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Bad Kissingen
Kissinger Ratskeller im Auf und Ab der Geschichte
Vom Weinlokal im Barockschloss zum exquisiten Lokal im Neuen Rathaus bis zur Schließung kurz vor dem 100. Jubiläum: Die Geschichte des Ratskellers.
Der große Gastraum um 1920.       -  Der große Gastraum um 1920.
Foto: Repro: Philipp Dippl/ Original in: Dichtel, Renate: Als das Rathaus noch ein Schloss war. Murnau, 2012. | Der große Gastraum um 1920.
Philipp Dippl
 |  aktualisiert: 19.07.2024 15:45 Uhr

Das Neue Rathaus der Stadt Bad Kissingen beherbergte ehemals den Adelssitz des alten unterfränkischen Geschlechts Heußlein von Eußenheim. Daher verwundert es kaum, dass das prächtige, herrschaftliche Gebäude aus der mittelalterlich-fränkisch geprägten Architektur am Rathausplatz besonders hervorsticht.

Heinrich Christoph Heußlein von Eußenheim ließ das Barockschlösschen zwischen 1707 und 1710 nach Plänen des Baumeisters Johann Dientzenhofer errichten. Das Anwesen blieb über viele Generationen hinweg in Besitz des Adelsgeschlechts Heußlein von Eußenheim. 1870 allerdings starb die männliche Linie der Familie aus, das Adelsgeschlecht der Heußlein von Eußenheim erlosch.

Ausbau des Schlosskellers

Ein gewisser Christian Anton Josef Justin Philipp Lochner von Hüttenbach, der mit Adelheid Heußlein von Eußenheim verheiratet war, wurde zum neuen Besitzer des Schlosses. Er ließ die charakteristischen Giebel auf dem Dach errichten und die Mansardenräume im zweiten Stock ausbauen. Karl, der Sohn Christian von Lochners, ließ zwischen 1907 und 1908 erstmals Zentralheizung und elektrisches Licht einbauen und verhalf dem Schlösschen somit endgültig zum Sprung in die Neuzeit. Der Ausbau des Schlosskellers zu einem Weinlokal geht auf das Jahr 1920 zurück.

Karl von Lochner starb am 24. Dezember 1927, seine Witwe aber konnte das Anwesen nicht halten. Gleichzeitig platzten die Räume der Stadtverwaltung im Alten Rathaus am Marktplatz aus allen Nähten. Im Frühjahr 1928 wurde das Heußlerische Schloss an die Stadt Bad Kissingen verkauft und die Bediensteten der Kurstadt konnten ihren Geschäften fortan in passenden Räumen nachgehen.

Bis zuletzt war der Ratskeller, also das alte Weinlokal von 1920 im Keller des Neuen Rathauses, eine der ersten Adressen für exklusive Speisen und Weine. Das romantische, mittelalterlich angehauchte Ambiente des mit dunklem Holz verkleideten Gewölbekellers tat das seine zu dem ausgezeichneten Ruf des Lokals.

Beliebter Treffpunkt

Gerne trafen sich Bürger und Gäste der Kurstadt dort nach den Konzerten des Kissinger Sommers, um den Abend ausklingen zu lassen.

Im Oktober 2018 endete kurz vor Erreichen des 100-jährigen Jubiläums die Geschichte des Ratskellers. Die Wirtin Gertrud Groß, die das Lokal immerhin 16 Jahre erfolgreich führte, zog sich aus dem Pachtvertrag zurück. Das Rathaus hatte die Immobilie zunächst zur Pacht neu ausgeschrieben. Weiter ist seitdem jedoch nichts passiert, weil sie zwischenzeitlich herausgestellt hat, dass Gaststube und Technik für einen Millionenbetrag saniert werden müssen. Diese Sanierung steht noch aus. Seitdem sind fünf Jahre ins Land gegangen, in denen sich der Zustand des Weinlokals wohl eher verschlechtert als verbessert hat.

Ungewisse Zukunft

Ja, es sind wahrlich stattliche Räume mit einer langen Geschichte, in denen die Stadtoberhäupter nunmehr seit bald 100 Jahren ihrer täglichen Arbeit im Auftrag des Kissinger Bürgers nachgehen. Ein Trauerspiel ist es allerdings, dass die historischen Stuben des Ratskellers in diesem prächtigen architektonischen Barockambiente des Neuen Rathauses ungenutzt vor sich hinvegetieren. Ob der urige Gewölbekeller mit seiner Gastwirtschaft lediglich in einem langen Dornröschenschlaf liegt, oder ob der letzte Glockenschlag für die Kissinger Institution des Ratskellers bereits geschlagen hat, scheint heute ungewisser denn je.

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  • R. A.
    Wer ein klein wenig Ahnung von Brandschutzvorschriften, Arbeitsschutzrichtlinien und grundsätzlichen Raumhöhen für Gewerbebetriebe besitzt, wird ohne den Denkmalschutz zu berücksichtigen zu wollen feststellen, dass der wenn mögliche finanzielle Rahmen nie mehr ansatzweise Erträge bringen wird.
    Das blauäugige Gebabbel vom Ambiente lassen wir ebenfalls weg, dann muss man erkennen, dass der Ratskeller mit der zuletzt angedachten Pachterhöhung, die die letzte professionell denkend und rechnende Pächterin zum Weggehen bewog, damit von kurzdenkenden Sesselbewohnern ermordet wurde.
    Ironie aus!
    Das war ähnlich wie damals bei Reiner Ernst und der Umsatzpacht des Klaushofs.
    Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.
    Die Kissinger Ratsköpf wollten mit den Pachten ihre fehlende Gewerbesteuer aufhübschen.
    Alles ging in die volle Hose!
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