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BAD KISSINGEN
Bad Kissingen: Urban Priol erklärt, warum seine Komik auch Grenzen hat
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:20 Uhr

Am Samstagabend, 16. Oktober, kommt Urban Priol zum Kissinger Kabarettherbst in den Max-Littmann-Saal. Der Mann mit den fürchterlich bunten Hemden und der Cabrio-Frisur ist längst zu einer unumgänglichen Größe der Welterklärung, Abteilung „Geistreiche Satire“, geworden. Aber wer weiß schon, was für ein Mensch unter dieser Frisur und in den bunten Hemden steckt. Kurz vor seiner Ankunft hat Urban Priol mal ein bisschen von sich erzählt – was ihm erwartungsgemäß nicht schwerfiel.

Frage: Herr Priol, Sie sind im bayerischen Bermudadreieck aufgewachsen. In Bayern südlich des Weißwurstäquators ist das schon Hessen, für die Hessen auch – ein Dialekt, der nicht wirklich hessisch und nicht wirklich fränkisch ist. Hat Ihr Dialekt Ihnen bei Ihrer Karriere geholfen oder hat er sie gebremst?

Urban Priol: Nein, nicht gebremst. Die Leute waren natürlich auch neugierig: Wie kann jemand sagen, er kommt aus Bayern, und babbelt eigentlich hessisch? Was so nicht ganz stimmt. Denn wir haben die größte Überschneidung mit dem Mainzer Dialekt, weil wir mit Mainz ein gemeinsames Bistum waren. Ich war in der Uni mal in einem Seminar Sprachwissenschaft. Da wurde das genau aufgedröselt.

Wie sind Sie in das Bühnenleben geraten? Über die Theatergruppe am Gymnasium?

Priol: Nein, wir hatten keine. Ich glaube, ich bin da reingerutscht, weil ich nie jemanden ernst nehmen konnte, also Obrigkeiten. Mit den Lehrern fing's an. Die waren, glaube ich, ganz froh, als ich weg war vom Gymnasium. Die habe ich seit der 9. Klasse auch nachgemacht, und da begann dann auch das politische Interesse. Da hat man ja Größen gehabt: Brandt, Wehner Strauß. Die habe ich immer so ein bisschen parodiert. Dann war ich drei Monate, bis ich verweigert hatte, bei der Bundeswehr der Truppenkomiker. Anschließend, im Zivildienst auf der Rettungswache, traf ich einen Liedermacher, der sagte: „Mensch, du machst hier immer den Pausenclown. Wollen wir nicht mal, dass du mal fünf Minuten offizieller Gast bist?“ So war 1982 der erste Auftritt. An der Uni kam ich dann in die englische Theatergruppe. Und mit Klaus Staab wurde aus den fünf Minuten dann ein gemeinsames Programm. Dann haben wir 1986 das Passauer „Scharfrichterbeil“ gewonnen, und dann war mir irgendwo klar: Gut, dann wird's halt irgendwie Beruf.

Zwischen 1986 und 2019 haben Sie mindestens 24 Auszeichnungen und Preise bekommen. Wussten Sie immer, warum Sie die bekommen haben? Oder hatten Sie das Gefühl, dass ein Komitee sie ausgewählt hat, weil man da nichts falsch machen konnte, wenn man den Priol nahm?

Priol: Es gibt ja den Spruch von Gerhard Polt: „Jeder Preis sucht sich unerbittlich seinen Träger.“ Ich weiß es auch nicht. Also, ich habe mich über jede Auszeichnung gefreut, auch wenn sie noch so klein war: Irgendwie hast du nicht alles falsch gemacht in all den Jahren. Und es ist natürlich eine schöne Bestätigung. Ich habe nie gedacht; „Ach Gott, ich muss schon wieder einen Preis abholen, ach, und der steht dann zuhause rum als Staubfänger, ach wie schlimm!“ Nein, das war immer ein Motivationsschub.

Was war das für Sie für eine Entscheidung, kurz vor dem Examen vom Lehrerberuf wegzugehen zum Kabarett?

Priol: Die Entscheidung war recht schnell gefallen. Ich hatte in Sommerhausen im „Bockshorn“ gespielt – beim Mathias Repiscus, der wollte ein eigenes Ensemble gründen – und war schon angespitzt, dass mir das Spaß machen könnte. Und dann meine Mutter natürlich: „Aber du wird doch wohl das Studium fertig machen!“ Dann saß ich in der Geschichtsvorlesung über mittelalterliche Befestigungsanlagen, und der bedeutungsschwere Dozent hob an: „Und nun passen Sie gut auf! Die Burgen auf dem Berg, das waren die Bergburgen, und die Burgen im Tal, das waren die Talburgen.“ Alle haben alles mitgeschrieben, und ich habe mir plötzlich gedacht: Du bist doch hier völlig fehl am Platz!“ In dem Moment habe ich meine Sachen gepackt und bin raus aus dem Hörsaal und nach Sommerhausen gefahren und habe gesagt: „Okay, ich mach mit.“

Wann hatten Sie das Gefühl, von Ihrem Mundwerk leben zu können?

Priol: Das war ganz interessant. Das war so Anfang der Neunziger. Da hatten wir vorher Ensemblekabarett gemacht, Duoprogramme. Dann habe ich so langsam gedacht: Ich muss ja mal was alleine machen. Vorher hatte ich ja immer nur Rollenkabarett gemacht, nur Rollen gespielt. Jetzt musste ich auf einmal auf der Bühne ich selbst sein. Und von dem Moment an, in dem ich merkte: Ich kann mein schauspielerisches Handwerk nehmen und kann immer in Rollen springen und dann wieder ich selbst sein und mit dem Publikum plaudern – also als ich gemerkt habe, dass das funktioniert, wusste ich: Das läuft auch. Denn ich rede ja auch sonst gerne mit den Leuten, ohne mich zu verstellen.

Wie sind Sie zu ihrem Bühnenoutfit gekommen? Tragen Sie diese bemerkenswerten Hawaii-Hemden auch zu Hause? Oder woran merkt Ihre Frau, dass sie mit einem Kabarettisten verheiratet ist?

Priol: Ach, ich denke einfach, dass ich und meine Lebensgefährtin einfach viel Spaß haben. Das merkt man schon daran, dass ich auch gut im Privaten erheitern kann, und sie hat auch einen sehr guten Humor. Das klappt also wunderbar.

Also sie kontert auch.

Priol: Ja natürlich, klar. Ansonsten mit den Hemden. Ich finde: Draußen ist eh immer so grau. Mach's doch ein bisschen bunt. Man denke nur an die G-20-Gipfel. Das war ja auch eines der Erfolgsgeheimnisse unserer scheidenden Kanzlerin, wenn es immer hieß: Sie war der Farbtupfer inmitten grau und schwarz gekleideter Männer. Warum waren die Männer so blöd und haben sich nicht bunte Sakkos geholt? Da hätte sie als eine unter vielen dagestanden. Ich ziehe mich auch privat gerne bunt an. Mit den abstehenden Haaren, das war einer Rolle geschuldet. Ich habe so einen gelackten Gewerkschaftsfunktionär gespielt und musste dann ganz schnell innerhalb einer Minute den durchgeknallten Moderator spielen. Da habe ich hinten beim Rundlauf gesagt: Legt mir einfach ein Handtuch hin, aber eingegelt, und dann mache ich einfach was mit den Haaren und ziehe ein anderes Sakko an. Und ich merkte: Das ist doch ganz bequem. Da musst du dir nicht mehr vor jedem Auftritt überlegen: Sitzt das Haar? Einfach nur Handtuch drüber und fertig.

Ist natürlich ein endlicher Schatz.

Priol: Stimmt! Stimmt, aber noch geht's.

Wie entstehen Ihre Programme? Schreiben Sie gerne oder quälen Sie sich lange mit leeren Seiten rum? Fliegen Ihnen die Themen zu oder müssen Sie kämpfen?

Priol: Das ist ein bunter Topf aus allem. Manchmal läufts einfach so. Ich stehe morgens auf, hab ne Idee und schreib das runter, dass es schon ziemlich gut aussieht. Und manchmal hänge ich einen halben Tag an einem Satz. Ich fange morgens immer an mit dem Morgenmagazin. Da habe ich schon mal meine Dosis Adrenalin und meine Zornportion für den Tag schon ein bisschen gespeichert. Dann lese ich noch ein paar Tageszeitungen quer, surfe ein bisschen im Netz. Und dann habe ich mein kleines Büchlein, meine kleine Kladde; da schreibe ich dann immer rein. Dann schaue ich abends, was muss rein, was muss raus. Also es ist ein beständiger „work in progress“.

Gibt es Texte, die Sie extra um ein eigenes Wort herumschreiben, in das Sie sich verliebt haben? Das kann manchmal passieren, das stimmt. Aber eigentlich geht's erst mal so, wie es aus der Feder rausfließt, und dann schaut man, ob man noch ein paar Schmankerln findet, die man einbauen kann.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Themen aus? Wie wird gewichtet?

Priol: Also man liest ja die Zeitung quer, man guckt, was man gerade im Fernsehen aufgeschnappt hat. Es sind oft die kleinen Meldungen, die eigentlich die interessanten sind, wo man sich fragt: Warum wird denn jetzt darüber nicht größer berichtet. Die Schlagzeilen, das ist klar, da hat jeder gleich vor Augen, was da abgeht. Aber es sind oft so kleine Dinge. Und da beiße ich mich dann gerne fest und sage mir: Jetzt machen wir das Kleine mal ein bisschen groß und unterfüttern es dann mit dem Großen. Ein Beispiel: Die Koalitionssondierungen, als die FDP so sauer war, dass die Union durchgestochen hat – so ein schönes neues Wort, das wir vorher noch nie gehört haben. Und erstaunlicherweise wurde so darüber berichtet, dass die Union nicht verlässlich wäre, weil sie durchgestochen hat. Es ging gar nicht darum, was die FDP verlangt hat: dass die Union die Grünen gefälligst auf ihre Seite ziehen solle, damit sie kungeln und Jamaika machen können. Da ist die zweite Nachricht dann wichtiger als die erste.

Satire darf ja alles. Aber haben Sie rote Linien, die Sie nicht überschreiten wollen?

Priol: Ja. Zum Beispiel aus persönlichem Elend auch noch einen Witz zu machen oder Beleidigungen, die schon an die anonyme Qualität im Netz ran reichen. Da ist bei mir die Grenze. Man kann sticheln, aber man sollte immer fein mit dem Florett tänzeln.

Sie schätzen Spontaneität. Sind Sie schon mal in eine Situation geraten, in der Sie sich plötzlich gefragt haben: Mein Gott, wie komme ich da wieder raus?

Priol: Da muss ich auf Holz klopfen: Zum Glück noch nicht. Und ich hoffe, dass das so bleibt. Allerdings: Vieles, was spontan wirkt, ist vorher auch erarbeitet. Ich halte nichts davon, auf die Bühne zu kommen und zu sagen: Jetzt schauen wir mal, wie der Abend wird. Aber das, was so leicht wirkt, als ob es eben aus dem Ärmel kommt, das sollte man schon vorher wissen. 80 bis 85 Prozent des Programms sollten schon sitzen, und dann kann man noch so ein paar Ausflüge machen.

Sie imitieren gerne mal Politiker. Von denen, die mir in Erinnerung sind, ist allerdings nur noch Winfried Kretschmann aktiv. Üben Sie jetzt schon neue ein?

Priol: Da muss ich erst mal abwarten, bei wem das sich lohnt. Bei Laschet, glaube ich, lohnt es sich nicht, den groß einzuüben. Ich finde, so stark wie das Original kann man auch gar nicht werden.

Das stimmt. Oder so schwach.

Priol: Olaf Scholz kann man eigentlich nur pantomimisch darstellen. Aber für die Grünen kann man Kretschmann, der zum Glück da ist, immer als Sidekick bemühen, weil er ja auch innerhalb der Grünen so eine leicht konträre Figur ist. Also, da ist viel Spannungspotenzial, da kann man vieles machen.

Empfinden Sie die politische Situation in Berlin eher als Konkurrenz oder als Ideenquell.

Priol: Also ich muss schon sagen: Ich war an Punkten, wo ich dachte: Jetzt wird's schwierig, das noch zu toppen; also du müsstest Dinge erfinden, auf die du nicht kommen würdest, wenn die Realität nicht schon die Vorlage geboten hätte. Bestes Beispiel, als es im Frühjahr mal kurz hieß: Jens Spahn und Andreas Scheuer bilden eine „Taskforce Testbeschaffung“. Da habe ich gemerkt, dass Satire an ihre Grenzen stößt. Das kannst du nicht toppen.

Würden Sie bitte drei Satzanfänge komplettieren? Armin Laschet und Friedrich Merz sind

Priol: ... zwei Auslaufmodelle, wie man sie sich besser nicht vorstellen kann.

Angela Merkel hätte

Priol: ... wesentlich früher aufhören sollen, um uns diesen Mehltau über 16 Jahre zu ersparen.

Olaf Scholz glaubt

Priol: ... dass er wirklich für den Aufbruch in die Moderne steht, der Mitkonstrukteur der Agenda 2010.

Sie wurden bei der Franken Classic vermisst. Lag's an Corona, dass Sie nicht da waren? Kommen Sie wieder?

Priol: Ja. Ich wäre liebend gerne mitgefahren. Das Problem ist, dass wir jetzt die verschobenen Veranstaltungen der letzten eineinhalb Jahre irgendwohin schieben müssen, und da hatte ich leider gerade Saisonstart. Aber ich denke, 2022 dürfte es auf jeden Fall klappen.

Ihr Programm, mit dem Sie am Samstag in den Regentenbau kommen, heißt „Im Fluss“. Was darf das Publikum da erwarten, womit kann es rechnen, was muss es aushalten?

Priol: Der Titel „Im Fluss“ ist gewählt, um meiner Haltung entgegenzukommen, dass ich immer sehr tagesaktuell bin, dass sich beständig etwas ändert. Da ist eine Rahmenhandlung, die im antiken Griechenland losgeht, und dann ist man ganz plötzlich in der Tagesaktualität. Und da muss ich natürlich schauen, was bis zum Auftritt noch alles passiert. Das wird dann eingewoben, mit vielen Geschichten aus dem Alltag, weil der gesellschaftliche Alltag immer auch ein Stück politisch ist.

Wie lange schmeckt Ihnen eigentlich Ihr vermutlich alkoholfreies Weißbier, das Sie immer mit auf die Bühne bringen?

Priol: Die ersten zehn Minuten. Dann ist es grauenvoll.

Haben Sie noch Antworten, auf die ich Fragen suchen könnte?

Priol: Nö. Außer, wenn wir beim Politischen bleiben, dass die Zeit von Zweiparteiensystemen vorbei zu sein scheint. Damit reihen wir uns ein in eine ganz normale Entwicklung in Europa, dass wir auch angekommen sind in der Mehrparteiendemokratie. Das wird spannend, dass man mal aus dem eingefahrenen Modus rauskommt.

 
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