
Schon zum zwölften Mal wurde am vergangenen Freitag (19. Juli 2024) der mit 10 000 Euro dotierte Boxberger-Preis Bad Kissingen für eine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Kur und medizinischen Rehabilitation am Kurort verliehen.
Hervorgegangen ist dieser seit dem Jahr 2001 gestiftete Preis aus dem Zusammenschluss des seit 1964 vergebenen Boxberger-Preises der gleichnamigen Bad Kissinger Stiftung und des seit 1970 vergebenen Preises der Stadt Bad Kissingen.
Gegen Erschöpfung und Stress
Diesmal wurde die bereits im Deutschen Ärzteblatt unter dem Titel „Multimodales Präventionsprogramm zur Stressreduzierung“ veröffentlichte Studie ausgezeichnet, in der die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem in Bad Birnbach angebotenen Präventionsprogramm „Aktiv gegen Erschöpfung und Stress“ dokumentiert wurden.
Preisträgerinnen sind Veronika Throner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung und Mitglied der Arbeitsgruppe Medizinische Klimatologie/Versorgungsforschung Kurortmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, und ihre Lehrstuhl-Kollegin Dr. Sandra Kus, Mitglied der Forschungseinheit Gesundheitsförderung und Prävention, sowie als Co-Autorinnen Dr. Michaela Coenen, Dr. Caroline Jung-Sievers und Prof. Dr. Angela Schuh.
Zur Prävention nach Bad Kissingen
Als einen „kleinen Haken“ bemängelte Oberbürgermeister Dr. Dirk Vogel (SPD) zu Beginn der Feierstunde, die von den Musikschülern Aurelia Jäger und Moritz Warmuth am Marimbaphon solistisch aufgelockert wurde, in seiner Begrüßung scherzhaft, dass diese preiswürdige Studie leider nicht in Bad Kissingen durchgeführt worden sei, obwohl die Kurstadt mit ihren 17 Kliniken sich doch durch ihren Schwerpunkt in Psychosomatik auszeichnet.
Nachteil der Rehabilitation sei es, so der Oberbürgermeister weiter, dass „erst eingegriffen wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“. In früherer Zeit sei man zur Prävention nach Bad Kissingen gekommen.
Besonderer Stellenwert der Studie
Der Boxberger-Preis sei der „höchstdotierte Wissenschaftspreis in der Reha-Medizin“ hob Prof. Dr. Michael Linden als Kuratoriumsvorsitzender der Boxberger-Stiftung in seiner Laudatio hervor. Entsprechend sei dem Kuratorium auch nach intensiver Diskussion die Entscheidung für eine der 13 eingereichten Wettbewerbsarbeiten schwergefallen.
Doch letztlich habe diese vom bayerischen Gesundheitsministerium finanzierte Studie einen Sonderstellungswert, handelt es sich doch um eine dreiarmig randomisiert kontrollierte, monozentrische Studie im Parallelgruppendesign. „Die Ergebnisse sind wissenschaftlich nachvollziehbar“, betonte deshalb der Vorsitzende die Entscheidung des Kuratoriums, also nicht beliebig interpretierbar. „Diesen Preis haben sie sich absolut zu Recht verdient“, würdigte Linden die Leistung der Preisträgerinnen.
„Dieser Preis ist für uns eine ganz tolle Bestätigung“, dankte Veronika Throner auch im Namen ihrer Kollegin Dr. Sandra Kus dem Kuratorium. Die Arbeit sei für alle Beteiligten spannend gewesen, da es nicht selbstverständlich sei, Gesundheitsforschung an einem Kurort wissenschaftlich zu begleiten.
Wie die Studie ablief
Die für die Studie ausgewählten Probanden waren Erwachsene mit erhöhter Stressbelastung. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Die Interventionsgruppe (IG) und die Kontrollgruppe (KG) hielten sich zeitversetzt für je zwei Wochen in Bad Birnbach auf und nahmen am Programm „Aktiv gegen Erschöpfung und Stress“ teil. Während die Interventionsgruppe zusätzlich ein psychoedukatives Seminar erhielt, hörte die Kontrollgruppe stattdessen zwei 90-minütige Vorträge zum Thema „Stress“.
Beide Gruppen reisten nach sechs Monaten erneut zu einem viertägigen Auffrischungskurs wieder mit (IG) oder ohne Seminar (KG). Eine dritte Studiengruppe erhielt keinerlei Intervention, sondern verblieb in gewohnter Umgebung und beteiligte sich nur an schriftlichen Befragungen. Nach zwölf Monaten, so das wichtigste Ergebnis der Studie, wiesen alle drei Gruppen „Verbesserungen im subjektiven Belastungserleben“ auf.
Die Krankenkasse erkennt das Präventionsprogramm an
Bei der Interventionsgruppe ergab sich eine größere Verbesserung als bei der Kontrollgruppe, während es in der dritten Gruppe kaum Veränderung gab. Damit wurde bewiesen, dass mit einer spezifischen Prävention in Kurorten eine wissenschaftlich nachweisbare Verbesserung erreicht wird. Das Präventionsprogramm ist inzwischen von der Krankenkasse anerkannt, informierten die beiden Preisträgerinnen. Es kann als Basis für mögliche weitere Angebote in Kurorten genutzt werden. Aktuell wird ein modifiziertes Programm für Unternehmen entwickelt.
Stadtführung durch das historische Bad Kissingen
Nach der Feierstunde zeigte Stadtführer Sigismund von Dobschütz den Preisträgerinnen und Kuratoriumsmitgliedern ausgewählte Attraktionen der Welterbe-Kurstadt. Dazu gehörte das kürzlich vom Freistaat für 60 Millionen Euro restaurierte Kurhausbad mit ehemaligem Kurhaushotel. Beides wird jetzt vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit genutzt und ist Sitz des neuen Instituts für Kurortmedizin.
Im Grandhotel Kaiserhof Victoria zeigte Direktor Matthias Heid der Gruppe einige Besonderheiten wie jene historische Treppe, auf der die körperlich geschwächte Kaiserin Elisabeth (Sisi) bei ihrem ersten Besuch im Jahr 1862 hinaufgetragen werden musste. Letzte Station war die als Arztvilla mit Gästezimmern konzipierte Villa Hailmann (Baujahr 1903), heute Sitz des staatlichen Wasserwirtschaftsamtes, wo Hausmeister Uwe Zwirlein der Gruppe einen Blick in die Räume ermöglichte.
Das Kuratorium:
Kuratorium des Boxberger-Preises: Prof. Dr. Stephan Achenbach (Universitätsklinikum Erlangen), Prof. Dr. Georg Ertl (Universitätsklinikum Würzburg), Prof. Dr. Thomas Keil (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Bad Kissingen), Prof. Dr. Michael Linden (Charité Berlin), Prof. Dr. Klaus Pfeifer (Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Karl-Ludwig Resch (Deutsches Institut für Gesundheitsforschung, Bad Elster) und Dr. Franz Xaver Weilbach (Chefarzt Klinik Bavaria, Bad Kissingen)
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