Sonniges Wetter, warme Frühlingsluft, eine leichte Brise - der Innenhof des Luitpoldbades versinkt im goldenen Schein der Abendsonne. Plötzlich erklingt vom Eingang her die vertraute Weise der "Bourbon Street Parade", die Paul Barbarin vor 70 Jahren komponierte. Man fühlt sich in die Straßen von New Orleans versetzt. Acht Musiker ziehen mit dieser Musik zur Zeltbühne gegenüber ein. Allgemein, so heißt es auf einem Flyer, gilt Frankfurt mit der HR-Bigband, den Red Hots Hottentots oder den Frankfurt Swing All Stars als eine Hochburg der deutschen Jazz-Szene. Bernd K. Otto, der Bandleader der Frankfurt Swing All Stars, erweitert zu besonderen Anlässen seine Band und nennt sie European Swing All Stars. So auch für das Benefizkonzert des Fördervereins der Staatsbad Philharmonie Kissingen in diesem bezaubernden Ambiente des Luitpoldbades.
Die Musiker waren: Martin Auer (Trompete und Mitglied der HR-Bigband), Wilson de Oliveira (Klarinette, Tenorsaxophon) Danyel Nicholas (Klarinette, Alt- und Sopransaxophon), Dirk Raufeisen (Piano), Jörg Kuhfuß (Sousaphon, Gesang), Gregor Beck (Schlagzeug) und Bernd K. Otto (Banjo, Gitarre, Moderation). Als "Special guest" rundete der "World Finest Trombone Player" Joe Gallardo aus Houston (Texas), die Liste der Musiker ab. Die European Swing All Stars spielten im ersten Konzertteil Dixiland/Swing-Kompositionen, die teilweise mit Bebop-Einleitungen anachronistisch beendet werden. Allesamt sind die Musiker "Asse" in der Jazz-Szene. Martin Auer gehört zur HR-Bigband, Wilson de Oliveira war früher dabei und auch Chef der "Frankfurt Jazz Big-Band", Gregor Beck war Drummer bei der legendären "Chris Barber´s Jazzband". Allesamt bieten sie die besten Voraussetzungen für einen spannenden und unterhaltsamen Abend.
Jazz-Herz schlägt im Takt
Man merkte sofort: Da steckt "Pfeffer" dahinter. Im ersten Teil des Konzertes standen Dixiland/Swing-Kompositionen oder bekannte Jazz-Standards der 30er-Jahre und früher auf dem Programm, die teilweise mit Bebop-Einleitungen der 50er-Jahre anachronistisch beendet wurden. "That´s Plenty" von Lew Pollak (1914), "Creole Love Call" von Duke Ellington (1928) glänzten auf den Notenblättern. Brillante Chorus und perfekte Solis kennzeichneten ihren Auftritt. Wie ein gut eingespieltes Fußball-Team spielten sie sich die musikalischen Bälle zu - eine wahre Wonne, ihnen zuzuhören. Musik wie sie jeder Jazz-Freund braucht, damit sein Herz höher schlägt.
Locker durch den Abend
Chorus bedeutet im Jazz , die mehrfach improvisierend umspielte Melodie als Thema, meist 32 Takte mit stets einfachem Aufbau oder mit zwölf Takten des Blues. Einen Musiker hervorzuheben ist schwierig, da alle Koryphäen auf ihrem Instrument sind. Mit kleinen Gesten oder Winken gaben sie sich einander Zeichen, wer als nächster einen Chorus übernehmen musste. Bernd K. Otto als Moderator witzelte bei jeder Ansage und reizte das Zwerchfell der Zuhörer. Er bezeichnete Bad Kissingen als Weltstadt des Jazz , oder wies die Zuhörer darauf hin, dass die letzte U-Bahn nach Bad Bocklet in Kürze abfahre. Irgendwie zog er alles und auch seine Musikerkollegen durch den Kakao. Nichts war gemein, sondern immer liebenswert.
Im zweiten Teil des Abends starteten Solisten der Staatsbad Philharmonie mit Burghard Toelke (Violine), Daniel Kim (Violine), Ilia Zhukovski (Cello) und Roman Riedel ( Posaune ) in den musikalischen Dialog mit den European Swing All Stars.
Herausforderung für Streicher
Danyel Nicholas hatte Arrangements für die Streicher geschrieben, da die Jazzer meist improvisieren, während die Kombination " Jazz meets Classic" mit Streichern nicht normal ist und eigentlich überhaupt nicht vorkommt. Nicholas Arrangements waren eine Herausforderung für die Geiger. Man hatte das Gefühl, sie zersägen die Geige mit ihren Bögen. Diesen Eindruck hatte man besonders bei Daniel Kim, der mit Vittorio Montis weltberühmten "Csárdás" - von Dirk Raufeisen auf dem E-Piano begleitet - ein Bravursolo hinlegte, das einen als Zuhörer atemlos machte. Einmalig auch die Kombination der Posaunisten von Roman Riedel und Joe Gallardo die mit "Ory´s Creole Trombone" die Zuhörer entflammten. Jazz und Streicher: ein einmaliges Erlebnis. Orchesterleiter Burkhard Tölke sagte nachher: "Wir sind nicht gewohnt, Improvisationsstücke zu spielen. Es ist ein anderer Stil. Durch die Anleitung der Jazz-Stars war es leicht, sich in die Musik einzufinden."
Das Publikum war begeistert - zu Recht. Etwas unglücklich war der Vorsitzende des Fördervereins Staatsbad Philharmonie Kissingen, Kurt Rieder . Eigentlich sollte der Erlös zur Anschaffung von hochwertigen Orchesterinstrumenten verwendet werden. Doch leider blieben ein Drittel der Plätze frei. "Man konnte von Erlös kaum sprechen, die Kosten sind enorm. Wir hatten mit mehr Besuchern gerechnet. Aber mir war es wichtig, dass die Zuhörer ihren Spaß haben", so Vorsitzender Kurt Rieder . Spaß hatte man und die Zuhörer, die nicht gekommen waren, hatten etwas Erlesenes verpasst.