Von der Bank erhielt Norbert Klodwig (80) aus Bad Kissingen einen mehrere Seiten langen Brief. „Ich bin nicht mehr der Jüngste. Die Sachen, die ich nicht verstanden habe, wollte ich mir erklären lassen.“ Das Problem: Er findet dafür in Bad Kissingen keinen persönlichen Ansprechpartner mehr. Seit kürzlich die Commerzbank-Filiale aufgrund von Personalmangel kurzfristig geschlossen wurde, müssen Kunden sich anders behelfen. Für jüngere Menschen oft kein Problem. Sie schreiben eine E-Mail oder verwenden eine App. Für Klowig ist die das keine Alternative. Er sagt: „Ich kann mich an die digitale Welt nicht mehr anpassen, ich kann da nicht mehr folgen.“ Vielen älteren Menschen geht es wie ihm.
Suche nach Lösung
„Es gibt eine größere Gruppe von Senioren, die mit jeglicher Form von Digitalisierung nichts mehr anfangen können. Einige leiden extrem darunter“, sagt Hermann-Josef Dresbach, Vorsitzender des Bad Kissinger Seniorenbeirats.
Er findet: „Unternehmen und Organisationen setzen vollkommen zu Recht immer mehr auf Digitalisierung. Aber es muss gleichzeitig immer noch eine ehrliche, realistische Lösung für diese Senioren geben, damit sie analog am Leben teilnehmen können.“
Der Seniorenbeirat suche nach einer Lösung, wie Senioren weniger abgekoppelt werden könnten. Derzeit sei der Beirat dabei, ein Konzept zu entwerfen. Die Frage: Wie kann es gelingen, dass in Bad Kissingen eine zusätzliche Stelle eingerichtet wird, bei der sich Senioren helfen lassen können?
„Eine ständig besetzte Stelle, das wäre ein Riesenfortschritt. Die Krux ist: Das ist teuer.“ Steht ein Konzept, könnte es damit in den Stadtrat gehen. „Aber das geht nicht hoppla hopp, das Konzept muss Hand und Fuß haben“, meint Dresbach. Der Seniorenbeirat berät in seiner Funktion den Bad Kissinger Stadtrat in allen Seniorenangelegenheiten. Er initiiert außerdem eigene Veranstaltungen.
Für Senioren, die Hilfe in Sachen Digitalisierung benötigen, bietet das Mehrgenerationenhaus in Bad Kissingen Kurse an. In denen wird Senioren gezeigt, wie sie ein Smartphone oder Tablet nutzen, wie das in Kontaktbleiben über Mail, Videotelefonie oder Social Media funktioniert. Gezeigt wird auch, wie man mit dem Smartphone eine Reise mit der Deutschen Bahn plant. Auch die Themen „Sicherheit im Internet“ und Unterhaltung (Nutzung der Mediathek, Podcasts, Radio) werden in mehreren Kurseinheiten, die 14-tägig stattfinden, behandelt. Außerdem gibt es eine Sprechstunde, bei der Senioren in einer Eins-zu-eins-Beratung für zehn Euro Fragen zum Tablet oder Smartphone stellen können.
Tablet-Schulungen gibt es über das Seniorenbüro der „LachfALTen“(Spargasse 17). Regelmäßig findet dort mittwochs eine Seniorenrunde statt, bei der sich ältere Menschen austauschen.
Wie groß der Bedarf an digitaler Beratung bei älteren Menschen ist, spürt auch eine technikaffine Inhaberin eines Zeitschriftenladens in Bad Kissingen, die regelmäßig ihre Kunden in Sachen Smartphone und digitale Technik berät. Da werde dann auch mal eine Bestätigung für einen Flug im Laden ausgedruckt, wenn es anders nicht gehe. „Die Leute haben das Smartphone oder Tablet von ihren Enkeln geschenkt bekommen. Ihnen ist aber nicht klar, wie sie es bedienen sollen. Mir bricht da kein Zacken aus der Krone, wenn ich helfe“, sagt sie. Ihren Namen will sie aber nicht offiziell in der Zeitung nennen, weil sie befürchtet, dass sie sonst mit den Anfragen nicht mehr hinterherkommt.
Besonders Menschen, die alleine leben und deren Kinder oder Angehörige so weit weg wohnen, dass sie nicht bei alltäglichen Technikschwierigkeiten helfen können, werden digital leicht abgehängt.
Martina Greubel vom Seniorenbeirat, Stadträtin und Stadtratsbeauftragte für Senioren, berichtet, dass sich bei Ehepaaren oft jeweils nur ein Partner darum kümmere, übers Internet an Informationen zu gelangen.
Dann heißt es: „Der Rasenmäher tut's nicht mehr. Ich schau mal im Internet.“ Solange sich einer der Partner darum kümmere, fehle dem anderen nichts. Ein Problem werde das dann, wenn ein Partner sterbe.
Kontakt mit Kindern und Enkeln
Eine Motivation, sich mit der Technik zu beschäftigen, sei für viele ältere Menschen der Kontakt zu Kindern und Kindeskindern. So können dann Großeltern, deren Kinder und Enkel weit weg wohnen, immer noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen oder etwas zusammen spielen. Ältere Menschen hätten oft die Sorge, etwas auf dem Handy zu zerstören, sagt Greubel. Diese Sorge müsse vielen Menschen erst genommen werde. Sie verfliege dann, wenn die Senioren regelmäßig die Technik nutzten. (wns)
Weitere Informationen gibt es über seniorenbeirat@stadt.badkissingen.de oder die Telefonnummern 0152/372 902 53 (Lachfalten) oder 0971/699 338 1 (Mehrgenerationenhaus).