In den Tagen nach dem Diebstahl hatte Malte Meinck noch Hoffnung. Über Facebook bot er vor ziemlich genau einem Jahr der Person, die eines seiner Schalentiere aus einer Ausstellung der Kissinger Künstlergruppe ART97688 in der Wandelhalle gestohlen hatte, einen Deal an. Wenn er das einer Krabbe nachempfundene Objekt aus rot eloxiertem Aluminium zurückbekomme, erklärte der Bad Kissinger Schmuckdesigner seinerzeit, verzichte er auf eine Anzeige. Der Aufruf half nicht. Das Schalentier blieb verschwunden. Bis jetzt. Als Meinck diese Woche einmal abends nach Hause kam, stand das Objekt auf dem Tisch.
Wenn der Karton nicht im falschen Abteil gelegen hätte
Wie es dazu kam, ist eine Geschichte der glücklichen Verkettung von Zufällen. Ihr bekannter Teil beginnt bei Harald Hornung. Im städtischen Wertstoffhof, wo Hornung arbeitet.
Im Abteil für alte Polstermöbel, Matratzen und Teppiche entdeckte Hornung, Zufall Nummer eins, einen Karton. Wenn der im Abteil nebenan gelegen wäre, wo sich viele Kartonagen finden, wäre er gar nicht aufgefallen. Doch so nahm Hornung den Karton, schaute rein, entdeckte das Metallobjekt und dachte wie jeder gute Wertstofftrenner am Abteil für Polstermöbel, Matratzen und Teppiche denken würde: "Na, das gehört da aber nicht hinein."
Weil er prüfen wollte, um welche Art von Metall es sich handelte und vielleicht auch, um es dort als Aschenbecher aufzustellen, nahm Hornung das Objekt mit in den offenen Unterstand, wo am Wertstoffhof die verbrauchten Leuchtstoffröhren gesammelt werden und platzierte es auf einem Bistrotisch. Was wiederum, Zufall Nummer zwei, Voraussetzung dafür war, dass Stephanie Parente das Stück sah, als sie diese Woche Wertstoffe abgeliefert hatte und in dem Unterstand schnell noch um eine Rolle Gelbe Säcke bitten wollte.
Wenn Stephanie Parente die Geschichte nicht gekannt hätte
Die Bad Kissinger Fotografin kennt nicht nur Malte Meinck, weil, Zufall Nummer drei, Kinder gemeinsam im Kindergarten waren, sondern sie kannte auch die Geschichte des Diebstahls. Sie hatte den Tisch mit insgesamt sechs Schalentieren aus Meincks Atelier sogar selbst in der Ausstellung bewundert. Dass es sich dabei um das gestohlene Objekt handeln musste, war ihr sofort klar.
Das weitere Vorgehen erleichterte ihr Zufall Nummer vier, also der Umstand, dass sie auch Harald Hornung schon länger kennt. Wenn es diese Vertrauensbasis nicht gegeben hätte, dann hätten die Männer im Wertstoffhof wahrscheinlich bei ihrem Plan nicht mitgespielt, das Stück gleich einzupacken, es bei Meincks daheim vorzuzeigen und es nur zurückzubringen, wenn es nicht das gestohlene gewesen wäre.
Wenn der Dieb ein anderes Objekt mitgenommen hätte
Wie froh Malte Meinck über die kuriose Heimkehr des Schalentiers ist, lässt sich beim Treffen aller Beteiligten am Wertstoffhof an seinem Gesicht ablesen. "Besonders schön" sei, sagt er, "dass die Gruppe wieder komplett ist."
Das einer Krabbe nachempfundene Stück ist eines von sechs Schalentieren, die individuell gestaltet sind. Das eine sehe eher aus wie ein Hummer, ein anderes wie eine Languste, erzählt Meinck. Die Krabbe sei für ihn fast so etwas wie das Lieblingsteil der Reihe. Jedenfalls habe er sich deshalb nach dem Diebstahl fast doppelt geärgert: "Die hätten doch auch ein anderes mitnehmen können."
Nicht mit in dem Karton war übrigens die Einlegeschale in Silber, die vor einem Jahr ebenfalls gestohlen worden war. Sie lag in der Wandelhalle mit auf dem Tisch und muss gezielt mitgenommen worden sein, denn sie passt nur für besagte Krabbe. Meinck hatte seinerzeit daraus abgeleitet, dass sich der Dieb das Kunstobjekt seiner Begierde "genau ausgeguckt haben muss".