage wie im Schlaraffenland.
    Zu unseren Zeiten gab es aber noch keine Hubschraubereltern, die oft an der Unfähigkeit und Hilflosigkeit ihres Nachwuchses schuld sind.
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  • P. K.
    Ist nicht die Polizei zuständig aufzuklären was sich im Dunklen abspielt und dagegen vorzugehen? Nur paar Gramm bei zufälligen Personenkontrollen abzugreifen reicht halt nicht aus um was zu erreichen.
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  • R. D.
    Sicher. Aber leider werden die Kriminellen dann vor Gericht mit Samthandschuhen angefasst. Und selbst die (Un-) Verantwortlichen der Stadt Würzburg hätten fast Drogen legalisieren wollen im Rahmen eines Modellversuchs.
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  • R. B.
    Was reicht denn aus um etwas zu erreichen? Die Polizei ist Exekutive und kann die Mittel und Maßnahmen durchführen und durchsetzen, welche ihr der Gesetzgeber an die Hand gibt. Wie @einFranke völlig richtig anmerkt, ist dieses Erscheinungsbild das Ergebnis einer langsam verrohten Gesellschaft.
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  • M. E.
    PKD, ohne wirkungsvolles "Werkzeug" kann leider unsere Polizei nicht so effektiv arbeiten, wie es sein sollte.
    Die "Schwarzen" regierten lange Zeit, jedoch wurden stets massivste Hürden vom fast ebenso lange regierenden Koalitionspartner aufgebaut. Und die Kanzlerin schielte verdächtig wohlwollend nach diesem Partner. Dann gab es noch die Opposition, die sehr ähnliche Vorstellungen zum Verhindern wirkungsvoller Polizeiarbeit wie die Koalitionspartei teilte und somit im Gestzgebungsverfahren durch Mehrheit vieles verhinderte.
    Hier darf ich anmerken, daß Frau Eskens nicht die beste Meinung zur Polizei äußerte und andere Spitzenpolitiker von Links/Grün ebenfalls nicht zu deren Freundeskreis zu zählen sind.
    Da Pol überwiegend Ländersache ist, kann beispielsweise ein Land bei bestimmten Gesetzen (PAG) selbst aktiv werden. Jedoch nicht mögl bei StPO, StGB oder anderen Bundesgesetzen.
    Ob Beschränkungen bei polizeilichen Maßnahmen sogar erwünscht sind?
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