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Bad Kissingen
Zwischen Kanzel und Krimi: Pfarrer Gerd Greier im Porträt
Vom "Kamikaze" im Schnee zu ernsthaften Predigten: Pfarrer Greier gewährt Einblicke in seine 25 Jahre als Seelsorger und verrät, was ihn beruflich und privat bewegt.
Pfarrer Gerd Greier und seine seltenen Mußestunden im Stressless-Sessel mit einem Krimi.       -  Pfarrer Gerd Greier und seine seltenen Mußestunden im Stressless-Sessel mit einem Krimi.
Foto: Marion Eckert | Pfarrer Gerd Greier und seine seltenen Mußestunden im Stressless-Sessel mit einem Krimi.
Marion Eckert
 |  aktualisiert: 17.03.2025 02:36 Uhr

Viel zu selten hat Pfarrer Gerd Greier Zeit, sich mit einem guten Krimi in seinen Stressless-Sessel zurückzuziehen, die Füße hochzulegen und zu schmökern. Doch wenn es ihm möglich ist, genießt er diese Mußestunden umso mehr. Die meisten Gemeindemitglieder kennen Pfarrer Greier am Altar oder Ambo in der Kirche, weniger jedoch in seinen privaten Momenten.

Anlässlich seines silbernen Priesterjubiläums haben wir mit ihm über seine Berufung und seinen persönlichen Glauben gesprochen. Doch der Bad Kissinger Geistliche verriet auch die eine oder andere private Anekdote. Wer hätte gedacht, dass er auf dem Schlitten zum „Kamikaze“ wird oder im Sommer so intensiv Urlaub macht, dass er sich nicht mehr an sein PC-Passwort erinnern kann?

Ein früher Wunsch und prägende Vorbilder

Gerd Greier wurde 1973 in Bad Königshofen geboren, aufgewachsen ist er in Wülfershausen in einer christlichen Familie. „Von klein auf war es mein Wunsch, Priester zu werden“, erinnert er sich. „Nur deshalb bin ich aufs Gymnasium gegangen, weil ich wusste, dass ich dafür das Abitur brauche. Die ersten Jahre habe ich mich durchgequält.“ Einen besonderen Moment der Berufung habe es für ihn nicht gegeben. „Es war von Kindesbeinen an in meinem Leben und Herzen.“

Prägend war für ihn seine Heimatgemeinde mit den jeweiligen Geistlichen sowie seine eigene kirchliche Laufbahn als Ministrant, Oberministrant und Organist. Besonders beeinflusst haben ihn zwei Priester, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Pfarrer Hugo Müller, der als „Pfarrherr“ und „Vater der Gemeinde“ präsent war, und Pfarrer Alfred Scheller, ein damals junger Geistlicher, der das Pfarrhaus öffnete, Freizeiten und Gruppenstunden anbot.

Ein konservativer Schüler mit klaren Ansichten

In der Schulzeit galt Greier als „Hardliner“. Rückblickend räumt er ein: „Ich war ein konservativer Knochen und habe die Positionen der katholischen Kirche vertreten – keine Verhütung, keine Kondome usw.“ Dies führte zu intensiven Diskussionen, doch das schulische Umfeld war grundsätzlich christlich geprägt.

Mitschülerinnen schätzten ihn damals bereits als guten Zuhörer und Ratgeber. „Sie kamen mit persönlichen Problemen zu mir, weil sie wussten, dass ich nichts von ihnen wollte.“ Und hat es mal eine versucht? „Keine Chance“, schmunzelt Greier.

Seine Entscheidung, Priester zu werden, wurde in der Familie, der Gemeinde und im Freundeskreis voll akzeptiert. So war es für ihn keine Frage, nach dem Abitur das Theologiestudium in Würzburg und Tübingen aufzunehmen. Am 19. Februar 2000 wurde er von Bischof Dr. Paul-Werner Scheele im Würzburger Kiliansdom zum Priester geweiht. Nach mehrere Stationen im Bistum kam er 2016 als Pfarrer nach Bad Kissingen.

Weihe und die ersten prägenden Momente als Priester

Die Priesterweihe und die anschließende Primiz , der erste Gottesdienst in seiner Heimatgemeinde, zählen für Greier zu den schönsten Momenten seiner Laufbahn. „Die Wülfershäuser haben ein großes Fest veranstaltet. Dafür bin ich heute noch dankbar, das war sehr berührend.“

Doch mit Blick auf 25 Jahre als Priester seien es weniger die großen Ereignisse, sondern vielmehr die vielen Begegnungen, Gespräche und kleinen Momente, die in Erinnerung bleiben. Besonders bedeutend waren für ihn auch Pilgerreisen, insbesondere seine erste Reise ins Heilige Land.

Zweifel und Herausforderungen im Glaubensleben

Obwohl sein Weg vorgezeichnet schien, gab es auch Zeiten des Zweifels. Während seines Aufenthalts in Tübingen lebte er nicht im Priesterseminar, sondern wie jeder andere Student in der Stadt. Auch nach seiner Rückkehr nach Würzburg zog er nicht ins Priesterseminar ein. Erst als der damalige Regens Karl Hillenbrand ihn vor die Wahl stellte, entschied er sich zur Rückkehr.

Zweifel gehören für Greier zum Glaubensleben dazu. Dabei zweifelt er nicht an der Frohen Botschaft selbst, sondern am System der Kirche. „Da läuft manches nicht so, wie ich es mir vorstelle.“ Besonders eindrucksvoll war für ihn eine Frage eines jüdischen Reiseführers in Israel: „Was würde Jesus wohl sagen, wenn er heute zurückkäme?“

Bürokratie statt Seelsorge?

Kritisch sieht er die zunehmende Bürokratie und Verwaltungstätigkeit eines Pfarrers. „Es bleibt immer weniger Zeit für die eigentliche Seelsorge – Katechese, Sakramentenspendung, Begleitung von Menschen. Selbst für die ‚Einkaufspastoral‘, also das zufällige Gespräch mit Menschen auf der Straße oder beim Einkaufen, bleibt kaum noch Zeit.“

„Ein Pfarrer muss heute Personalchef, Manager und Verwaltungsfachmann sein“, sagt Greier und kritisiert die immer weiter steigenden Regelungen und Auflagen. „Das ist so nicht mehr machbar, das habe ich nicht gelernt und es nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Das ist auch nicht Sinn des Priesterseins.“

Als „Last der Geschichte“ bezeichnet er die vielen kirchlichen Immobilien, die eine enorme Belastung für die Gemeinden darstellen. Er stellt die Sinnfrage: „Wir können den jungen Priestern ein derartiges System nicht übergeben.“

Hoffnung trotz Herausforderungen

Pfarrer Greier am Altar in der Stadtpfarrkirche in Bad Kissingen mit Ministranten und Ehrenamtlichen.       -  Pfarrer Greier am Altar in der Stadtpfarrkirche in Bad Kissingen mit Ministranten und Ehrenamtlichen.
Foto: Marion Eckert | Pfarrer Greier am Altar in der Stadtpfarrkirche in Bad Kissingen mit Ministranten und Ehrenamtlichen.

Trotzdem möchte Greier nicht resignieren. „Gerade in jüngster Zeit hat sich viel bewegt. Aus meiner Sicht hat das Pontifikat von Papst Franziskus Veränderungen angestoßen.“ Nach jahrelangem Stillstand würden nun zumindest Themen wie die Rolle der Frau in der Kirche und das Zölibat diskutiert.

Der Papst habe die zentralen Aufgaben der Kirche wieder ins Bewusstsein gerückt: Verkündigung des Evangeliums, Beistand für die Armen und Einsatz für Umwelt und Klima. Auch die Kirche selbst sei synodaler geworden – Laien und Frauen würden gehört.

Den klaren Blick von Würzburgs Bischof Franz Jung schätze er ebenfalls. So wurde beispielsweise das Arbeitsrecht für Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Partnerschaften angepasst. „Das sind positive Entwicklungen, wir sind auf einem guten Weg.“

Werte und gesellschaftlicher Wandel

Besorgt blickt Greier jedoch auf gesellschaftliche Entwicklungen. Er spricht von einer „verwahrlosten Gesellschaft“, in der Respektlosigkeit, Egoismus und Aggression um sich greifen. „Ich sehe einen Zusammenhang: Mit der schwindenden Bedeutung der Kirche gehen auch Werte verloren.“ Unabhängig von kirchlicher Kritik stehe die Kirche für grundlegende Werte. „Die Zehn Gebote sind eine gute Orientierung für ein gelungenes Zusammenleben.“

So schmerzt ihn jeder Kirchenaustritt. „Jeder Austritt tut weh, auch wenn ich es akzeptieren muss.“ Wer austritt, erhält von ihm einen Brief mit einem Fragebogen und einem Gesprächsangebot. Manchmal werde das angenommen. Er versteht, dass manche Menschen das System Kirche nicht unterstützen wollen, doch Kirche sei mehr als Hierarchien und Missbrauchsfälle – sie spiele mit sozialen Einrichtungen wie Kindergärten und Pflegeheimen eine tragende Rolle in der Gesellschaft.

Gerd Greiers Kraftquellen

Pfarrer Gerd Greier nimmt sich eine kurze Zeit der Besinnung.       -  Pfarrer Gerd Greier nimmt sich eine kurze Zeit der Besinnung.
Foto: Marion Eckert | Pfarrer Gerd Greier nimmt sich eine kurze Zeit der Besinnung.

Um in diesem Spannungsfeld nicht auszubrennen, sorgt Greier für Ausgleich. Rückzug in die Stille bei Exerzitien, Zeit mit der Familie seines Patenkindes, Schlittenfahren – „da bin ich ein Kamikaze“, lacht er. Leider werde diese Gelegenheit immer seltener.

Er schöpft Kraft in der Natur, in Krimis mit Humor, in Gesellschaftsspielen mit Familie und Freunden – aber auch im ganz normalen „Gammeltag“ zu Hause. „Ein Seelsorger braucht auch Hobbys außerhalb der Kirche.“ Ein Gradmesser für echte Erholung ist für ihn der Sommerurlaub: „Letztes Jahr habe ich meine PC-Zugangsdaten vergessen.“ Schon jetzt freut er sich auf die nächste Reise nach Südfrankreich mit der Familie seines Patenkindes.

Gesunde Gelassenheit

Im Alltag findet Greier Kraft in dem Wissen, von Gott getragen zu sein. Besonders in die Eucharistiefeier könne er regelrecht eintauchen. Auch nach 25 Jahren entdecke er immer wieder neue Aspekte in den Evangelien, die er in seinen Predigten verarbeite.

Sich selbst, der Kirche und der Gesellschaft wünscht Greier mehr gesunde Gelassenheit. „Das bedeutet nicht Gleichgültigkeit oder Resignation. Wenn ich mich auf Gott verlasse, muss ich nicht alles wissen oder im Blick haben. Gott ist mit seiner Schöpfung noch lange nicht fertig.“ Und für die nötige Entspannung? „Ein guter Krimi im Stressless-Sessel hilft immer.“

Information:
Das silberne Jubiläum wird am Sonntag, 23. Februar 2025, um 10 Uhr in der Herz-Jesu Kirche mit einem Dankgottesdienst gefeiert.  Die Festpredigt hält Domvikar Paul Weismantel aus Würzburg. Anschließend wird es im Gemeindezentrum eine Begegnung geben. Pfarrer Greier freut sich über zahlreiche Gäste, die diesen besonderen Tag mit ihm feiern möchten. Jeder ist willkommen. Getränke stehen bereit, und das Fest wird als Mitbringveranstaltung gestaltet: Wer mag, kann eine herzhafte Speise oder einen Kuchen für den Nachmittag beisteuern. Passend zur fünften Jahreszeit erwartet die Gäste am Nachmittag ein buntes Programm. Beiträge dafür können vorab bei Dirk Rudolph ( dirk.rudolph@bistum-wuerzburg.de ) oder Christine Seufert ( christine.seufert@bistum-wuerzburg.de ) angemeldet werden.

 

 

 

 

 

 

 
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